Wie man erneuerbare Energie kreativ in Wasserstoff verwandelt
Bei seiner Erzeugung aus elektrischem Strom gibt es nicht unbedeutende Verluste, im Gegensatz zu Batterien ist Wasserstoff aber ein probates Langzeitspeicher-Medium für Energie. Damit man ihn verlust- und gefahrenfrei transportieren sowie effizient und "grün" herstellen kann, ist aber noch einiges an Forschung und Wissen-Schaffen vonnöten. Dies wird in Österreich reichlich und kreativ bewerkstelligt.
„Kohle kann man in den Keller legen, elektrische Energie nicht“, sagt Julia Kunze-Liebhäuser vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Innsbruck. Auch Ionen-Batterien sind nicht für die Langzeitspeicherung geeignet. Wasserstoff kann als Gas hingegen über Jahre hinweg gespeichert werden und wird bei Bedarf verstromt oder in einer Vielzahl von industriellen Anwendungen genutzt. Doch diesen muss man erst einmal herstellen. Dies passiert aktuell meist aus fossilen Quellen, also Erdgas. „Das macht klimapolitisch keinen Sinn“, erklärt Gerhard Fritscher von der Fachhochschule (FH) Technikum Wien: „Das heißt, er muss grün werden.“ Dies geschieht derzeit am besten durch Elektrolyse (elektrische Aufspaltung) von Wasser mit Strom aus erneuerbaren Quellen, wie Wind- oder Sonnenenergie.
„Es ist aber momentan so, dass die vorhandenen Technologien nicht wirklich gewinnbringend und breit eingesetzt werden können, da sie nicht ausgereift sind“, so Kunze-Liebhäuser. Bei der „sauren Elektrolyse“ bracht man teure, seltene Metalle wie Platin und Iridium. „Die gewinnbare Menge Iridium pro Jahr liegt weltweit bei ungefähr acht Tonnen, das ist extrem wenig, zudem verbunden mit geopolitischen Abhängigkeiten“, sagt sie: „Es ist außerdem das teuerste Metall, das es gibt.“ Alternative Umwandlungstechnologien sind alkalische Elektrolyseure. Sie sind aber schlecht in der Effizienz und sehr anfällig für Verunreinigungen im Elektrolyten, wie z.B. Kohlendioxid oder Eisenionen, obwohl sie lang etabliert sind und unter idealen Bedingungen stabil laufen. Man braucht für beide Methoden besseres grundlegendes Verständnis. Grundlagenforschung in diesem Bereich findet seit Oktober 2023 im FWF Exzellenzcluster MECS (Materials for Energy Conversion and Storage, engl. für: Materialien für Umwandlung und Speicherung von Energie) statt.
Neben der Wasser-Elektrolyse wird in MECS auch die Elektroreduktion von CO2 untersucht, wobei aus diesem Treibhausgas nützliche Chemikalien oder Brennstoffe gewonnen werden können. „Dafür testen wir hier in Innsbruck verschiedene Metall-Kupfer-Kombinationen, mit denen man CO2 selektiver reduzieren kann, als mit Kupfer allein“, so die Forscherin. Kupfer ist in der Lage, verschiedenste interessante Produkte zu erzeugen, wie z.B. Ethylen oder Alkohole , ist aber nicht selektiv, das heißt es entstehen zahlreiche Produkte gleichzeitig, die aufwendige Produkttrennungsschritte für die weitere Nutzung notwendig machen. Die Umwandlung von Wasser und CO2 durch Lichtenergie (Photokatalyse) wird in MECS ebenfalls grundlegend untersucht. „All diese Reaktionen sind hochkomplex, daher ist es wichtig, Grundlagenforschung zu betreiben, die es uns ermöglicht, die bestimmenden Mechanismen zu erkennen und diese für die effiziente Entwicklung neuer Katalysatormaterialien zu nutzen“, erläutert die Expertin.
