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Kooperation / EU-Magazin Horizon / 29.08.2024, 19:07

Smarte Bienenstöcke und tanzende Roboterbienen fördern nachhaltige Bienenzucht

EU-geförderte Forscher nutzen Big Data und smarte Technologien, um die Bedingungen für Bienen zu verbessern und Imker zu unterstützen.

APA/Robert Jäger
Technische Helferlein sollen Imker und Bienenvolk unterstützen

Mit einem elektronischen „Ping“ erhält Professor Dirk de Graaf eine Benachrichtigung auf seinem Smartphone. Es ist eine Nachricht von einem Bienenstock, der in Schwierigkeiten steckt.

De Graaf, Professor für biomedizinische Physiologie und Insektenphysiologie sowie Leiter des Labors für molekulare Entomologie und Bienenpathologie an der Universität Gent in Belgien, hat in den letzten fünf Jahren ein Datenerfassungssystem für Bienenstöcke entwickelt, von dem er hofft, dass es die Überlebensraten der Insekten erheblich verbessern kann. 

Smarte Bienenstöcke 

Im Rahmen einer europaweiten Forschungsinitiative, die von der EU finanziert wird, dem B-GOOD-Projekt, haben de Graaf und ein Team von Forscherinnen und Forschern aus 13 europäischen Ländern von Mitte 2019 bis November letzten Jahres gemeinsam untersucht, wie neue Technologien sowohl die Gesundheit der Bienen als auch die Nachhaltigkeit der Bienenzucht unterstützen können.

Die Forscher haben ein Überwachungssystem entwickelt, das Probleme in einem Bienenstock erkennen und dem Imker maßgeschneiderte Ratschläge geben kann, wie er eingreifen kann. Dieses System ist ein potenziell wichtiger Verbündeter für Imker, von denen es 2021 in der EU schätzungsweise 615.000 gab.

Sie entwickelten eine digitale Wabe – eine dünne Platine, die mit verschiedenen Sensoren ausgestattet ist, um die herum die Bienen ihre Waben bauen. Mehrere dieser Sensoren in jedem Bienenstock können dann Daten an die Forscherinnen und Forscher übermitteln und so eine Echtzeitüberwachung ermöglichen. „Die Herausforderung bestand darin, herauszufinden, welche Parameter am meisten zum Gesundheitszustand eines Bienenvolkes beitragen“, erklärt de Graaf. 

Über drei Jahre hinweg überwachte das Team fast 400 Bienenvölker in den 13 teilnehmenden Ländern und konnte so Algorithmen entwickeln, die bei der Interpretation der von den digitalen Waben erfassten Daten helfen. „Es hat sich herausgestellt, dass das Gewicht ein guter Indikator dafür ist, ob ein Bienenvolk den Winter überleben wird“, so de Graaf. „Mit unserer Technologie können wir jetzt Bienenvölker identifizieren, bei denen wir eingreifen müssen. Dies wird dann den Imkern über maßgeschneiderte Warnungen mit spezifischen Anweisungen mitgeteilt.“ 

Technikaffine Bienenzucht

Bienen spielen eine tragende Rolle bei der Bestäubung von Wildpflanzen sowie vielen landwirtschaftlichen Kulturpflanzen, einschließlich Schokolade, Kaffee, Paradeiser und Heidelbeeren. Schätzungen zufolge sind etwa vier von fünf Kultur- und Wildpflanzenarten in Europa, zumindest teilweise, auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. 

Die Zahl der Wildbestäuber in Europa und weltweit geht jedoch aufgrund der kombinierten Auswirkungen des Klimawandels, des Verlusts von Lebensräumen und des weit verbreiteten Einsatzes von Pestiziden rasch zurück. Laut der Roten Liste der Europäischen Union sind die Populationen von etwa einem Drittel der Bienen-, Schmetterlings- und Schwebfliegenarten bedroht. Für de Graaf sind die Auswirkungen von Pestiziden besonders schädlich. „Sehr oft sterben die Bienen nicht sofort, wenn sie Pestiziden ausgesetzt sind, aber sie entwickeln Gedächtnisprobleme und kehren schließlich nicht mehr zu ihrem Bienenstock zurück“, sagt de Graaf.

