apa.at
Mehr zum Thema / Hermann Mörwald / Montag 13.11.23

Patente Sorten

Neue Gentechnik (NGT) und Pflanzenzucht - da wird schnell auch über die Patentierbarkeit gesprochen. Kaum überraschend gehen dabei die Meinungen auseinander. Die einen meinen, "genome-edited" Pflanzen seien konventionellen Züchtungen gleichzustellen, was eine Patentierung zumindest erschweren würde. Die anderen sehen darin weiter gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und setzen sie mit der klassischen Gentechnik gleich.
APA

Generell ist alles patentierbar, wenn es technisch, neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar ist und keine Ausschlussgründe vorliegen, verweist Maria Krenn vom  Österreichischen Patentamt (ÖPA) und fachtechnische Beraterin des  Biopatent-Monitoring-Komitees, auf das Diskriminierungsverbot hin, das im WTO-Abkommen zum Schutz von geistigem Eigentum (TRIPSfestgelegt wurde. In dem Abkommen ist gleichzeitig die Möglichkeit festgeschrieben, gewisse Gegenstände von der Patentierung auszuschließen – z.B. Pflanzensorten und im Wesentlichen biologische Verfahren zur Herstellung von Pflanzen.

Aufgrund der Patentansprüche muss entschieden werden, ob ein Patent erteilt werden kann. Ausschlussbestimmungen, die ausschließlich die Patentansprüche betreffen, greifen aber gerade bei europäischen Patenten auf Pflanzen oft zu kurz. Krenn erläutert, „dass es deren Patentansprüchen nicht entnehmbar ist, dass ihre Herstellung auf NGT beruht. Die betreffenden Patentanmeldungen beanspruchen oft Pflanzen, denen eine spezifische Gensequenz zu eigen ist, welche in der Pflanze zur Ausprägung einer bestimmten Eigenschaft führt. Ein Weg zur Herstellung der Pflanze muss zwar offengelegt sein, Gegenstand der Patentansprüche muss dieser jedoch nicht sein.“ 

Es kann laut der Patentexpertin durchwegs sein, dass Pflanzen mit bereits bekannten Eigenschaften patentiert werden. Pflanzen können über konventionelle Züchtungen bereits die gleiche Eigenschaft aufweisen, sind aber nicht patentierbar. Wenn aber ein mit einer aktuellen Anmeldung befasster Patentprüfer das Patent erteilt, macht er keinen Fehler, „weil nicht die Eigenschaft erteilungsbestimmend ist, sondern die sie verursachende Gensequenz, die in Kombination mit der Pflanze oft nicht literaturbeschrieben und vom Patentprüfer dadurch als neu und erfinderisch zu bewerten ist“, so Krenn.

Das stößt Landwirtschaftsorganisationen im deutschsprachigen Raum sauer auf. Sie sehen es kritisch, dass CRISPR/Cas & Co. Grundlage für Patentierungen schaffen können. Da damit lediglich bereits Bekanntes nachgebaut werden würde, was eine Patentierung ausschließen sollte. Beim ÖPA kann man die Einwände nachvollziehen, verweist aber auf das Patentgesetz. Außerdem gebe es eine entsprechende Rechtsprechung, die vom Europäischen Patentamt (EPA) ausgeht.  

NGT oder nicht?

„Die derzeitigen Vorschläge der EU-Kommission zur Neuen Gentechnik lassen zu, dass durch NGT gezogene Pflanzen patentierbar sein werden“, erklärt daher Anton Brandstetter, Geschäftsführer von Saatgut Austria.

 

Gentechnisch veränderte Pflanzen will die EU künftig u.a. in zwei Kategorien unterteilen. Die erste Kategorie (NGT1) enthält Pflanzen, die mit natürlich vorkommenden Pflanzen vergleichbar wären, indes würde die zweite Kategorie (NGT2) Organismen mit komplexeren Veränderungen im Genom umfassen.

