Rückkehr zur Atomkraft?
Klimaneutralität durch Atomenergie, geht das? Und soll das überhaupt gehen? Hat die Atomenergie das Potenzial, die Rettung der drohenden Energiekrise zu übernehmen? Alles nur „massives Lobbying“, sind sich Martin Baumann und Günther Pauritsch von der Austrian Energy Agency (AEA) einig.
„Massives Lobbying unter dem Deckmantel des Klimawandels mit dem Ziel, die Atomkraft im Spiel zu halten“, so formuliert es Baumann im Podcast Petajoule der AEA über Energie- und Klimapolitik in Österreich. Kernkraft als zwingend erforderlich im Sinne des Klimaschutzes zu präsentieren, das sei die aktuelle Strategie der Atom-Lobbyisten – und ihr letzter Strohhalm.
Denn die Atomkraft, so die Experten, befindet sich seit Jahrzehnten auf dem absteigenden Ast. Die weltweit 415 Kernreaktoren (weniger als beim Höhepunkt der Atomenergie 2002) haben ein durchschnittliches Alter von 31 Jahren. Zwar wurde beispielsweise für Frankreich (mit 56 Reaktoren und einem Altersschnitt von 35 Jahren) die Laufzeit auf 55 Jahre verlängert, aktuell befindet sich aber nur ein einziger Reaktor in Bau – diese veralteten Reaktoren in den nächsten zwanzig Jahren komplett zu ersetzen, werde das Land, das aktuell 70 Prozent seiner Energie aus Atomenergie bezieht, vor eine große Herausforderung stellen.
Die Kosten (von der Errichtung über die Einhaltung der steigenden Sicherheitsvorschriften bis hin zur Endlagerung) sind hoch – und die Nachteile schwerwiegender als der eine große Vorteil, nämlich die Erzeugung großer Energiemengen und hoher Leistungen, unabhängig von Tageszeit und Witterung. „Wenn man dieses gesamte Problem der Kosten, der Radioaktivität, der Endlagerung, der ganzen Sicherheitsfragen, wenn man das ausklammern würde, dann hätte es für die Stromversorgung einen gewissen Charme“, erklärt Pauritsch mit einem zynischen Unterton. Allein wenn man sich die Kosten für die Errichtung ansehe, befinde man sich „jenseits von Gut und Böse. Es gibt kein Kernkraftwerk weltweit, das nach markwirtschaftlichen Kriterien errichtet oder betrieben wurde“, verweist er stattdessen auf „staatliche energiepolitische Weichenstellungen“.
Hoffnungsträger oder Luftschlösser?
Thoriumreaktoren, Small Modular Reactors, Kernfusion – sind vielleicht diese neuen Technologien und Konzepte die Vorboten einer „strahlenden“ Rückkehr der Atomenergie? Die SMR („kleine modulare Reaktoren“) unterscheiden sich primär durch Sicherheitsaspekte und die Perspektive auf eine bessere Ökonomie von ihren größeren Brüdern, so Baumann – die Probleme der Entsorgung blieben bestehen. Thoriumreaktoren bauen auf einem anderen Brennstoff als herkömmliche Kraftwerke auf. Beide Technologien haben eines gemeinsam: Sie sind von der Marktreife weit entfernt und können nicht im großen Stil gebaut werden.
„Kernfusion [Anm.: so werden Kernreaktionen bezeichnet, bei denen je zwei Atomkerne zu einem größeren Atomkern verschmelzen] befindet sich sogar noch tiefer im Forschungsstadium“, rechnet Baumann frühestens 2050 oder 2060 mit einem Demonstrationsreaktor. Eine schnelle Lösung für den Herbst? Schwer vorstellbar.