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Mehr zum Thema / Clemens Zimmermann / Montag 28.08.23

In Park, Schwimmbad oder der „Bib“ – Von Vermittlungsprojekten lernen

Im Park, im Schwimmbad, in der Bibliothek oder im Schulkontext, im Rahmen einzelner Events oder fix verankert in konsumfreien Räumen: Es gibt schon einige Projekte, bei denen Wissenschaftsvermittlerinnen und -vermittler versuchen bildungsbenachteiligte Personen oder Gruppen zu erreichen. APA-Science stellt einige vor und hat sich aus der Praxis von Herausforderungen, Möglichkeiten und positive Überraschungen berichten lassen.
Collage Die richtige Dosis an Niederschwelligkeit sowie Vernetzung und Kontakt auf Augenhöhe sind wichtig
FakeHunter Pop Up University Innsbruck Klasse für Alle Wissens°raum Science Pool PTS-Wissenschaftswoche MINTbib Und mittendrin, die Wissenschaft

Angebote machen, vernetzen und aufsuchen

Alle befragten Wissenschaftsvermittlerinnen und -vermittler teilten die Ansicht, dass Niederschwelligkeit und das Aufsuchen jener, die mit dem Projekt erreicht werden sollen, für den Erfolg der Wissenschaftsvermittlung an nicht bildungsaffine Personen zentral sind. Demgemäß versucht man beispielsweise beim Projekt „Wissens°raum“ dauerhaft Alltagsorte „in der unmittelbaren Wohnumgebung zur Verfügung zu stellen“. Die „FakeHunter“ hingegen erreichten zirka 450 Jugendliche bei Events in Parks, Jugendzentren und an Berufsschulen.  

Vernetzung ist ein weiteres kritisches Element der Projekte, wie sich gezeigt hat: Die „Klasse für Alle“ kooperiert, um ihre Zielgruppen zu erreichen, mit Vereinen, Schulen und humanitären Organisationen.  Auch bei „Und mittendrin, Wissenschaft“ nutzt man eine Vielzahl an „Community-Partnerinnen und -Partnern“ – von Pensionistenklubs über Jugend- und Nachbarschaftszentren bis zu Vereinen und Baugruppen, die einen guten Kontakt zu den eigentlichen Adressaten des Projektes haben.   

Außerdem besteht große Einigkeit darüber, dass der Kontakt auf Augenhöhe den Austausch und das Miteinander bestimmen sollte. „Dabei soll ein Verständnis davon, wie Wissenschaft funktioniert, ohne Zeigefinger und alleinigen Wahrheitsanspruch vermittelt werden“, heißt es etwa vonseiten der „Pop Up University Innsbruck“.  

Augenhöhe, Offenheit und Finanzierung sind große Herausforderungen 

Ehrlich und authentisch in Kontakt zu treten und spontan auf das Gegenüber, das vom pensionierten Lehrer zur Familie mit Migrationshintergrund reichen kann, zu reagieren, ist für Florian Westreicher von der „Pop Up University Innsbruck“ die „Königsklasse der Wissenschaftsvermittlung“.   

Eine gemeinsame, inklusive Sprache zu finden, die die Grenzen des Spezialistinnen- und Spezialistentums überwindet und viele mögliche Lebensrealitäten verbindet, ist für Andrea Lumplecker, die die „Klasse für alle“ leitet, eine der größten Herausforderungen: „Es braucht die Bereitschaft, eine „andere“ als die universitäre Sprache und damit auch ein „anderes“ als ein vom westlichen Diskurs geprägtes Wissen als hochwertiges Wissen anzuerkennen.“ Das erfordere „die Bereitschaft, mit Fremden zu sprechen und Gelerntes auch zu verlernen.“ 

Die Finanzierung langfristiger und niederschwelliger Projekte ist wenig überraschend ein zentrales Thema. Beim „Science Pool“ finanziert man Programme durch den Überschuss, den man bei kommerziell gestalteten Kursen und Ferienprogrammen erzielt. Laut Geschäftsführerin Gerlinde Heil ist dies „ein Tropfen auf dem heißen Stein“.  Für breitenwirksame Programme brauche es nämlich Förderungen oder Aufträge.  

Wenn sich ein Projekt dauerhaft auf lokaler Ebene etabliert hat, entwickeln sich auch die Herausforderungen weiter, weiß man beim „Wissens°raum“: „Am aktuellen Standort in der Reinprechtsdorfer Straße beobachten wir, dass Kinder aus der Nachbarschaft mit dem Wissens°raum ‚groß werden‘ und ihn zum Teil über lange Zeiträume regelmäßig nutzen.“ Deswegen sei die Sicherstellung von Nachhaltigkeit und Vertiefung der Themen für die „mitwachsenden“ Teilnehmenden dort eine aktuelle Herausforderung. 