 

Es entstünde bei NGT der Kategorie 1 das Problem, so Brandstetter, dass sie wie konventionelle Pflanzen behandelt würden, gleichzeitig dürfte patentiert werden. Heli Pihlajamaa, EPA-Hauptdirektor für Patentrecht und -verfahren, stellte dazu in einem Magazininterview die EPA-Position klar: „NGTs sind für uns kein Begriff. Für uns ist relevant, ob es sich um eine technische Erfindung handelt oder nicht.“ Und die NGT-Werkzeuge des Genom Editing  gelten dem EPA als Technik.  

 

„Kleine und mittelständische Züchter sind damit unzufrieden. Die Art der Herstellung würde dann die Patentierbarkeit ermöglichen. Das müsste geändert werden“, setzt Brandstetter nach: „Derartige Patente hebeln das Züchterprivileg aus.“ Das Züchterprivileg besagt kurz gefasst, dass eine geschützte Sorte von einem Züchter für die Schaffung neuer Sorten verwendet werden darf. Das war laut Brandstetter bisher auch der Grund für die guten Erfolge, „weil alle Züchter auf das beste Material zugreifen konnten.“ Durch die Patente würde das massiv behindert. 

Die EU-Kommission will über auch die Patentierung betreffende regulatorische Änderungen ab 2026 nachdenken. Landwirtschaftsverbände warnen aber, „sollte nach 2026 die Patentierbarkeit von NGT tatsächlich eingeschränkt werden, würde dies nur für dann neu eingereichte Patentanträge gelten. Alle bis dahin eingegangenen Anträge würden vom EPA nach altem Recht entschieden“.

Novelle schließt Patente auf Pflanzen aus 

In Österreich schlägt man einen anderen Weg ein. Im Frühjahr kam es durch eine Patentgesetznovelle  zu einem Lückenschluss, wodurch in Österreich auch keine Patente auf Pflanzen erteilt werden dürfen, deren Entstehung auf nicht zielgerichteter Mutagenese beruhen, erklärt Krenn. Künftig sei daher in Österreich jegliche Form der konventionellen Pflanzenzucht von der Patentierung ausgeschlossen.  

Für Brandstetter ist die Novelle eine gute politische Willensbezeugung, aber ohne wirtschaftliche Relevanz, “weil internationale Unternehmen Patente in anderen europäischen Ländern einreichen werden.  Auf Grund des freien Warenverkehrs haben diese Patente auch Auswirkungen auf Österreich.”

"Patentanmelder werden stets Wege finden, Patentausschlussbestimmungen zu umschiffen.“ Maria Krenn, Österreichisches Patentamt
Umweg über die Familie 

 

Sorten sind wie gesagt vom Patentschutz ausgenommen, sie unterliegen dem Sortenschutz. Patentanmelder umschiffen das, indem sie in den Patentsprüchen auf eine ganze Pflanzenfamilie wie etwa Kartoffeln im Allgemeinen abstellen. „Dann wird die Situation komplex“, so Krenn. Die Patenexpertin weiter: „In einem solchen Fall ist ein Patentschutz denkbar, es sei denn die beanspruchten Kartoffeln fallen unter die Patentausschließungsgründe (z.B. konventionelle Zucht). Um jedoch unter die Ausschlussgründe zu fallen, muss das Merkmal der konventionellen Zucht den Patentansprüchen entnehmbar sein, was seitens der Patentanmelder in den letzten Jahren recht konsequent vermieden wird.“

 

„Das Patentierungsgeschehen ist – gerade im biotechnologischen Bereich – einem steten Wandel unterzogen. Patentanmelder werden stets Wege finden, Patent-Ausschlussbestimmungen zu umschiffen“, meint die Expertin. Ein diesbezüglicher Stein der Weisen, der bestimmte Sachverhalte auf immer von der Patentierung ausschließe würde, sei noch nicht gefunden worden. 

 

Die Biotechnologie ist ein sich rasant entwickelndes Wissensgebiet. Was gestern nicht einmal „denkbar“ war, ist heute schon praktiziertes Wissen. Daher ist es für die Patentexpertin kaum verwunderlich, dass die gesetzlichen Vorgaben dem technisch Machbaren oft „hinterherhinken“ und dass das Patentierungsgeschehen vermehrt durch Gerichtsentscheidungen geprägt ist. 