Hightech-Wasserstoffforschung in der alten Schlosserei
Christina Toigo von der Fachhochschule (FH) Oberösterreich in Wels richtet mit Kollegen aktuell ein modernes Wasserstoff-Forschungszentrum in der aufgelassenen Schlossereihalle eines E-Werks ein. Die Forschenden werden dort Brennstoffzellen-Tests durchführen, Werkstoffe und Dichtungen testen, mit denen man Wasserstoff transportieren kann, alternative Herstellungsmethoden aus Biomasse wie beispielsweise Land- und Forstwirtschaftlichen Abfällen ausprobieren und konventionelle Erdgasanlagen Wasserstoff-tauglich machen.
Wasserstoff kann aktuell bis zu 15 Prozent in das Erdgasnetz eingespeist werden, erläutert Hubert Schrenk von der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur ecoplus. Die Beimischung von Wasserstoff ermöglicht einen einfachen Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft mit den gleichen Nutzern. „Erdgas und Wasserstoff sind aber zum Beispiel vom Gewicht und den chemischen Eigenschaften her sehr unterschiedlich“, sagt Toigo. Deshalb gibt es hier Forschungsbedarf. „Wir wollen in einem großen Brenner, wo man unterschiedliche Gemische der beiden Gase zuführen kann, untersuchen, wie effizient die Verbrennung jeweils ist, welche Abgase entstehen, und ob dort wirklich der ganze Wasserstoff umgesetzt wird oder ein Rest übrig bleibt“, erklärt sie. Mit dem gewonnenen Wissen könne man den Verbrennungsprozess schließlich optimieren. Auch manche großen, klassischen Gaskraftwerke in Österreich würden wohl von solchem Wissen profitieren, denn dort will man die Gasturbinen für den Wasserstoffeinsatz zertifizieren lassen, so Schrenk.
Leitungs- und Dichtmaterialien
Möchte man die Erdgasnetze für größere Mengen an Wasserstoff nutzen, sollte man sich vorher wohl auch um die Leitungen kümmern. Er ist nicht nur das kleinste Element auf der Welt und strömt etwa durch Ritzen und Fehlstellen, wo Erdgas nicht durchschlüpfen könnte, sondern hat auch andere Auswirkungen auf Rohre und Leitungen. Zum Beispiel versprödet Wasserstoff Stahl, sagt Toigo gegenüber APA-Science: „Eines unserer Teams wird deshalb die Wechselwirkungen von Wasserstoff gegenüber Metallen und Kunststoffen testen.“ In einer Wasserstoffatmosphäre will man unter anderem bei relevanten Druck- und Temperaturverhältnissen Materialproben belasten, um zu sehen, wann Probleme entstehen. Auch bei Dichtungen und Füllmaterialien wird die Tauglichkeit für Wasserstoff ermittelt.
Wasserstoff soll vor allem durch Aufspaltung von Wasser mit Überschussstrom hergestellt werden, um damit beispielsweise in Mangelzeiten in Brennstoffzellen wieder Strom zu produzieren. Das dafür nötige rasche An- und Abschalten ist aber nicht förderlich für die Lebensdauer einer Brennstoffzelle, erläutert Toigo. Die Welser Forscherinnen und Forscher wollen daher ein Stromnetz mit großen Fluktuationen simulieren, wie bei massivem Einsatz von erneuerbarem Energien, und auf einem Prüfstand testen, wie gut sich unterschiedliche Brennstoffzellen-Varianten bei diesen Bedingungen bewähren.
