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Mehr zum Thema / Clemens Zimmermann / Montag 28.08.23

Portugals „Ciência Viva” – eine soziale Bewegung für die Wissenschaft

Das portugiesische Programm zur Wissenschaftsvermittlung „Ciência Viva” (Deutsch: „die lebendige Wissenschaft“) gewann während der Corona-Pandemie international viel Aufmerksamkeit. Es wurde als mitverantwortlich für die hohe Durchimpfungsrate der dortigen Bevölkerung identifiziert. Zentral sei gewesen, bilanziert die Präsidentin des Programmes Rosalia Vargas, durch starke Netzwerke den Kontakt zwischen Forschenden und der Gesellschaft herzustellen.
Foto: Ciência Viva Sterne beobachten beim "Centro Ciência Viva de Constância"

„Unsere Aufgabe ist es nicht Wissenschaft zu kommunizieren, sondern Bedingungen zu schaffen, unter denen die Wissenschaft auf der gesellschaftlichen Bühne auftreten kann“, sagt Rosalia Vargas gegenüber APA-Science. Deswegen fühle sie sich auch nicht als Wissenschaftskommunikatorin im klassischen Sinne.  

Das Programm Ciência Viva wurde vom Wissenschaftsminister und Physiker José Mariano Gago 1998 mit großer politischer Unterstützung und verschiedenen gesellschaftlichen Partnern gegründet. Der portugiesische Erfolg ist auch der heimischen Politik bekannt. Österreichs Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) habe im Rahmen eines Portugalbesuchs diesen Oktober bereits angekündigt, eines der nationalen Zentren der Wissenschaftsvermittlung sehen zu wollen, so Vargas.

©Ciência Viva
21 Wissenschaftszentren im ganzen Land

 

Einundzwanzig dieser Zentren wurden im Laufe des Programms in ganz Portugal in Partnerschaft mit wissenschaftlichen Communities und lokalen Behörden gegründet. Sie fungieren als diverse Lernorte und Räume zur Interaktion mit Forscherinnen und Forschern. Dabei ist jeder individuell gestaltet.  

 

Zentral für den Erfolg der Wissensorte ist dabei laut Vargas, dass man Orte bespielt, die in den lokalen Gemeinschaften schon davor bekannt waren. So findet die Wissenschaftsvermittlung in Portugal in einer alten Kirche, einem ehemaligen Gefängnis oder einer stillgelegten Mine statt. „Wir bekommen von der jeweiligen Gemeinschaft ein Gebäude zur Verfügung gestellt. Dieses wird dann mit einer neuen Funktion – der eines Raums für Wissenschaft – ausgestattet und wieder bereitgestellt“, erläutert Vargas. 

„Die Arbeit meines Teams ist es, dieses Netzwerk am Leben zu halten. Das ist eine tägliche Herausforderung.“ Rosalia Vargas, Präsidentin von Ciência Viva

Das funktioniere, weil man starke Netzwerke im ganzen Land geschaffen hat – Netzwerke, die aus örtlichen Behörden, den Wissenschaftszentren und Forschenden, fast 900 Wissenschaftsclubs an Schulen und der Politik bestehen. „Die Arbeit meines Teams ist es, dieses Netzwerk am Leben zu halten. Das ist eine tägliche Herausforderung“, meint die Präsidentin der Initiative. Innerhalb dieses Netzwerks könne man im ganzen Land fast täglich Aktivitäten, die im Zusammenhang mit der Vermittlung unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen stehen, in Anspruch nehmen.  

„Social movement“

Durch die starken Partnerschaften sei man tief in der portugiesischen Gesellschaft verwurzelt. „Ein Soziologe hat das Programm wegen der starken gesellschaftlichen Verankerung vor zehn Jahren als soziale Bewegung für die Wissenschaft bezeichnet“, sagt Vargas. Der Gesellschaft sei klar, dass sie zu „Ciência Viva“ beitragen müsse, aber die Portugiesinnen und Portugiesen betrachteten das Programm gleichzeitig als ihr Eigentum. „Deswegen wäre es auch sehr schwierig, das Programm zu zerstören. Die Bevölkerung erwartet jährlich wiederkehrende Events wie Konferenzen oder Treffen.“  

Zu den Aktivitäten zählt auch die Vernetzung von Wissenschaft und Politik. Regelmäßig werden zwischen Parlamentarierinnen und Parlamentariern und Forschenden Treffen organisiert. Dieses Jahr fand eines davon unter dem Titel des Klimanotstandes statt, auch zum demografischen Wandel in Portugal gab es schon eine solche Session. So könne wissenschaftliche Evidenz bei der politischen Entscheidungsfindung Gehör finden, so Vargas.  

2024 kommt „Ciência Viva – Farm“

Für nächstes Jahr ist die Eröffnung der ersten „Ciência Viva – Farm“ und mit ihr die Vernetzung mit Bauernhöfen geplant. Dadurch soll der ländliche Raum stärker mit Wissenschaftsvermittlung bespielt werden. Außerdem will man mehr junge Menschen für „Landwirtschaft 4.0“, also effiziente, moderne und klimagerechte Landwirtschaft begeistern.

Rosalia Vargas, Präsidentin von Ciência Viva
Ciência Viva
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