Von neuen Sorten 

Patentschutz und Sortenschutz existieren also nebeneinander. Der Sortenschutz zielt auf phänotypische Merkmale ab, wohingegen mit einem Patent ein technisches Merkmal (z.B. spezielle Gensequenz), das eine bestimmte Eigenschaft verleiht, geschützt wird. 

Der Sortenschutz unterscheidet sich weiters vom Patentschutz durch das „Landwirteprivileg“. Ein Landwirt kann für den Anbau Erntegut einer geschützten Sorte, das aus eigenem Anbau stammt, verwenden. Weiters und für die Weiterentwicklung von Sorten ganz zentral ist das bereits angesprochene „Züchterprivileg“.  Im Patentschutz wird das ausgeschlossen.  

Die Zulassung für Sorten von landwirtschaftlichen Arten und Gemüsearten wird im österreichischen Saatgutgesetz 1997 (SaatG) geregelt. Im Sortenzulassungsverfahren sind die Kriterien vorgegeben, die eine Neuzüchtung zu erfüllen hat. Eine Sortenzulassung wird beim Bundesamt für Ernährungssicherheit (BAES) beantragt, das die AGES mit der Durchführung der Sortenzulassungsprüfung beauftragt. Dabei ist laut AGES zwischen Register- und der Wertprüfung zu unterscheiden. Die Registerprüfung dauert zwei Jahre und erfasst zahlreiche botanisch-morphologische Pflanzen- und Kornmerkmale:  “Eine neue Sorte muss durch die Ausprägung ihrer Merkmale von anderen Sorten der gleichen Art unterscheidbar sein. Außerdem müssen Merkmalsausprägungen ausreichend homogen und bei wiederholten Vermehrungen beständig sein.”  

Wem gehört die Sorte? 

 

Bei landwirtschaftlichen Pflanzen kommt die Wertprüfung hinzu, wobei die Eignung der Sorte für den Anbau und Verwertung („Landeskultureller Wert“) in zwei bis drei Jahre laufenden Feldversuchen im Anbaugebiet der Pflanzenart erhoben wird. Bei der Beurteilung des landeskulturellen Wertes wird die Sortenzulassungskommission gehört. „Sind die Prüfkriterien erfüllt und wurde eine in die Sortenliste eintragbare Sortenbezeichnung bekannt gegeben, wird die Sorte vom BAES zugelassen“, erklärt Klemens Mechtler, Leiter der Abteilung Ackerbau am Institut für nachhaltige Pflanzenproduktion bei der AGES. Mit der Zulassung geht laut AGES die Eintragung in die Österreichische Sortenliste und die Meldung des Neuzuganges in den EU-Sortenkatalog einher.  

 

Die Sortenrechte an einer neuen Züchtung liegen beim Züchter bzw. beim Antragsteller auf Sortenzulassung. Diese haben laut AGES für die Erhaltungszüchtung der Sorte Sorge zu tragen, mit der sie auch andere Züchter beauftragen können (Eintrag als Erhaltungszüchter dieser Sorte in die Sortenliste).  Wer beabsichtigt Saatgut einer Sorte in Verkehr zu bringen, muss als „Inverkehrbringer“ mit den entsprechenden Auflagen beim BAES gemeldet sein.  

Im österreichischen Patentgesetz sei mittlerweile vorgesehen, dass die Wirkung von Patenten nicht die Nutzung von biologischem Material für die Züchtung und Entdeckung und Entwicklung einer neuen Pflanzensorte einschließt. Aus Züchtersicht bedürfe es europaweit einer solchen Lösung, erklärt man bei der AGES. 

Gentechnik und Sortenprüfung 

„Ein Antragsteller auf Sortenzulassung muss hierzulande bestätigen, dass die neue Sorte nicht durch gentechnische Eingriffe entstanden ist. Auf Österreichs Sortenliste findet sich keine Pflanzensorte, bei deren Züchtung ein gentechnisches Verfahren zum Einsatz gekommen ist. Die aktuellen Entwicklungen zum Vorschlag einer Neuregelung von NGT werden von uns verfolgt und mögliche Auswirkungen auf das Sortenzulassungsverfahren evaluiert“, erklärt Mechtler. 

Stichwörter