Ländlicher Wasserstoff
Anstatt per Elektrolyse könnte man Wasserstoff auch gut aus Biomasse, wie beispielsweise Abfallstoffen und Ressourcen der Forst- und Landwirtschaft herstellen, erläutert Toigo. Hier werden die Forscher nicht nur das meiste Potenzial aus den verschiedenen Grundstoffen ausloten, sondern auch die „klassischen Nebenprodukte“ ermitteln, also vor allem welche Schadstoffe dabei entstehen. Dann könnte man die Produktionsschritte so optimieren, dass möglichst keine giftigen Stoffe anfallen, und die Verunreinigungen des Wasserstoffes am Ende minimal sind. In Wels werde schon mit verschiedenen Materialien experimentiert, an die Wasserstoff anhaftet (absorbiert). Wird er nämlich anschließend mit großer Hitze wieder davon losgelöst, ist er „hochrein“.
Wasserstoff in der Berghütte
Während man bei Batterien 90 Prozent oder mehr von dem Strom, den man hineinsteckt, wieder herausbekommt, verliert man bei der Herstellung von Wasserstoff als Speichermaterial 20 bis 40 Prozent, berichtet Gerhard Fritscher. Für kurzfristige Anwendungen ist er deshalb nicht optimal, aber während Batterien rasch Strom verlieren, kann man ihn hier gut horten und speichern. Der Forscher verweist zum Beispiel auf ein von Fachkollegen erfolgreich durchgeführtes Projekt auf einer Berghütte. Im Sommer hat man Strom durch Wasserkraft generiert, und damit Wasserstoff erzeugt. Dieser konnte gespeichert und im Winter verwendet werden. „Für langfristige Verschiebungen ist Wasserstoff also super“, sagt er. Auf der FH in Wien will er nun mit Simulationen auf Kleinwindkraft- und Photovoltaikanlagen testen, wie man ihn effizient herstellen kann. „Denn es macht Sinn, ihn auch im kleinen Bereich etwa bei Gebäuden einzusetzen“, meint der Experte.
Wasserstoff in Eisen versteckt
Ursprünglich ging es Viktor Hacker vom Institut für Chemische Verfahrenstechnik und Umwelttechnik der Technischen Universität Graz „nur“ um hochreines Metall. Er brachte rostiges Eisen (Eisenoxid) mit Gasgemischen oder unreinem Wasserstoff in Kontakt. Damit löste er eine chemische Reaktion aus, wobei dem Eisenoxid der Sauerstoff entzogen wird. Es entstehen Wasser und das gewünschte Metall (Eisen). In ihm ist dann quasi der Wasserstoff gespeichert. Man kann es gefahrlos lagern und transportieren, und bei Bedarf damit wieder Wasserstoff gewinnen. Denn die Reaktion ist umkehrbar: Besprüht man das reduzierte Eisen mit Wasserdampf, entstehen wieder Eisenoxide und zudem hochreiner Wasserstoff.
Energie aus Wüstengebieten
Diese Methode ist sehr vielversprechend, um zum Beispiel Energie aus Solaranlagen in Wüstengebieten zu importieren. Dort würde man den generierten Strom verwenden, um mittels Elektrolyse von Wasser Wasserstoff herzustellen. Damit behandelt man oxidiertes Eisen oder Eisenerz (das in vielen solchen Gebieten auch häufig vorkommt). So wird das Metall zum Energiespeicher. „Das Wasser wird sogleich wieder zurückgewonnen und kann wieder verwendet werden“, erklärt Hacker: „Dies ist ein weiterer wichtiger Vorteil der Methode, denn sonst müsste man Unmengen davon in die Wüste bringen.“ Dadurch wird aber nur das reduzierte Eisen etwa in Form von Pellets transportiert.