Die automatische Datenerfassung in Bienenstöcken wird bereits von einigen Bienenzüchtern genutzt, vor allem von jüngeren, technikaffinen Imkern. Ziel ist es nun, den Einsatz dieser Instrumente in der gesamten Imkerschaft zu fördern, was eine Datenerfassung in größerem Umfang ermöglichen wird. Zu diesem Zweck arbeiten die Forscherinnen und Forscher eng mit der EU-Bienenpartnerschaft zusammen, einer EU-weiten Plattform für Bienengesundheit und Datenmanagement, die 2017 gegründet wurde. „Wenn mehr Imker auf diese Technologie setzen würden, wäre das ein echter Wendepunkt; es würde uns helfen, die Bienengesundheit aus einer anderen Perspektive zu betrachten“, fügt de Graaf hinzu.

Die entwickelte Technologie könnte auch Imkern bei der Planung künftiger Bienenstöcke helfen. Das B-GOOD-Team hat die Daten genutzt, um virtuelle Landschaften zu erstellen, die vorhersagen, wie ein Bienenstock auf bestimmte Umweltbedingungen reagieren wird. „Das funktioniert ein bisschen wie ein Flugsimulator, aber für Imker“, sagt er. 

Dank der laufenden Finanzierung durch die EU können die B-GOOD-Forscherinnen und -Forscher ihre wertvolle Arbeit im Rahmen der BETTER-B-Forschungsinitiative fortsetzen, die noch bis Mai 2027 läuft.

Blick hinter die Kulissen

Professor Thomas Schmickl, Professor für Zoologie an der Universität Graz in Österreich, hat ebenfalls die letzten fünf Jahre damit verbracht, den Einsatz modernster Technologie zur Unterstützung der Gesundheit von Honigbienen zu erforschen. Dies geschah im Rahmen einer anderen EU-geförderten Forschungsinitiative namens HIVEOPOLIS, die von 2019 bis März dieses Jahres lief.

Schmickl ist Gründer des Artificial Life Lab (ALL) an der Universität Graz, einem internationalen, interdisziplinären Forschungslabor, das in den Bereichen Schwarmintelligenz, Selbstorganisation, Schwarmrobotik und biologisch inspirierte Algorithmen forscht. Ein Großteil der Arbeit am ALL basiert darauf, Inspiration aus der Natur zu gewinnen, um Fortschritte in der Robotik voranzutreiben. In HIVEOPOLIS kehren die Forscherinnen und Forscher diesen Ansatz um und untersuchen, wie Fortschritte in der Robotik die Natur unterstützen könnten. Schmickl nennt dieses Konzept Ecosystem Hacking.

„Honigbienen sind extrem leistungsfähig. Wenn man sie unterstützt, unterstützt man auch die Umwelt um sie herum“, sagt Schmickl. „Die Bestäubung kann nur mit Hilfe von Bienen aufrechterhalten werden.“ Er weist darauf hin, dass bei weniger Bestäubung durch Insekten die Erträge der Landwirte sinken, was zu einem Anstieg der Lebensmittelpreise führt. Dies übt wiederum Druck auf die Landwirte aus, intensive, umweltbelastende Anbaumethoden anzuwenden, die zu einem weiteren Rückgang der Insektenpopulationen führen. Es ist ein Teufelskreis.  

Ähnlich wie das B-GOOD-Team haben die HIVEOPOLIS-Forscherinnen und Forscher eine digitale Honigwabe mit Sensoren entwickelt. Indem sie die Temperaturen an verschiedenen Stellen des Bienenstocks messen, können die Forscherinnen und Forscher das Geschehen im Innern des Bienenstocks effektiv abbilden. 

So können die Imker beispielsweise feststellen, wo sich die Brut in einem Bienenstock befindet, das so genannte Brutnest. Die Imker können dann den Bienenstock öffnen, ohne den empfindlichen Bereich des Brutnestes zu stören.

