Pump, Druck, Schwung – Was mechanische Speicher leisten
Muss das Netz wegen Stromschwankungen geglättet werden, sind Pumpspeicher- und Speicherkraftwerke die „Klassiker“ – besonders in Österreich. Das werden sie wohl noch für eine geraume Zeit bleiben. Durch die vermehrte Nutzung volatiler Stromquellen könnten künftig weitere Technologien mitmischen. Darunter fallen im mechanischen Bereich die Druckluft- und die Schwungradspeicherung, die noch kaum in der Fläche angekommen sind.
Pumpspeicher sind nach wie vor „der Weg, elektrische Energie zu speichern.“ Über 90 Prozent des Stroms werden global in Pumpspeicheranlagen gespeichert – und das schon seit langer Zeit. Zu Recht, wie Markus Aufleger, Leiter des Arbeitsbereiches Wasserbau an der Universität Innsbruck meint. Die Vorteile der Pumpspeicherung liegen laut dem Wissenschafter in der Einfachheit, der hohen Wirkungsgrade und der Lebensdauer.
„Die Lebensdauer bei Batteriespeichern liegt bei 10 bis 20 Jahren, das ‚juckt‘ ein Pumpspeicherkraftwerk noch nicht. Viele sind bereits an die 100 Jahre alt und laufen weiterhin. Und wir brauchen nachhaltige Systeme für nachfolgende Generationen“, so Aufleger gegenüber APA-Science. Natürlich gebe es Nachteile – Stichwort Verbrauch von Landschaftsressourcen -, aber von ihrer energetischen Wertigkeit hätten sie einen so großen Vorteil, „dass sie zwingend ein Bestandteil künftiger Energiesysteme sein müssen – und das nicht nur in Österreich, sondern auch global“.
Lange Lebensdauer
„Denkt man an die Integration der Erneuerbaren, dann sind Pumpspeicherwerke dahingehend wertvoll, weil es mit ihnen gelingt, die volatilen Stromproduktionen aus Wind und Sonne effizient in das Energiesystem zu bringen“, meint der Wissenschafter. Seit langem werden daher solche Anlagen neben der Bereitstellung von Spitzenlast auch für die Netzregelung eingesetzt.
Das Zentrum der jahrzehntealten technologischen Entwicklung liegt in Europa. Die derzeitigen Schwerpunkte der Realisierung neuer Pumpspeicherkraftwerke befinden sich in Asien, Ozeanien und Amerika. Die Pumpspeicherung wächst in Österreich nur noch marginal. Hierzulande stehen 106 Speicherkraftwerke mit einer Kapazität von rund 9.000 MW. Im Gegensatz dazu gibt es weltweit permanente Zuwächse. Laut der International Hydropower Association (IHA) wurden 2022 (letzte vorliegende Zahlen) 10,5 GW Pumpspeicherleistung neu gebaut (plus 6 Prozent gegenüber 2021). Insgesamt waren damit 175 GW installiert.
Allerdings sind Einsatzmöglichkeiten von Pumpspeicherwerken aufgrund der topographischen Voraussetzungen auf alpine Regionen und das Bergland beschränkt. Die Universität Innsbruck hat sich daher in den vergangenen Jahren laut Aufleger u.a. damit beschäftigt, dieses Konzept auch in der Ebene fern der Berge realisieren zu können.
Unkonventionelle Pumpspeicher
Als ein unkonventionelles Pumpspeichersystem mit realistischem Entwicklungspotenzial wurde ein Energiespeicher in tiefen Schächten (Powertower) für das Flachland und ein schwimmendes System (Buoyant Energy) für die See bzw. für Binnenwasserflächen entwickelt. Derartige Systeme basieren auf den wichtigsten Eigenschaften der Pumpspeichertechnologie und setzen diese in neuer Anordnung und anderem Umfeld um. Unkonventionelle Pumpspeicher eignen sich laut den Angaben zur Kurzzeitspeicherung von Strom (d.h. jeweils wenige bis mehrere Stunden Pump- bzw. Turbinenbetrieb). Im Hinblick auf ihren Einsatzbereich seien sie daher insbesondere mit stationären großen Batteriespeichern zu vergleichen.
