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Kooperation / EU-Magazin Horizon / 17.12.2024, 13:25

Verschwenden ist nicht nachhaltig: Lebensmittelabfälle in fruchtbaren Boden für nachhaltiges Wachstum umwandeln

Von der EU geförderte Forscher verwandeln Abfälle aus der Lebensmittelverarbeitung in eine wertvolle Ressource und wandeln weggeworfene Biomaterialien in natürliche Düngemittel um.

APA/dpa/Marius Becker
Nur wenige Kilometer von Barcelona entfernt wird der Abfall von Schweinen in eine wertvolle Ressource umgewandelt

In Katalonien leben etwa 7,7 Millionen Menschen – und rund 7,9 Millionen Schweine. Das entspricht mehr als einem Schwein pro Person. Die Massentierhaltung von Schweinen hat zu einem Stickstoffüberschuss im Boden geführt, ein Problem, das viele europäische Regionen betrifft. Doch nur wenige Kilometer von Barcelona entfernt wird dieser Abfall in eine wertvolle Ressource umgewandelt. Anstatt den rohen Mist auf die Felder auszubringen, gewinnen Forscher Stickstoff aus lokal produzierten Abfällen der Agrarindustrie und verarbeiten ihn zu Ammoniumsulfat. Dieser stabilere und effizientere Dünger minimiert schädlichen Nährstoffabfluss.

Chemische Reduktion

Die Forscher sind Teil einer vierjährigen, von der EU geförderten Initiative namens Waste4Soil. Sie erforschen innovative Wege, um Abfälle aus der Lebensmittelverarbeitung in lokal hergestellte Bodenverbesserer umzuwandeln und gleichzeitig zwei große Herausforderungen der EU anzugehen: Lebensmittelverschwendung und Bodengesundheit. In Katalonien wenden die Forscher ein Verfahren an, das als anaerobe Vergärung bezeichnet wird und bei dem Bakterien Abfälle in Biogas und eine nährstoffreiche feuchte Mischung, die als Gärrest bezeichnet wird, zersetzen.

„Es handelt sich um eine sehr konsolidierte Technologie. Es gibt mehr als 15.000 agroindustrielle Biogasanlagen in der EU“, erklärt Dr. Victor Riau, Forscher am katalanischen Institut für Agrarforschung und -technologie. Durch die Wiederverwertung der Rückstände aus Lebensmittelabfällen auf diese Weise glauben die Forscher, dass die Abhängigkeit von chemischen Düngemitteln um bis zu 80 % reduziert werden könnte. Die Zusammenarbeit mit privaten und öffentlichen Unternehmen im Lebensmittelsektor sorgt dafür, dass die Forschungsergebnisse direkt der lokalen Gemeinschaft zugutekommen.

„Wir erwarten, dass dieser zirkuläre Ansatz sich positiv auf die Wirtschaft der lokalen Industrie auswirkt, indem er die Kosten für die Abfallbewirtschaftung senkt und den Einsatz günstigerer erneuerbarer Ressourcen erhöht“, erklärt Riau.

Weniger Abfall, mehr Nährstoffe

Das Waste4Soil-Forschungsteam hat Living Labs – reale Testumgebungen – in sieben europäischen Ländern eingerichtet: Spanien, Finnland, Griechenland, Ungarn, Italien, Polen und Slowenien. Das Ziel ist es, eine Vielzahl innovativer Lösungen zu testen, um Abfälle aus verschiedenen Quellen der Agrar- und Lebensmittelindustrie in lokal erzeugte, biobasierte Bodenverbesserer umzuwandeln. Neben Schweinefarmen stehen auch andere lokale Lebensmittelindustrien im Fokus, darunter die Produktion von Olivenöl und Bier, da beide erhebliche Mengen an biologischen Abfällen erzeugen.

„Jedes Jahr werden weltweit 1 Milliarde Tonnen Lebensmittel verschwendet, wovon 38 % auf Rückstände der Lebensmittelindustrie entfallen“, sagt Dr. Kyriakos Panopoulos vom Zentrum für Forschung und Technologie Hellas in Thessaloniki, Griechenland, der die Gesamtkoordination der Forschungsarbeit verantwortet. Angesichts dieser enormen Abfallmengen kündigte die EU im vergangenen Jahr Pläne zur Einführung rechtlich verbindlicher Ziele für die Reduzierung von Lebensmittelabfällen an, die bis 2030 erreicht werden sollen.

Gleichzeitig wies Panopoulos darauf hin, dass 60–70 % der Böden in der EU derzeit stark nährstoffarm sind, was Anlass zur Sorge gibt. Um diesem Problem zu begegnen, unterstützt das Waste4Soil-Forschungsteam die EU-weiten Bemühungen, die degradierten Böden des Kontinents bis 2050 wiederherzustellen – ein Ziel des europäischen Grünen Deals.

