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Kooperation / EU-Magazin Horizon / 04.05.2023, 11:42

Seltenes Virus CCHF breitet sich in Europa aus

Da sich eine tödliche Krankheit, die von Zecken übertragen werden kann, über den Kontinent ausbreitet, bemüht sich die EU um neue Tests und einen Impfstoff für diese Infektion.

APA/GEORG HOCHMUTH
Zecken übertragen das neue Virus CCHF

Ein 62-jähriger Mann wurde bei einer Wanderung durch Felder in Spanien von einer Zecke gebissen. Zwei Tage später wurde er krank und in ein Krankenhaus in Madrid gebracht, wo sich sein Zustand rapide verschlechterte. Er starb nach neun Tagen.

Dies geschah 2016 und erwies sich als der erste Todesfall in Spanien, der durch das Hämorrhagische Krim-Kongo-Fieber (CCHF) verursacht wurde, eine durch Zecken übertragene Krankheit, die mit grippeähnlichen Symptomen beginnt und oft zu Organversagen führen kann.

Ausbreitung nach Norden

„Zecken wandern aufgrund des Klimawandels mit längeren und trockeneren Sommern durch Europa“, sagt Professor Ali Mirazimi, Virologe am Karolinska-Institut in Schweden.

Der erste Fall war für die spanischen Ärzte schwierig zu diagnostizieren, da das hämorrhagische Fieber in Westeuropa bis dahin noch nicht aufgetreten war. Eine Krankenschwester im Krankenhaus des Patienten infizierte sich ebenfalls mit dem Fieber, überlebte aber nach Wochen auf der Intensivstation.

Dann kam im Juli 2022 ein weiterer Mann in Spanien mit derselben Krankheit ins Krankenhaus. Wissenschaftler warnen nun davor, dass sich CCHF, an dem zwischen 10 und 40 % der Patienten sterben können, in Europa nach Norden und Westen ausbreitet.

Die Krankheit wird durch ein Virus in einer Zeckenart verursacht, die sich als Jungtier von Kleintieren ernährt und im Erwachsenenstadium auf größere Tiere, einschließlich Weidetiere, übergeht.

CCHF wurde erstmals 1944 bei einem Ausbruch unter Soldaten auf der Krim an der Nordküste des Schwarzen Meeres beschrieben. Sporadische Ausbrüche werden auch heute noch verzeichnet, insbesondere in Afrika, Osteuropa, der Türkei, Zentralasien und Indien. Die Krankheit breitet sich weltweit aus.

Eine infizierte Zecke kann tausende infizierter Eier produzieren. Die jungen Zecken ernähren sich von kleinen Säugetieren wie Kaninchen, aber auch von Vögeln.

Die Verbindung zu den Vögeln ermöglicht es den Zecken, sich auszubreiten und das Virus in neuen Gebieten anzusiedeln.

Gefährliche Neuankömmlinge

„Sobald wir die infizierten Zecken finden, wissen wir, dass es früher oder später zu einem Ausbruch kommen wird“, sagt Mirazimi

Das Virus kommt derzeit in Zecken, zum Beispiel in Italien vor, aber es gab noch keine Ausbrüche. Ihr Auftreten in neuen Ländern ist gefährlich, weil es für Ärzte schwierig ist, die neue Krankheit bei Patienten zu erkennen.

„Wir haben keine guten medizinischen Heilmittel“, erklärt Mirazimi. „Es gibt kein gutes Virostatikum, keinen zugelassenen Impfstoff und das Wissen über die Krankheit ist unvollständig.“

Das bedeutet, dass Ärzte keine andere Wahl haben, als sich auf die allgemeine medizinische Behandlung zu verlassen, die aus Flüssigkeit, Medikamenten und gegebenenfalls Intensivpflege besteht.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass eine mit dem hämorrhagischen Fieber infizierte Person die Krankheit durch Speichel und Schweiß auf enge Kontaktpersonen übertragen kann. Dies stellt eine Gefahr für die Familienangehörigen sowie für die behandelnden Ärzte und Krankenschwestern dar.

Je früher die Diagnose gestellt wird, desto besser für alle Beteiligten, denn eine rasche Diagnose ermöglicht die richtige Isolierung der Patienten.

Tests 1, 2, 3

All dies unterstreicht die Bedeutung eines von Mirazimi geleiteten Projekts namens VHFMoDRAD zur Entwicklung von Tests für diese Krankheit. Die von der EU und der Industrie finanzierte Initiative lief von 2019 bis 2022.

In einem der daraus resultierenden Ansätze werden Polymerase-Kettenreaktions-Tests (sogenannte PCR-Tests) verwendet, die in der Regel eine hochentwickelte Laborausrüstung und geschultes Personal erfordern. Hier werden die Tests jedoch in eine spezielle Maschine eingesetzt, was das Verfahren schneller und einfacher macht.

In einem weiteren Ansatz wurden im Rahmen des Projekts einfach zu handhabende Tests entwickelt, ähnlich den weit verbreiteten Schnelltests für Covid-19.