Für Wärme sorgen

Doch die digitalen Waben von HIVEOPOLIS sind nicht nur Sensoren; sie können auch aktiviert werden, um bestimmte Teile eines Bienenstocks zu erwärmen, was Schmickl zufolge die Überlebensraten erheblich verbessern könnte. „Viele Bienenvölker sterben im Winter“, erklärt er. „Sie benötigen Honig zum Überleben, aber manchmal sind diese Vorräte unerreichbar, so dass die Bienen beim Versuch, sie zu erreichen, vor Kälte sterben.“ Wenn die Imker dazu beitragen, die Bienen im Winter warm zu halten, können sie die Überlebensrate der Bienenvölker erhöhen.

„Es ist das erste Mal, dass wir die Temperatur innerhalb der Waben ändern können, indem wir den Befehl direkt über das Internet senden. Das hat bisher niemand gemacht“, fügt er hinzu. Zunächst war unklar, wie die Bienen auf die Technologie reagieren würden. Experimente haben jedoch bestätigt, dass nicht nur die Kolonien positiv reagiert haben, sondern auch die Schwarmintelligenz auf die Temperaturveränderungen reagiert, indem sie die eigene Wärmeproduktion der Bienen reduziert und ihnen hilft, Energie zu sparen. 

Tanzende Bienen 

Inspiriert von den Arbeiten des österreichischen Forschers Karl von Frisch untersuchte das HIVEOPOLIS-Team auch die Möglichkeit, auf besonders originelle Weise mit Bienen zu kommunizieren. 

1973 wurde von Frisch mit dem Nobelpreis für seine Arbeit zur Entschlüsselung des Schwänzeltanzes der Honigbienen ausgezeichnet – einem Tanz, den die Bienen verwenden, um die Lage von Nahrungsquellen zu kommunizieren. Er postulierte, dass der Winkel zum Bienenstock, die Form des Tanzes und die Geschwindigkeit der Schwänzelbewegung zusammen die Richtung und Entfernung der Nahrungsquelle anzeigen. Diese Art der Kommunikation durch Bewegung scheint im Insektenreich einzigartig zu sein und fasziniert Forscherinnen und Forscher weltweit.

Dr. Tim Landgraf, Professor für künstliche und kollektive Intelligenz an der Freien Universität Berlin, einem Partner in HIVEOPOLIS, baute auf  früheren Arbeiten auf. Dies beinhaltete die Entwicklung einer Roboter-Tanzbiene, RoboBee, und lieferte erste Hinweise darauf, dass Bienen möglicherweise bereit sind, den Anweisungen eines digitalen Partners zu folgen.

Im Rahmen von HIVEOPOLIS entwickelte Landgrafs Forschungslabor ein System, um echte Honigbienen-Tänze zu beobachten und auf eine Karte zu übertragen, um sie genauer zu analysieren. Letztendlich glaubt das HIVEOPOLIS-Team, dass ein solcher Roboter potenziell Honigbienen zu sicheren Futterplätzen führen und von gefährlichen Bereichen, wie durch von Pestiziden oder von Krankheiten kontaminierten Gebieten, fernhalten könnte. Doch zunächst wollen sie den Tanz besser verstehen.

Schmickl sagt, er hoffe, dass die Imker die Ergebnisse der Arbeit nutzen werden. „Wir haben die Prototypen, nun liegt es am freien Markt, diese Technologien in größerem Umfang zu nutzen.“ 

Von Sofia Strodt

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APA-Science Content-Kooperation mit Horizon

​Die Forschung in diesem Artikel wurde durch das Horizon-Programm der EU finanziert und im Fall von HIVEOPOLIS über den EIC Pathfinder des European Innovation Council (EIC). Die Ansichten der Befragten spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Kommission wider.  Dieser Artikel wurde ursprünglich in Horizon, dem EU-Magazin für Forschung und Innovation, veröffentlicht.