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Mehr zum Thema / Paul Tschierske / Donnerstag 13.10.22

Wenn nichts tun teuer wird

Eine häufige Kritik an Klima-Maßnahmen sind die Kosten. Dieser Einwand scheint oft zu ziehen, denn Geld ist nie genug da. Der Klimawandel mit den daraus folgenden Naturkatastrophen ist jedoch eine Krise, die dann richtig teuer wird, wenn man nichts tut. Über diese „Costs of Inaction“ – und wer sie schultern muss – sprach APA-Science mit der Klimaökonomin Nina Knittel und dem Klimaökonomen Gabriel Bachner vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz.
APA/Gindl

„Es gibt Kosten des Nicht-Handelns. Man hört häufig, Klimaschutz sei so teuer. Dabei vergisst man, dass kein Klimaschutz auch etwas kostet, und der Klimawandel selbst zu hohen Kosten führt“, stellt Knittel fest. Zwar könne man sich nicht gegen jedes Ausmaß von Extremwetterereignissen wie Überflutungen und Murenabgänge schützen, bis zu einem gewissen Grad ist dies aber möglich, sinnvoll und notwendig. Dabei geht es nicht nur um das Vermeiden von Schäden durch Naturkatastrophen, die sehr teuer werden können. Bachner: „Es gibt zwei Kategorien, zum einen die Schäden durch den Klimawandel, die sich bis zu einem gewissen Grad mit Klimaanpassungen eindämmen lassen. Zum anderen die Seite der Klimapolitik, bei der es zu Strafzahlungen an die Europäische Union kommen kann, wenn Österreich gewisse vereinbarte Ziele nicht einhält.“ Er merkt an, dass das wirtschaftlich gesehen oft keine Kosten, sondern Investitionen sind, weil man langfristig etwas zurückerhält. So etwa beim Ausbau erneuerbarer Energien.

Des Weiteren besteht die Gefahr, dass Österreich im Falle von zu wenig Klimaschutz Wettbewerbsfähigkeit verliert, wenn globale Trends verschlafen werden, was ebenfalls zu enormen Kosten führen kann. Mit Blick auf eine vom Klima- und Energiefonds geförderterte Studie von 2020 („Klimapolitik in Österreich: Innovationschance Coronakrise und die Kosten des Nicht-Handelns“ – RE-COIN: Reconsidering Costs of Inaction), bei der sie Co-Autorin war, erklärt Knittel: „Wir haben versucht, die Kostenkategorien über die Schäden und die Kosten für das öffentliche Budget zu erweitern. Dabei geht es unter anderem um Wertschöpfungsabwanderung oder potenzielle Wettbewerbsverluste.“ Die „RE-COIN-Studie“ zeige eindrücklich, wie viel Geld weiterhin für klimaschädliche Förderungen ausgegeben werde.

So entstehen Österreich laut der Studie jährlich rund 8 Milliarden Euro an Wertschöpfungsverlusten durch fossile Importe. So fließe eben viel Geld durch Gasimporte ab, so Bachner. Unabhängig davon, ob man Erdgas aus Russland importiert oder wegen des Krieges in der Ukraine auf Flüssiggas umstellt, von den Ausgaben kommt nichts zurück. Anders bei Investitionen in erneuerbare Energien, wo Renditen im Inland bleiben. Ein Umstellen auf ein nachhaltigeres Wirtschaftssystem mit erneuerbaren Energiesystemen würde daher Sinn ergeben, obgleich die Anfangsinvestitionen immens seien. „Es ist ein großer Kraftakt und es braucht sowohl Anreize als auch Aktivität der öffentlichen Hand für diese Umstellung. Die Coronapandemie hat gezeigt, dass starke Eingriffe in den Markt durch die öffentliche Hand durchaus möglich sind und in Krisenzeiten von der Bevölkerung akzeptiert werden.“ Genauso sei es beim Thema Staatverschuldung, dieses habe sich gedreht und man nehme mehr in Kauf. „Trotzdem muss man natürlich versuchen, das Gießkannenprinzip zu vermeiden.“ Knittel ergänzt: „Es muss in allen Bereichen geprüft werden, ob öffentliche Ausgaben mit unserem Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2040 kompatibel sind.“

Kosten und (zeitliche) Grenzen der Klimawandelanpassungen

Das Gegenteil ist bei umweltschädlichen Förderungen der Fall, die jährlich rund 4 Milliarden Euro ausmachen. Dazu zählen laut OECD unter anderem Stellplatzverpflichtungen, kontraproduktive Elemente in der Wohnbauförderung und Raumordnung beim Ordnungsrecht. Auf fiskalischer Seite sind es beispielsweise die Pendlerpauschale oder die Straßeninfrastruktur, die beim Ausbau zu weiterer Flächenversiegelung führt. Wetter- und klimabedingte Schäden machen aktuell rund 2 Milliarden Euro an jährlichen Kosten aus. Bis 2030 wird erwartet, dass diese im Bereich von 3 bis 6 Milliarden Euro liegen. 2050 könnten sie bereits bei 6 bis 12 Milliarden Euro liegen. Dazu kommen Ausgaben für Klimawandelanpassungen (z.B. Hochwasserschutz, Frühwarnsysteme für Hitze oder trockenheitsresistente Ackerkulturen) von jährlich rund 1 Milliarde Euro. Bei einem Szenario mittlerer Erderwärmung wird sich dieser Posten bis 2050 mehr als verdoppeln. Auf der Steuereinnahmenseite wird im Schnitt bis 2050 jährlich von einem Minus von 720 Millionen Euro aufgrund des Klimawandels ausgegangen.