Ein zusätzlicher Vorteil dieser Tests besteht darin, dass sie nicht nur CCHF, sondern auch andere virale hämorrhagische Fiebererkrankungen erkennen können – eine Gruppe, zu der auch Ebola-, Marburg- und Lassa-Viren gehören. Erst im Februar und März dieses Jahres wurden zwei unterschiedliche Ausbrüche des Marburg-Virus in Äquatorialguinea und Tansania gemeldet.

Das berühmteste Virus ist jedoch Ebola. Dieses Virus hat bei einem Ausbruch, der 2014 in Guinea begann, mehr als 28 000 Menschen infiziert. Es breitete sich auf sieben weitere Länder aus und kostete bis zum Ende des Ausbruchs im Jahr 2016 mehr als 11 000 Menschen das Leben.

Ausbrüche von hämorrhagischem Fieber im Allgemeinen müssen dringend erkannt werden, so Professor Roger Hewson, Experte für CCHF und andere hämorrhagische Viren an der Liverpool School of Tropical Medicine in Großbritannien.

„Sie verursachen eine sehr hohe und verheerende Sterblichkeitsrate“, sagt Hewson, der mit Mirazimi im VHFMoDRAD-Projekt zusammengearbeitet hat. „Bei einer schnellen Diagnose können Patienten zügig isoliert und gerettet werden.“

CCHF ist nicht das einzige hämorrhagische Fieber, das durch engen Kontakt, z. B. über Speichel oder Schweiß, übertragen werden kann, so dass auch andere Formen z. B. bei der medizinischen Versorgung oder bei Beerdigungen leicht weitergegeben werden können.

Genau das passierte nämlich in Westafrika während des Ebola-Ausbruchs. Entscheidend ist, dass durch VHFMoDRAD ein Weg gefunden wurde, vorhandene Viren bei der Entnahme der Blutprobe zu deaktivieren, wodurch die Untersuchung auf diese Krankheiten sicherer wird.

In der Vergangenheit sind tödliche Ebola-Ausbrüche in abgeschiedenen Gemeinschaften in Afrika wahrscheinlich nicht gemeldet worden. Dank besserer Verkehrsverbindungen können sich solche Viren heute schnell in großen städtischen Gebieten ausbreiten.

Wurde die Krankheit erkannt, können die Patienten mit einer geeigneten Behandlung oft gerettet werden.

In der Türkei ist CCHF so weit verbreitet, dass Ärzte die Krankheit leicht erkennen und den Patienten eine angemessene lebensrettende Behandlung zukommen lassen. Nach Angaben von Wissenschaftlern liegt die Sterblichkeitsrate bei CCHF in der Türkei bei relativ niedrigen 7 %.

Harter Kampf

Viren, die hämorrhagisches Fieber verursachen, existieren in der Regel in Tieren wie Fledermäusen – was auch für das Ebola- und Marburg-Virus gilt – und springen nur selten auf den Menschen über. Sobald solche Infektionen auftreten, bekämpft das Immunsystem vieler Menschen den Eindringling so heftig, dass es zu tödlichen Organschäden kommt.

„Die Viren werden oft nach einigen Wochen aus dem Körper ausgeschieden, aber die Immunreaktion verursacht dann Blutungen“, so Hewson.

Sein Labor untersucht CCHF, um die Immunreaktionen auf das Virus zu verstehen. Diese Forschung fließt in ein anderes von der EU finanziertes Projekt, CCHFVaccine, zur Entwicklung eines Impfstoffs ein.

Diese Initiative, die ebenfalls von Schweden aus geleitet wird, begann 2017 und soll im Juni dieses Jahres abgeschlossen werden. Bislang wurden zwei Impfstoffarten weiter verfolgt.

Im Rahmen geplanter weiterer Forschungsarbeiten sollen gegen Ende dieses Jahres oder Anfang 2024 in Schweden Studien zur Sicherheit des Impfstoffs durchgeführt werden. Phase-III-Versuche zum Nachweis der Wirksamkeit des Impfstoffs könnten dann in der Türkei durchgeführt werden.

Der Impfstoff wäre für die am meisten gefährdeten Menschen, die dem Virus ausgesetzt sind, bestimmt. Dazu gehören Ärzte, Krankenschwestern, Tierärzte, Mitarbeiter von Schlachthöfen und vielleicht sogar Touristen in endemischen Gebieten.

Obwohl CCHF in Europa noch selten ist, stellt es eine große Herausforderung dar.

„Die Folgen sind für jeden, der sich infiziert, wirklich enorm“, sagt Mirazimi.

Weitere Infos

–> VHFMoDRAD

–> CCHFVaccine

–> EU-geförderte Gesundheitsforschung und Innovation

 

Artikel von Anthony King

APA-SCIENCE CONTENT-KOOPERATION MIT HORIZON

Das VHFMoDRAD-Projekt wurde im Rahmen der Initiative Innovative Arzneimittel, einer Partnerschaft zwischen der EU und der europäischen Pharmaindustrie, finanziert. Dieser Artikel wurde erstmals in Horizon, dem EU-Magazin für Forschung und Innovation, veröffentlicht. 

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