Sloweniens flüssiges Gold

In Slowenien schafft die globale Erwärmung günstige Bedingungen für Olivenhaine, und ein aufstrebender regionaler Olivenölproduzent nimmt am slowenischen Living Lab teil. Auf der im Norden gelegenen istrischen Halbinsel an der Adria, die für ihr hochwertiges Olivenöl bekannt ist, recyceln Forscher Oliventrester – ein Nebenprodukt der Olivenölherstellung, das Schalen, Kerne und Fruchtfleisch umfasst – zur Herstellung von Bodenverbesserungsmitteln.

Dies trägt dazu bei, den Boden mit Kohlenstoff anzureichern und die Umweltbelastung durch die Entsorgung der Abfälle zu verringern. „Sloweniens innovativer Ansatz könnte andere Olivenöl produzierende Regionen in Europa inspirieren, insbesondere im Mittelmeerraum, die vor ähnlichen Herausforderungen in der Abfallwirtschaft stehen“, sagt Dr. Rok Mihelič vom Institut für Agrarwissenschaften der Universität Ljubljana.

Finnlands fischige Idee

Die verschiedenen Regionen Europas stehen vor unterschiedlichen Herausforderungen, und die Forscher untersuchen eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Wiederverwendung von Abfällen und zur Bodenanreicherung. Einige Ansätze gehen ungewöhnliche Wege – oder befinden sich sogar auf hoher See. Das Living Lab in Päijät-Häme in Finnland konzentriert sich beispielsweise auf die Fischzucht, eine der wichtigsten lokalen Lebensmittelindustrien, um Abfälle in nährstoffreiche Düngemittel umzuwandeln.

Anne-Marie Tuomala, Dozentin an der LAB University of Applied Sciences in Lahti, Finnland, erklärt, dass Fischabfälle, die reich an Stickstoff, Phosphor und anderen Mineralien sind, sich ideal für die Rückgewinnung von Nährstoffen eignen. Ähnlich wie die Abfälle aus Schweinezuchtbetrieben können auch diese durch anaerobe Vergärung verarbeitet werden, um einen nährstoffreichen Rückstand zu erzeugen.

Allerdings haben die Fischrückstände aufgrund ihres Geruchs den Transport und die Lagerung erschwert, wie die Rückmeldungen der Landwirte in den ersten Monaten des Living Lab zeigten. Um dieses Problem zu lösen, könnten spezielle Einrichtungen mit Geruchsbekämpfungsmaßnahmen erforderlich sein, so Tuomala. Dieser zirkuläre Ansatz könnte die Kosten für die Landwirte senken, insbesondere angesichts der steigenden Düngemittelpreise nach der russischen Invasion in der Ukraine im Jahr 2022. Obwohl sich die Preise mittlerweile stabilisiert haben, ist die EU weiterhin stark von Düngemittelimporten aus Russland abhängig.

Wettbewerbsvorteil

Ein zusätzlicher Vorteil der von den Waste4Soil Living Labs hergestellten Düngemittel besteht darin, dass sie lokal und nachhaltig sind und so die Importe reduzieren. „Bauern und Lebensmittelproduzenten, die diese nachhaltigen Praktiken übernehmen, könnten sich einen Wettbewerbsvorteil auf Märkten verschaffen, die zunehmend umweltfreundliche Produkte priorisieren“, so Tuomala.

Die Stärke der Initiative liegt in der Zusammenarbeit. Forscher, Landwirte, die Zivilgesellschaft, die Industrie und Behörden arbeiten gemeinsam daran, Lösungen in realen Bedingungen zu entwickeln und zu testen. Laut Panopoulos wird die gemeinsame Aktion Lösungen für das immer größer werdende Problem der Lebensmittelabfälle bieten, die derzeit verschwendet werden. „Jeder kleine Schritt ist wichtig, und es gibt eine wachsende Begeisterung über das breitere Potenzial, nachhaltigere und umweltfreundlichere landwirtschaftliche Praktiken zu schaffen“, fügt er abschließend hinzu.

Weitere Informationen · Waste4Soil · Projektwebsite Waste4Soil · EU-Politik zur Bodengesundheit · EU-Richtlinie zu Nitraten · EU-Ziele zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung · Europäischer Green Deal

Von Sofia Sanchez Manzanaro

APA-Science Content-Kooperation mit Horizon

Recherchen zu diesem Artikel wurden vom Horizon-Programm der EU gefördert. Die Ansichten der Befragten spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Kommission wider. Dieser Artikel wurde ursprünglich in Horizon, dem EU-Magazin für Forschung und Innovation, veröffentlicht.