Kosten der Klimawandelanpassung zur Begrenzung der Schäden und Verluste

Struktur und indikative Entwicklung der anpassungsrelevanten Ausgaben für den Bundeshaushalt, 2021 bis 2050

Bei den Klimawandelanpassungen handelt es sich zwar letztlich um Investitionen, weil durch diese Orte länger bewohnbar oder Ackerflächen länger bewirtschaftet werden können. Doch wir werden uns nicht unendlich anpassen können. Knittel dazu: „Es gibt ein ‚Limit der Anpassung‘. Wir müssen schauen, dass wir in einer Welt bleiben, in der wir uns noch anpassen können. Dadurch ist Klimaschutz noch dringender, um das Erreichen möglicher Kipppunkte zu vermeiden.“ Dann könne es bei einer sehr starken Erderwärmung zu Hitzejahren kommen, die außerhalb unserer Vorstellung und Anpassungsfähigkeit liegen würden. „Da wird man mit Begrünung nicht mehr auskommen. Noch sind wir in einem Bereich und in einem Zeitfenster, in dem wir handeln können.“ Bachner ergänzt: „Es gibt ‚Limits of Adaption‘, irgendwann erreicht der Hochwasserschutz schon physikalisch seine Grenzen, weil wir dem schieren Ereignis nicht mehr Herr werden. Solche Limits werden bereits jetzt in anderen Teilen der Welt deutlich.“ So werde es den pazifischen Inselstaat Kiribati bei einer weltweiten Erderwärmung von zwei Grad wohl nicht mehr geben, da er überschwemmt würde. Für Kiribati sei eine globale Erderwärmung von maximal 1,5 Grad daher existentiell – ungefähr 1,1 Grad sind schon erreicht. Der weltweite Schnitt sei dabei nicht derselbe, wie jener in Österreich. „Wir sind längst bei zwei Grad angelangt, die Erderwärmung geht bei uns schneller voran als im globalen Schnitt“, so Bachner.

"Wir müssen schauen, dass wir in einer Welt bleiben, in der wir uns noch anpassen können." Nina Knittel, Klimaökonomin

Die zwei Seiten der Modelle

Dass all diese Modellierungen mit gewissen Unsicherheiten behaftet seien, räumt Bachner ein. „Es ist methodisch eine Herausforderung, da es sowohl auf der sozioökonomischen als auch auf der klimatologischen Seite viele Unsicherheiten gibt. Deshalb arbeiten wir mit Szenarien und schauen uns an, was alles möglich wäre. Klimaprojektionen sind bzgl. des Niederschlags im Alpenraum unsicherer als z.B. im Norden oder Süden Europas.“ Dem begegne man, in dem man schlechteste und beste Szenarien ermittle, weshalb er sicher ist: „Die Zahlen und Bandbreiten sind durchaus robust. Insgesamt ist das Ergebnis jedoch eher als untere Bandbreite zu interpretieren, da sehr viele Kosten bislang nicht quantifiziert werden können.“ Knittel dazu: „Außerdem werden in der ‚RE-COIN-Studie‘ Durchschnitte von 30 Jahren verwendet, da das eine Klimaperiode darstellt.“ Aus genau diesem Grund seien Extremwetterereignisse wie Starkniederschläge nur anteilsmäßig in den Berechnungen berücksichtigt. „Einzelne Jahre können also noch viel extremer sein als in der Durchschnittsbetrachtung.“ Einig sind sich beide, dass die Zahlen eher konservativ, also optimistisch, sind. Das beginne schon mit dem Erreichen des Zwei-Grad-Ziel als Grundannahme, denn ob das wirklich eingehalten werden könne, sei fraglich. Ferner gebe es in der „RE-COIN-Studie“ zwar 37 quantifizierte Wirkungsketten, dem würden jedoch 43 identifizierte, aber bisher noch nicht quantifizierte Wirkungsketten (z.B. Zunahme von Waldbrandrisiko) gegenüberstehen, die zu zusätzlichen Schäden führen können. Es könnte also noch deutlich teurer werden.

