Waldbrand und Borkenkäfer
Die Wälder in Österreich sind vom Klimawandel bedroht, wie die Waldbrände an der Rax im Vorjahr und die akute Borkenkäfer-Epidemie in Österreich deutlich gemacht haben. Um die lebenswichtigen Wälder zu schützen, mahnen die hiesigen Wissenschafter nicht nur, den Klimawandel bestmöglich einzudämmen, sondern untersuchen in einem neuen Projekt zusätzlich die Waldbrandgefahr. Auch das genaue Timing der Lebens- und Entwicklungszyklen der Borkenkäfer wurde ermittelt.
Wald in Österreich
Es gibt in Österreich 400 Mal mehr Bäume als Einwohner, nämlich 3,5 Milliarden. Das Land ist etwa zur Hälfte (zu 48 Prozent) mit Wald bedeckt, selbst die Hauptstadt Wien zu knapp einem Viertel (23 Prozent), so das Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) in der aktuellsten Waldinventur. 65 verschiedene Baumarten wachsen in den Wäldern Österreichs. Die Fichte ist mit 57 Prozent die mit Abstand häufigste Baumart, gefolgt von der Buche (12 Prozent). Es gibt in Österreich sehr viel mehr Nadelbäume, nämlich 80 Prozent, als Laubbäume (20 Prozent).
Waldbrand Gefährdungskarten
Ein Team von Wald- und Klimaexperten um Florian Kraxner vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien hat vor wenigen Tagen damit begonnen, moderne hochauflösende Waldbrand-Gefahrenkarten (Hotspot Karten) für das ganze Land zu erarbeiten, die in Österreich breit zugänglich sein sollen. Sie werden unter verschiedenen Klimawandel-Szenarien das Brandrisiko für jeden gefährdeten Forst und Hain abbilden. Die Waldbesitzer, Förster, örtlichen Behörden, übergeordnete Ministerien, Bürgermeister, Touristiker, Feuerwehren und Krisenteams können und sollten sich dann überlegen, wie sie solche Hotspots durch angepasste Waldwirtschaft entschärfen, wie man Brände bei Risikowetterlagen wie langer Trockenheit vermeidet, und was man eiligst tut, wenn trotz aller Vorkehrungen der Funke in einem ungünstigen Moment auf die Bäume überspringt.
Gefahr bei guten und bösen Klimaszenarien bis 2100
„Wir sehen uns die Entwicklung bei verschiedenen Klimawandelszenarien des Weltklimarates IPCC an, vom Weitermachen wie bisher (Business as usual) bis hin zu Szenarien, wo die Klimaziele von Paris erreicht werden, also die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter begrenzt bleibt“, erklärt Kraxner: „Derzeit befinden wir uns leider auf einem Weg, der die Paris-Ziele überschießt.“ Die Hotspot-Karten des vom Klima- und Energiefonds gesponserten „Austria Fire Futures“ Projekts werden die Situation bis zum Ende des Jahrhunderts abbilden, also bis 2100. „Damit wird der Lebenszyklus der typischen wirtschaftlichen Baumarten in Österreich abgedeckt“, sagt er: „Eine Fichte ist nämlich etwa mit 80 bis 100 Jahren Alter hiebsreif, und eine Buche zwischen 100 und 150 Jahren.“
Hanglagen, Baumarten und das Wetter zählen
Die IIASA-Forscher rund um Kraxner kümmern sich um den Kern des Projekts, nämlich die „vorausschauende“ Hotspot-Modellierung. Wissenschafter des Instituts für Waldbau der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien liefern ihnen die lokalen Biomassedaten, Topographien, Hangausrichtungs-Details und vieles mehr über die österreichischen Waldgebiete. „Indem wir diese Aspekte erstmals berücksichtigen, können wir unsere Modelle auf ganz neue Füße setzen“, so Kraxner: „Bei Feuer ist es etwa wichtig, ob es sich um einen südlichen oder nördlichen Hang handelt, weil dies die Trockenheit beeinflusst. Außerdem ändert sich die Gefährdung für die Bäume und den Unterwuchs je nach der Geländeform.“ Freilich werden die Forscher auch die aktuelle Baumartenzusammensetzung genau einbeziehen. Dafür liefert das BFW mit seiner aktuellen Waldinventur die nötigen Daten. „Diese werden wir in unseren Modellen berücksichtigen, ebenso wie die spezielle Information, was alles an ‚brennbarer Biomasse‘ in einer Region vorhanden ist und entzündet werden könnte“, erklärt der Experte. Beim Waldbrand an den Hängen der Rax im vergangenen Jahr sei es zum Beispiel positiv gewesen, dass in diesem Gebiet Schwarzkiefern vorherrschen, und nicht Fichten. „Durch ihre starke Borke haben sie größtenteils überlebt und wurden nicht abgetötet“, meint er: „Außerdem haben Fichten im Gegensatz zu Kiefern dünnere Borken und sind sehr oft bis zum Boden benadelt, wodurch das Feuer rasch die „Feuerleiter“ in die Krone steigt und den ganzen Baum erfasst.“
Forscher des Instituts für Meteorologie und Klimatologie der BOKU Wien wiederum werden die jeweiligen Klimaszenarien mit kurzfristigeren Wettervoraussichten kombinieren. Dadurch sollen die Brandgefahr-Hotspots deutlich zum Vorschein kommen.