„Die Speicherdichte ist zwar mit 4,8 Prozent etwas geringer als etwa in einem Tank eines Brennstoffzellenautos, wo die Energiespeicherdichte sechs Prozent beträgt“, so Hacker: „Für stationäre Verwendungen reicht das aber vollkommen aus, und auch der Transport ist einfacher, da das Metall vollkommen ungiftig und ungefährlich ist.“ Man hat kaum Verluste, denn es rostet bei normalen Temperaturen zum Beispiel auf einer Halde oder in einem Container nur sehr langsam. „Die Temperatur bestimmt die Reaktionsgeschwindigkeit“, sagt der Techniker: „Deshalb lassen wir den Prozess bei 600 Grad Celsius ablaufen.“ Derzeit hat die Methode aber noch ein Limit: Man kann „normale“ Eisenpellets nur ein bis zwei Mal auf diese Art verwenden. Deshalb entwickeln Hacker und sein Team neue poröse „Eisenkontaktmassen“, die über hunderte oder tausende Zyklen hinweg reaktionsfreudig bleiben sollen.
Wasserstoffinitiativen gegen das Henne-Ei-Problem
„Eine Wasserstoffwirtschaft in Österreich zu etablieren ist herausfordernd“, sagt Johannes Jungbauer von Wien Energie, „weil wir sozusagen weder Henne noch Ei haben“. Die wirtschaftliche Produktion von Wasserstoff ist aktuell noch herausfordernd, da es noch wenige Abnehmer gibt, erklärt er. Man muss also quasi vieles aus dem Boden stampfen, oder eher sprießen lassen. Deshalb koordiniert er ein Projekt namens H2Real, das den Osten des Landes zu einem „Hydrogen Valley“ machen soll. Hier wird aktuell viel erneuerbare Energie etwa durch Windräder gewonnen, aber man kann sie zum Beispiel nicht mit Pumpspeicherkraftwerken „einlagern“, weil es hier eben keine Gebirgstäler wie in Tirol gibt, die man mit Speicherseen füllen kann, erklärt sein Mitarbeiter Sascha Grimm. Stattdessen muss man sich vor allem kurzzeitig mit Batterien und mittel- bis langfristig mit Wasserstoff als Energiespeicher behelfen.
Entwicklung soll mehr Schub erhalten
„Doch auf diesem Gebiet wird in Kürze sehr viel passieren“, sagt Hubert Schrenk von ecoplus. Die Wirtschaftsagentur hat unter anderem die „Wasserstoff Initiative Niederösterreich“ initiiert, um der Entwicklung mehr Schub zu verleihen: Lokale Großbatteriespeicher bei Umspannwerken und ein umfangreiches Regelwerk könnten bald Überschussstrom abfangen, damit Windräder und Solarpaneele nicht vom Netz genommen werden müssen, wenn sie zu viel Strom generieren. Zu windarmen Zeiten und bei Nacht könnte diese Energie flexibel abgerufen werden, wenn sie in Batterien gespeichert wird. Für längere Speicherdauern, zum Beispiel vom Sommer bis zum Winter, sollte man aber grünen Wasserstoff aus dem Überschussstrom produzieren.
Nordöstlich von Wien, in den traditionellen Erdöl- und Erdgasfördergebieten Österreichs gäbe es ausreichend viele unterirdische Kavernen, wo man Wasserstoff direkt einlagern könnte, so Schrenk. Alternativ wäre es möglich, daraus Methangas herzustellen, das Hauptbestandteil von Erdgas ist, und jenes im Untergrund zu horten. Auch Erdgasleitungen wären im Osten Österreichs zur Genüge verfügbar, um Wasserstoff bei Bedarf zu transportieren, zum Beispiel als Beimengung zu herkömmlichem oder synthetischem Erdgas.
Nicht nur die Großbatteriespeicher, auch große Elektrolyseanlagen sollten möglichst in der Nähe der Umspannwerke errichtet werden, um Wasserstoff so wirtschaftlich wie möglich zu produzieren, erklärt der Experte. Denn bei der Elektrolyse von Wasser zu Sauer- und Wasserstoff entstünde Abwärme, und auch diese könne man nutzen. Zum Beispiel in Form von Nahwärme in den lokalen Gärtnereien und landwirtschaftlichen Betrieben, von denen es in der auch „Gemüse- und Kornkammer Österreichs“ genannten Region freilich nicht mangelt.