Ebenfalls schwierig zu modellieren ist neben der klimatologischen Seite laut den Wissenschaftern auch die sozioökonomische. „Da gibt es sozioökonomische Unsicherheiten. Wie lang ist das Straßennetz in der Zukunft? Mit einem Rückbau als Expositionssteuerung würde man sich dem Klimawandel weniger aussetzen“, erklärt Bachner. Der soziökonomische Faktor sei der Kostentreiber, der sich jedoch steuern ließe. „Deswegen ist das Klimarisikomanagement in allen Bereichen so wichtig. Es sollte bei allen Entscheidungen mitgedacht werden. Das war vor ein paar Jahren noch kein Thema.“ Dabei werde es harte Reformen benötigen im Bereich Klimaschutz und Klimawandelanpassung.

"Es müssen Hochwasserzonen ausgewiesen werden, in denen zumindest keine neue Ansiedlung stattfindet. Das passiert nicht von heute auf morgen und es braucht Kompetenz in der Raumplanung, die sollte man nicht mehr auf Gemeinde-Ebene, sondern höher ansiedeln." Nina Knittel, Klimaökonomin

Im Einzelfall können die recht schmerzhaft sein, wie die beiden mit Blick auf eine notwendige Reform des Katastrophenfonds veranschaulichen. Wenn beispielsweise ein Einfamilienhaus durch Hochwasser zerstört würde, gebe es zurzeit Anreize dafür, es an derselben Stelle wiederaufzubauen. Das Problem dabei sei, wie geht man damit um, wenn alle Modelle und Prognosen zeigen, dass es an ebenjener Stelle in den nächsten Jahren höchstwahrscheinlich wieder und wieder zu Hochwasser kommen werde und wegen der bereits erwähnten „Limits of Adaptation“ kein ausreichender Hochwasserschutz mehr möglich oder nicht kosteneffizient sei, wie sich aktuell in Florida zeige. Knittel: „Man kann nicht alles dort wieder aufbauen, wo es gestanden ist. Das ist sehr schwierig, hier untersucht die Umweltpsychologie, wie Menschen bei so einem Schritt begleitet werden können. Auch als Gesellschaft müssen wir das mittragen.“ Sie betont, dass natürlich niemand zum Absiedeln gezwungen werde, aber „es müssen Hochwasserzonen ausgewiesen werden, in denen zumindest keine neue Ansiedlung stattfindet. Das passiert nicht von heute auf morgen und es braucht Kompetenz in der Raumplanung, die sollte man nicht mehr auf Gemeinde-Ebene, sondern höher ansiedeln.“ Bachner ergänzt, dass die Politik hier Mut für unpopuläre Entscheidungen benötige. „Dafür ist eine Regierung ja da. Langfristig ist das das Gescheiteste, sonst wäre es reiner Populismus.“

Klimawandel verdeutlicht Ungleichheiten in der Gesellschaft

Politische Lösungen werde es auch für eine soziale Verträglichkeit brauchen, denn der Klimawandel betrifft den weniger vermögenden Teil der Gesellschaft mehr, erklären die Ökonom:innen: „Überflutungen verursachen Schäden bei Gebäuden oder Maschinen, sprich dem produktiven Kapitalstock einer Wirtschaft. Dies führt zu reduzierter Produktion und einem Überangebot an anderen Produktionsmitteln, vor allem des Faktors Arbeit.“ Anstatt wie zurzeit einen Fachkräftemangel gebe es dann einen Überfluss an Arbeitskräften, damit würde der Faktor Arbeit entwertet und der des Kapitals aufgewertet. Knittel verdeutlicht: „Zwar betrifft die Zerstörung der Maschinen und Gebäude zuerst höhere Einkommen, doch längerfristig steigen die Kapital- und Konsumpreise. Das wird niedrigere Einkommen stärker betreffen, die einen Großteil ihres Einkommens für kapitalintensive Produkte wie etwa Wohnen ausgeben.“

Gleichzeitig gebe es die Tendenz beim Kampf gegen den Klimawandel, Profite zu privatisieren, jedoch Kosten zu sozialisieren, wie Bachner am Beispiel des deutschen Energieunternehmens RWE veranschaulicht. Für den Ausstieg aus der klimaschädlichen Braunkohleförderung und -verstromung wurden dem Unternehmen Milliardenentschädigungen zugesagt, die am Ende die Steuerzahlenden aufbringen. Der Klimawandel wird noch weitere Ungleichheiten in der Gesellschaft offenlegen. Bachner: „Hitze trifft Menschen auf dem Land weniger als in Städten und dort mehr in Vierteln mit weniger Grünraum, in denen eher ärmere Menschen leben.“ In kleinen, schlecht isolierten Wohnungen, ohne Klimaanlage und ohne Garten, oder die Möglichkeit der Vermögenden, vom Speckgürtel aus ins Grüne zu fahren. „Umverteilung ist ein großes Thema in diesem Kontext. Auch alte Personen oder Personen mit Vorerkrankungen sind vulnerabler und marginalisierte Gruppen werden innerhalb eines Landes stärker betroffen sein.“

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