Tourismus
Österreich ist ein Tourismus-Land, und dies verstärkt teils die Waldbrandgefahr durch die stärkere Nutzung der Naturressource, andererseits gefährden Waldbrände die Touristen und die gesamte Branche. „Wir müssen sicherstellen, dass die Touristinnen und Touristen sicher sind und sich auch sicher fühlen“, meint Kraxner: „Sie kommen übrigens nicht immer nur aus dem Ausland, Wien ist zum Beispiel eine Stadt mit zwei Millionen Einwohnern, wo viele Leute jedes Wochenende in die Umgebung ausströmen.“ Der gesamte Wienerwald bis zu den Wäldern von Schneeberg und Rax, wo es 2021 ja aufsehenerregend gebrannt hat, ist dadurch fast ganzjährig ein Touristengebiet. „Die Korrelation zwischen der Waldbrandgefahr und der starken Nutzung dieses Ökosystems Wald wollen wir in einer Fallstudie mit dem Institut für Landschaftsplanung der BOKU Wien bei den Wäldern der Rax erfassen und in Zahlen bringen“, erklärt er: „In weiterführenden Projekten wollen wir dies auf ganz Österreich ausrollen, denn der Faktor Mensch/Tourismus ist in Österreich bezüglich der Waldbrandgefahr, aber auch bezüglich der Gefährdung durch Waldbrände nicht genügend berücksichtigt.“
Notfallplanung
Anhand der Hotspot-Karten und mit dem Wissen um die relevanten Wetterlagen wäre eine bessere lokale Notfallplanung möglich. „Wenn es von der Gefahrenlage so weit ist, dass ein weggeworfener Zigarettenstummel oder ein illegales Lagerfeuer einen Abermillionen Euro teuren und Menschenleben gefährdenden Waldbrand auslösen könnte, müssen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und zuständigen Behörden etwa Informationen verteilen, wie gefährlich es zur Zeit ist und sollten im Extremfall eventuell Wanderwege sogar kurzfristig sperren können“, sagt Kraxner. Bei höchster Gefährdung sei auch vorstellbar, dass in den betroffenen Gebieten Naturschutzleute patrouillieren. „Man muss außerdem schon vorab wissen, was man tut, wenn es trotz aller Vorkehrungen zu einem Feuer kommt“, erklärt er: „Dann sollte man die Pläne in der Schublade haben, wo die Feuerwehr- und Rettungskräfte am besten zufahren können, wen man verständigen und eventuell sogar evakuieren muss.“ Diese Notfallpläne würden im besten Fall – auf Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse – lokal von den Försterinnen und Förstern, den Behörden und der Bevölkerung erarbeitet und vielleicht sogar in Übungen auf ihre Tauglichkeit getestet werden.
Waldumbau
Die Identifizierung der besonders gefährdeten Areale diene freilich auch dazu, um dort mittel- bis langfristig die Wälder „umzubauen“, damit sie gar nicht so rasch brennen. „In diesen speziellen Gebieten empfiehlt es sich, feuerresistentere Baumarten zu pflanzen, also zum Beispiel mehr Laubhölzer und in den südlicheren Gebieten und Berglagen vielleicht Schwarzkiefern statt Fichten“, so Kraxner. Möglichst verschiedene Baumarten wären wünschenswert, bei denen sich Feuer nicht so schnell ausbreitet, und wo bei einem Brand möglichst viele Bäume überleben. Denn damit erspare man sich viele nachfolgende Probleme.