Begeisterung und tolles Engagement als häufige Reaktion

Positiv überrascht wurden die verschiedenen Wissenschaftsvermittlerinnen und Wissenschaftsvermittler im Rahmen ihrer Projekte zuhauf. Beim „Wissens°raum“ erzählt man gegenüber APA-Science beispielsweise von Eltern, die „eigentlich nur“ ihre Kinder begleiten wollten und dann selbst aktiv werden und damit Wissenschaft und Technik für sich selbst entdecken. Das Engagement der Teilnehmenden, die von Stammgästen zu „Junior-Vermittlerinnen und Vermittlern“ werden oder dem Team beim Dolmetschen helfen, sei dort weiters besonders hervorzuheben.  

Die Verantwortlichen des „MINTbib“ fanden etwa bei der Durchführung ihres Projektes heraus, dass die häufig kolportierte Scheu vor MINT-Themen bei Bibliothekarinnen und Bibliothekaren nicht den Tatsachen entspricht. Sie hätten im Gegenteil große Offenheit gezeigt.   

Beim „Science Pool“ ist man begeistert vom Enthusiasmus der Schülerinnen und Schüler von Fachmittelschulen und Polytechnischen Schulen. Die Auftraggebenden hätten gezweifelt, ob die Jugendlichen in ihrer Freizeit zur Vertiefung der Themen am Nachmittag nochmals zur Schule kommen würden, stimmten dem Projekt aber zögernd zu. Siehe da: „Die Jugendlichen sind gekommen. ALLE. Und zwar zu jedem Termin.“   

In die freien Nachmittage der Jugendlichen konnten trotz anfänglicher Überwindung auch die Inhalte der „FakeHunters“ transportiert werden. So hieß es auf APA-Science-Anfrage, dass die Jugendlichen, sobald ihnen einmal das Werkzeug zum Erkennen von Falschinformationen vermittelt wurde, auch gerne ihre Freizeit mit dem Entlarven von Fake News verbracht hätten.   

„Unglaublich“ findet man bei der „Klasse für alle“, welche Formen und Erfahrungen des Lernens abseits des klassischen schulischen – und vielfach in der eigenen Erinnerung ungeliebten – Lernens möglich seien.  

Egal in welcher Umgebung, ob anhand von Veranstaltungen, in etablierten Institutionen oder dauerhaft eingerichteten Räumen: Wissenschaftsvermittlung geschieht jetzt schon mit unterschiedlichen Aufhängern auf vielen Ebenen. Während gewisse Herausforderungen, so etwa finanzieller Natur, fortbestehen, zeigen die vielfältigen Projekte eines deutlich: Wissenschaft interessiert und begeistert überall dort, wo auf reflektierte Weise gute Möglichkeiten geschaffen werden.    

FakeHunter

 

Jugendliche und junge Erwachsene werden in ihren sozialen Medien (z.B. auf Instagram, TikTok) mit Fake News geradezu „bombardiert“. Im Projekt FakeHunter geht es um kritischen Medienkonsum und um konkrete Strategien, wie man potenzielle Fakes erkennen und entlarven kann.

 

Besonders interessant: Zusätzlich werden virale Videos durch einfache Experimente überprüft. Das von der Stadt Wien geförderte Projekt wird vom Verein „Die Wissenschaffer“ in Kooperation mit VISTA, dem Science Education Team des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg (NÖ) umgesetzt.

Pop Up University Innsbruck

 

Das Konzept der Pop Up University Innsbruck ist es, Wissenschafterinnen und Wissenschafter der Universität Innsbruck in ganz Tirol und Vorarlberg in entlegene Gebiete, die vermeintlich wissenschaftsfern sind, zu schicken. Dabei geht es darum, nicht im Zentralraum bzw. dem urbanen Raum, und vor allem nicht in der Nähe der Universität Innsbruck präsent zu sein. Dort setzt man durch Workshops oder Experimente Interventionen im öffentlichen Raum. 

Klasse für Alle

 

Idee der Klasse für Alle ist es, die Ressourcen der Universität für Angewandte Kunst in Wien für eine breite Öffentlichkeit verfügbar zu machen, da es in Zeiten multipler Krisen laut Betreibern Weiterbildungsangebote nicht nur für junge Studierende, sondern für alle, braucht. Ausgehend von einer künstlerischen Praxis, aber immer disziplinenübergreifend, stehen kritisches Denken, ein transkulturelles Verständnis, der Umgang mit Mehrdeutigkeit, Ungewissheit und Komplexität im Mittelpunkt dieses Lernangebots. 