„In einer direkten Gegenüberstellung dieser beiden Technologien liegt ein Vorteil der Pumpspeicher-Konzepte in der um ein Vielfaches längeren Lebensdauer. Sie zeichnen sich auch durch den Verzicht auf den Einsatz knapper Ressourcen – etwa seltene Erden, durch ihre robuste Betriebsform und durch eine höhere Betriebssicherheit, unter anderem eine deutlich geringere Brandgefahr, aus. Aufgrund des einfachen hydraulischen Prinzips sind die Anforderungen an den Betrieb der Anlagen vergleichsweise gering und Teil- und Vollentladungen ohne Einschränkungen möglich“, fasst Aufleger zusammen.
Grundsätzlich bietet sich der Einsatz von unkonventionellen Pumpspeichern wie dem Powertower laut den Innsbrucker Wissenschafterinnen und Wissenschaftern in Gruppen beziehungsweise Clustern an. Auch wenn jede einzelne Einheit dieser Gruppe eine ungeregelte Maschine (Pumpe / Turbine) besitze, könne durch das Zu- und Abschalten und gegebenenfalls auch durch einen kurzzeitig gegenläufigen Betrieb einzelner Einheiten eine gute Anpassung an die Netzerfordernisse erreicht werden.
Unter Druck speichern
Eine Alternative, die bei zunehmend volatiler Stromproduktion eine Rolle spielen könnte, ist die Druckluftspeicherung. Für Markus Haider, Professor am Institut für Thermodynamik und Energiewandlung der Technischen Universität (TU) Wien, ist das ein aussichtsreiches Konzept – insbesondere die adiabate Speicherung. Technologisch gibt es laut Haider, der seit Jahren bereits an Entwicklungen der Druckluftspeicherungen forscht, je nach Auslegung drei bis vier Ansätze: Da ist einmal die diabatische Druckluftspeicherung. „Dabei geht die Wärme bei der Verdichtung aber verloren“, erklärt der Experte.
Bei einem Druckluftspeicherkraftwerk wird Luft in einem Verdichter komprimiert und in einer Kaverne gespeichert. Beim Entladen wird die Druckluft aus der Kaverne über Turbinen geleitet. Ein nachgeschalteter Generator wandelt die mechanische Energie in Strom um und gibt sie an das Netz ab.
Als derzeit aussichtsreichster Ansatz gilt die adiabatische Technik mit einem einfachen Verdichter ohne viel Zwischenkühlung, die mit einem Hochtemperatur- oder Mitteltemperatur-Wärmespeicher arbeitet und rund 50 Prozent des Stroms in Form von Wärme speichert. Rund die Hälfte landet als mechanische Energie gespeichert in der Kaverne. Laut Haider entfallen derzeit fast alle Projekte in der Finanzierungs- oder Bauphase auf die adiabatische Technik, die die höchsten Wirkungsgrade (bis zu 70 Prozent) erziele. Insgesamt könne man 70 Prozent der Druckluftspeicher dieser Bauart zurechnen.
Hoher Wirkungsgrad
„Die adiabate Druckluftspeicherung ist nach den Pumpspeichern und Batterien, die andere Nachteile – etwa chemische Degaradation und weniger Ladezyklen – haben, die Stromspeichertechnologie mit dem höchsten Speicher-Wirkungsgrad“ so der Experte. Dabei stehe das System jedoch in Konkurrenz zum Power-to-Gas-Konzept (P2G). Beide Technologien (H2 bei P2G) brauchen im großen Maßstab Kavernen als Speicher. Wasserstoff habe einen schlechteren Wirkungsgrad (30 bis 40 Prozent) und sei eine saisonale Speichertechnik, während die adiabate eher tageszyklisch – im Zusammenspiel mit der PV-Anlage wird zum Beispiel unter Tags eingespeichert und in der Nacht abgegeben – oder etwa bei einer „Dunkelflaute“ eingesetzt werden könne.
Noch in den Kinderschuhen steckt laut Haider die isotherme Technologie mit modular aufgebauten Verdichtern mit vielen Zwischenkühlungen. Die großen Unternehmen und Projekte würden aber stark auf das adiabate System mit zwei oder drei Verdichterstufen fokussieren – „aber nicht mehr“. Als vierte Technik nennt der TU-Experte die Flüssigluft-Technologie. „Die Frage ist, ob man sie zur Druckluftspeicherung zählt.“ Dabei werde ebenfalls Luft komprimiert und mit einem kryogenen Prozess kombiniert. Dafür brauche es keine Kaverne, sondern einen Tieftemperaturspeicher mit zwei Wärmespeichern für hohe und warme Temperatur. Attraktiv sei das System dadurch, dass es nahezu ähnliche Wirkungsgrade wie die adiabate Speicherung erreiche, aber landschaftsschonend ohne Kavernen auskomme.