Folgeprobleme vermeiden
Bei einem Waldbrand an einem Hang brennt es meist von unten nach oben. Einerseits steigen die Flammen in der Regel den Berghang hinauf, andererseits purzeln lodernde Baumstümpfe ins Tal und bringen das Feuer nach unten. Auf diese Art entsteht oft eine ganze Schneise. Durch den Klimawandel können auch die extremen Regenereignisse zunehmen, ohne dass es im Jahresdurchschnitt mehr Niederschlag gibt. „Wenn dann in so einem Starkregenereignis alles Nass auf einmal hinunterkommt, kann der extreme Niederschlag auf einem feuergeschädigten Waldhang den Boden wegspülen. Durch diese Bodenerosion gibt es später Probleme bei der Wiederbewaldung“, sagt Kraxner. Kurzfristig sei außerdem das Risiko hoch, dass Erd- und Schottermassen Vorfluterbäche und -Becken verklausen, und massive Überschwemmungen sowie Flutwellen dadurch in Siedlungsräume im Tal vordringen. „Wenn man dann auch noch besonders großes Pech hat, nutzt der Schnee im darauffolgenden Winter die Schneisen und die Gegend wird auch noch von massiven Lawinen heimgesucht“, erklärt der Experte: „Das heißt, die Folge wäre eine Kaskade von Naturkatastrophen, vor denen uns nur ein gesunder Wald schützen kann.“ Nachsatz: „Das heißt, wenn wir es nicht schaffen, den Wald vor allem in gefährdeten und touristisch hoch frequentierten Gegenden sehr gesund zu halten, dann haben wir ein Riesenproblem.“
EU-weite Eingreiftruppe angedacht
„Wie man aber beim Vorfall an der Rax gesehen hat, sind wir für so einen komplexen Waldbrand vielleicht noch nicht gut genug gerüstet“, meint Kraxner: „Auf jeden Fall gab es Schwierigkeiten mit schwerem Gerät, und aus der Luft ausreichend Wasser hinzuschaffen. Die Bekämpfung ist außerdem hochgefährlich und kann nur von für Waldbrand ausgebildeten Fachkräften durchgeführt werden.“ Daher müsse noch mehr Kapazität mit höchster Waldbrandexpertise geschaffen werden und die Waldbrand-Bekämpfung muss EU-weit noch besser koordiniert werden. Neben zusätzlichen Löschflugzeugen, deren Anschaffung bereits von der EU Kommission diskutiert wird, könnten auch optimal gelegene Stützpunkte mit speziell geschulten Feuerwehrleuten und dem nötigen Material an verschiedenen Orten errichtet werden, die dann je nach Bedarf zu Einsatzorten in ganz Europa gerufen werden können.
Warnungen werden oft nicht ernst genug genommen
„Wir sollten uns auch daran gewöhnen, lieber einmal zu oft Deckung zu suchen, als einmal zu wenig“, meint Kraxner. Oft würde die Dringlichkeit von Warnungen von der Bevölkerung und den Behörden nicht erkannt und ernst genug genommen, weil bisher solche Extremereignisse, wie sie der Klimawandel vermehrt bringt, in den jeweiligen Gegenden noch nie vorgekommen sind. „Sie können sehr lokal ausfallen und völlig neue Gebiete heimsuchen“, erklärt er. Dafür ist man in den seltensten Fällen sensibilisiert. Es fällt jedem schwer zu realisieren, dass auch die eigene, bisher von extremen Ereignissen überhaupt nicht betroffene Gegend in Zukunft gefährdet sein kann. „Das ist noch zu wenig in unseren Köpfen drin“, so der Forscher. Deshalb müsse man die Nachrichtenketten verbessern und möglichst simple Systeme für Warnstufen einführen, wie etwa mittels Ampelfarben.