Wissens°raum

 

Zu seinem Start 2023 war der Wissens°raum das erste derartige Pop-Up Science Center in Europa. Seither war der Verein ScienceCenter-Netzwerk damit an acht unterschiedlichen Standorten in Wien für jeweils einige Monate für alle kostenfrei zugänglich. Seit Herbst 2018 ist er dauerhaft in Wien Margareten in der Reinprechtsdorfer Straße 1c beheimatet.

 

Im Wissensraum wird nicht frontal erklärt und vermittelt, sondern gemeinsam experimentiert, getüftelt und fast nebenbei spielerisch gelernt. Kinder ab acht Jahren, Jugendliche und Erwachsene können sich – ohne oder mit Vorkenntnissen – in ihrem eigenen Tempo in Themen und Experimente vertiefen. Ein interdisziplinäres und mehrsprachiges Vermittlungsteam begleitet die Besuchenden in ihrem individuellen Forschungs- und Lernprozess.

Science Pool

 

Das Projekt Science Pool, eine gemeinnützige GmbH, möchte eine Begleitung von Kindergarten bis Berufseintritt bieten. Wesentlich ist dabei, dass durch die verschiedenen Formate und Kooperationen in Wien, im Burgenland und in Niederösterreich nicht nur einmalige Events abgehalten werden, sondern eine permanente und nachhaltige Zusammenarbeit mit Schulen, Unternehmen, Freizeitpädagogik und natürlich Kindern und Jugendlichen besteht. Ein Schwerpunkt der Aktivitäten liegt dabei auch auf der Sensibilisierung von Mädchen und jungen Frauen für die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Klimaschutz ist ein zentrales Thema und wird aus einer Reihe von Blickwinkeln behandelt – alle Science Pool-Programme legen kreatives Denken und Handeln auch in Zusammenhang mit Kunst und Kultur nahe. 

PTS-Wissenschaftswoche

 

Skepsis gegenüber Demokratie und Wissenschaft ist derzeit ein großes gesellschaftliches Thema. Bildungsminister Martin Polaschek hat diesem einen eigenen Ressortschwerpunkt gewidmet und den Bereich auch insbesondere für die Schulen aufgegriffen. Die PTS-Wissenschaftswoche für die Polytechnischen Schulen (PTS), die heuer erstmals von 12. bis 16. Juni in ganz Österreich stattgefunden hat, ist Teil  der Ressortstrategie zur Stärkung des Vertrauens in Wissenschaft und Demokratie.

 

Ziel der Wissenschaftswoche ist es, Workshop-Angebote für Schülerinnen und Schüler zu unterschiedlichen wissenschaftlichen und demokratiefördernden Themen zur Verfügung zu stellen. Gestartet wurde im Schuljahr 2022/23 mit Schülerinnen und Schülern der Polytechnischen Schulen (PTS) Österreichs. Als Kick-off-Event hat ein Wissenschaftskabarett mit den Science Busters in der Wiener Urania stattgefunden, das auch bundesweit als Live-Stream zur Verfügung stand. Das Workshop-Angebot wurde im Vorfeld in einem partizipativen Prozess mit den Schülerinnen und Schülern abgestimmt und danach gemeinsam mit den Pädagoginnen und Pädagogen entsprechend vor- und nachbereitet.

MINTbib – Forschen und Experimentieren in der Bibliothek

 

Der Verein ScienceCenter-Netzwerk hat seit 2018 mit dem Wissenshof in der Bücherei Erdbergstraße sehr gute Erfahrungen in der spielerischen Vermittlung von wissenschaftlichen Themen und Methoden im Kontext von Büchereien gemacht. Durch diese interaktive Vermittlung wird der Grundstein für MINT-Begeisterung gelegt und mit Lese- und Sprachförderung verknüpft.

 

MINTbib baut darauf auf und erweitert zusätzlich den örtlichen und inhaltlichen Wirkungsbereich: in drei Bundesländern – Wien, Salzburg, Vorarlberg – wird die Forschungswerkstatt Bücherei bereits angeboten. Durch das gemeinsame Begleiten von Workshops und über Fortbildungen von Bilbiothekarinnen und Bibliothekaren soll die Vermittlung von MINT-Themen in Büchereien nachhaltig verankert werden.

Und mittendrin, die Wissenschaft

 

Das Besondere an „Und mittendrin, die Wissenschaft“ ist, dass versucht wird, Wissenschafterinnen und Wissenschafter als Nachbarinnen und Nachbarn mit den Bewohnerinnen und Bewohnern der Wiener Bezirke 21 und 22 in Kontakt zu bringen und zu einem Perspektivenwechsel anzuregen, um dadurch mögliche Vorurteile auf lokaler Ebene abzubauen.

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