„Es geht Richtung Markt“
Projekte, die derzeit laufen, werden laut Haider vorwiegend an der Schnittstelle Unternehmen/Universitäten abgewickelt und sind daher weniger publikationsaktiv. „Da geht es Richtung Markt.“ Druckluftspeicher seien mittlerweile bei den Projektentwicklern in Unternehmen angekommen, attestiert er global eine sehr aktive Thematik. Das zeige sich auch darin, dass „große, internationale Unternehmen Pilotanlagen und Projekte vorantreiben und in die Entwicklung derartiger Systeme investieren.“ Das ist für den Wissenschafter ein Zeichen, dass die Technologie (adiabatische wie auch die Flüssigdruckluftspeicherung) Marktpotenzial hat.
Schwungräder
Auf einen breiteren Einsatz warten auch noch Schwungradspeichersysteme (FESS – Flywheel Energy Storage Systems). „Mit FESS kann in der Regel nicht viel Energie wirtschaftlich darstellbar gespeichert werden, dafür wird sie mit sehr hoher Leistung abgegeben“, weiß Armin Buchroithner, Senior Scientist am Institut für Elektrische Messtechnik und Sensorik der Technischen Universität (TU) Graz im Gespräch mit APA-Science.
Bei der Schwungradspeicherung wird ein Schwungrad (Rotor) mit einem Elektromotor auf eine hohe Drehzahl beschleunigt und die Energie als Rotationsenergie gespeichert. Über einen verbundenen Generator kann diese Energie bei Bedarf wieder in Elektrizität umgewandelt und ins Netz abgegeben werden.
Warum verwendet man FESS trotzdem? Dazu Buchroithner: Da spiele die bereits angesprochene Leistung eine Rolle, „dass eben in sehr kurzer Zeit, sehr viel Energie aufgenommen und abgegeben werden kann. Das Schwungrad ist eigentlich eher ein Leistungsspeicher, ein ‚Sprinter‘, mit dem Lastspitzen geglättet werden.“
Bei kurzfristigen Netzschwankungen können Schwungradspeicher laut Buchroithner also gut eingesetzt werden. Für saisonale Schwankungen wie der Dunkelflaute spielen sie dagegen keine Rolle. Lange Speicherzeiten seien aufgrund der Selbstentladung (durch Reibungsverluste) bis dato nicht möglich. Beim FESS gehe es bei der Speicherdauer um wenige Stunden bis maximal ein, zwei Tage. Die bevorzugte Anwendung sei ein dynamischer Lastzyklus: Viele Lade- und Entladevorgänge in kurzer Zeit.
Vorteile gegenüber Batterie
Eine weitere Frage stellt sich dahingehend, warum man sich mit Schwungradspeichern trotz scheinbar schlechterer Leistungsparameter im Vergleich mit chemischen Batterien auseinandersetzt? Buchroithner klärt auf: „Da ist einmal die Zyklenfestigkeit (Lebensdauer): Eine Batterie degradiert chemisch, wenn sie belastet wird, aber auch wenn sie kalendarisch altert.“ Bei einem Schwungradspeicher habe man „quasi keinen Verschleiß“, so Buchroithner: „Werden mechanische Wälzlager eingesetzt, dann müssen hin und wieder das Schmiermittel und die Lager getauscht werden. Handelt es sich um berührungslose Magnetlager, ist der Speicher eigentlich wartungsfrei. Somit haben wir dann eine einige Zehnerpotenzen höhere Lebensdauer als bei chemischen Batterien“, so Buchroithner.
Der Wissenschafter weiter: „Wenn wir eine über die Lebensdauer umgesetzte Energiemenge ermitteln, wird ein Schwungrad mehr Energie umsetzen als eine Batterie.“ Für Buchroithner ist das eine charmante Eigenschaft, vor allem, „wenn man bedenkt, dass alle paar Sekunden eine ‚kleine‘ Schwankung im Netz erfolgt, weil sich etwa ein Supercharger an einer Teslatankstelle dazu schaltet, dann wird diese durch einen Schwungradspeicher gut ausgeglichen.“ Das resultiere in hohen Lade- und Entladezyklen. Da habe der Schwungradspeicher entsprechende Vorteile. Außerdem gehe es auch um Ressourcen (Lithium, seltene Erden,…), die für den Bau von Batterien gebraucht werden. Dabei sei man weitestgehend von außereuropäischen Zulieferern abhängig.