Ausbaufähige Satellitendetektion von Bränden
Auch die Erkennung von Waldbränden durch Satelliten könne man noch deutlich besser gestalten. „Es schwirren zwar schon viele Satelliten über unseren Köpfen, aber sie haben in der Regel andere Aufgaben und Stärken“, berichtet Kraxner. Jene Erdtrabanten, die Brände detektieren können, kommen bestenfalls ein bis zweimal am Tag über die relevanten Wälder. „Das ist für Echtzeit-Erkennung viel zu wenig“, meint er. Eine Startup-Firma in München (OroraTech) arbeitet laut Kraxner zum Beispiel an einem System von Mikrosatelliten, um damit die Frequenz an Überflügen so stark zu erhöhen, dass eine Echtzeit-Überwachung ermöglicht wird. „Verstärkte Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Behörden, aber auch der Natur und Industrie (man denke z.B. an den österreichischen „global player“ im Feuerbereich Rosenbauer) wäre sehr wünschenswert.“, meint Kraxner.
Dauerbrenner Borkenkäfer
Der Klimawandel verstärkt durch zwei Mechanismen auch die Schädlingsproblematik in den österreichischen Wäldern, erklärt Gernot Hoch, der am Fachinstitut Waldschutz des BFW arbeitet: Einerseits haben die höheren Temperaturen eine förderliche Wirkung auf manche Schädlingsarten. Zum Beispiel Borkenkäfer-Arten wie der Buckdrucker (Ips typographus) entwickeln sich dadurch schneller und können mehrere Generationen pro Jahr durchlaufen. „Dadurch üben sie einen höheren Befallsdruck aus“, sagt er: „Zweitens bringt der Klimawandel vermehrt Phasen mit erhöhter Trockenheit, so wie wir es heuer wieder gesehen haben.“ Dadurch kommen die Bäume in Stresssituationen, was ihre Abwehrfähigkeit gegen Befall herabsetzt. „In manchen Fällen kommt es durch das Zusammentreffen beider Mechanismen dazu, dass der Schädlingsbefall explosionsartig zunimmt, wie wir es bei den Borkenkäfermassenvermehrungen gesehen haben“, berichtet der Experte.
Forscher gegen Schädlinge
Bei bekannten Schädlings-Organismen wie dem Buchdrucker kann die Forschung der Forstwirtschaft helfen, indem sie die Wechselwirkungen zwischen Insekt und Wirtsbaum sowie den Umweltbedingungen erkundet, so Hoch: „Man versteht durch die Forschung mittlerweile zum Beispiel sehr gut, wie die Temperatur auf die Entwicklung wirkt.“ Mit Modellen, die Temperaturmessungen von Wetterstationen auf das Gelände umlegen, könne man nachvollziehen, wie schnell sich der Käfer entwickelt. „Damit stellt man der Forstpraxis sehr hilfreiche Werkzeuge zur Verfügung, weil man sagen kann, welche Entwicklungsstadien zu welchen Zeiten vorhanden sind, und wann mit Phasen von Befall zu rechnen ist.“ Mit diesem Wissen können die Waldbesitzer- und Bewirtschafter die geeigneten Management-Maßnahmen ergreifen.
„Nach wie vor ist das einzige Mittel die rechtzeitige Fällung und Entnahme von Holz“, erklärt er: „Die genaue Kenntnis des Entwicklungszyklus hilft, weil man dann weiß, wann besonders gefährliche Phasen sind, wo man mit Neubefall rechnen und rasch handeln muss, und wo man eventuell noch ein paar Monate Zeit hat.“ Die Möglichkeit, die Käfer direkt zu bekämpfen, bestünde nicht. Wenn man besser versteht, wie die Käfer sich orientieren, um neue Bäume zu finden, könnte man eventuell hier eingreifen. Es ist auch noch nicht restlos bekannt, warum manche Baum-Individuen widerstandsfähiger gegen Borkenkäferbefall sind als andere, so Hoch. Solches Wissen wäre für die Pflanzenzüchtung hilfreich.
Unbekannte Pilze
„Zusätzlich verursachen manche in der Vergangenheit nicht als besonders gefährlich aufgefallene Organismen durch die Temperaturerhöhung und die reduzierten Abwehrkräfte der Bäume plötzlich Schäden“, sagt der Forscher. Meist handle es sich hierbei um Pilzerkrankungen, die in den jüngsten Jahren stark an Bedeutung stark zugenommen haben. „Bei solchen Vorfällen besteht sehr grundsätzlicher Forschungsbedarf, damit man überhaupt versteht, wie es zum Ausbruch dieser Krankheiten kommt“, erklärt Hoch.