Zugersatzteile aus dem 3D-Drucker: Auswertung alter Pläne zeigt Potenzial
Ersatzteile sind gerade bei langlebigen Gütern wie Zügen oft nicht einfach oder schnell zu bekommen. Naheliegend, dass überlegt wird, diese bei Bedarf mit dem 3D-Drucker anzufertigen. Um Entscheidungen über Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit treffen zu können, braucht es Informationen aus technischen Zeichnungen. Wie sich diese aus den teils antiquierten oder „handgemachten“ Dokumenten automatisiert herauslösen lassen, hat sich das COMET-Kompetenzzentrum VRVis im Projekt AM4Rail näher angesehen.

Zahlt es sich aus, Ersatzteile zu drucken oder ist eine konventionelle Fertigung sinnvoller? Diese Frage beschäftigte das Konsortium, dem unter anderem ÖBB und Wiener Linien angehörten. Um das Potenzial abzuschätzen, musste vorab geklärt werden, ob sich die in vielen Datenbanken befindlichen Zeichnungen automatisiert auswerten lassen. Schließlich gibt es davon hunderttausende. Die Palette reicht dabei von sehr alten Dokumenten bis zu neueren, direkt von den Herstellern zur Verfügung gestellten Bildern.
Das Hauptaugenmerk lag darauf, die Maße der Objekte beziehungsweise die geometrischen Eigenschaften zu identifizieren. Die Größe ist sehr wichtig, um abzuklären, ob das künftige Ersatzteil überhaupt in den Bauraum eines 3D-Druckers passt. Daneben wurden aber auch einige zusätzliche Anhaltspunkte, sogenannte Komplexitätsmaße, erfasst, um eine sinnvolle Analyse der Zeichnungen zu ermöglichen. Das waren beispielsweise der Schriftkopf, der oft wichtige Details zum Material oder zur Materialnummer enthält, oder Symbole, die Aufschluss über die Oberflächenbeschaffenheit geben, erklärten die VRVis-Projektverantwortlichen Lisa Kellner und Martin Riegelnegg im Gespräch mit APA-Science.

Älteste Zeichnung war von 1949
Zur Entwicklung eines Prototyps für die automatisierte Auswertung wurde eine Auswahl an Zeichnungen unter die Lupe genommen, wobei die älteste von 1949 war. Bei aktuellen Dokumenten würde man sich eher darauf verlassen können, dass sie gewissen Standards folgen, so Riegelnegg. Probleme bereiten vor allem Artefakte, die zum Beispiel durch Scannen entstehen, Linien, die verschwinden oder nicht gerade verlaufen, Pfeile, die in uneindeutige Richtungen zeigen, oder Text, der kaum lesbar ist. Eingesetzt wurden Bildverarbeitung und Mustererkennung sowie Texterkennung und Text Mining.
Der Prototyp funktioniere bereits sehr gut, wenngleich nicht alle Herausforderungen abgedeckt werden. So seien Zeichnungen, die den Zusammenbau in mehreren Teilen darstellen, oder sogenannte Bruchlinien, bei denen die Linie nicht durchgehend bemaßt ist, vorläufig ausgeschlossen worden. Das System, bei dem Machine Learning-Algorithmen zum Einsatz kamen, wurde den Angaben zufolge als modulare Pipeline aufgesetzt. So lasse sich auch nachträglich relativ einfach an einzelnen Stellen schrauben, um die Ergebnisse zu verbessern.
Probleme bei der Texterkennung, etwa „Ist das ein Dreier oder ein Achter?“, könnten ausgeglichen werden, indem man unter Kenntnis des Maßstabs direkt im Bild misst. Die Ergebnisse seien für diesen Anwendungsfall sehr gut: „Über alle Maße gerechnet liegen wir im Schnitt nur 0,7 Prozent daneben. Das reicht, um abzuleiten, ob das Ersatzteil in den 3D-Drucker oder ein anderes Gerät passt und wie viel es ungefähr kostet“, erläuterte Riegelnegg. Die Informationen wurden vom Projektpartner Fraunhofer Austria in einem Data Hub zusammengeführt, der eine Bewertung ermöglicht, ob sich die jeweiligen Ersatzteile aus ökonomischer und ökologischer Sicht für additive Fertigung, also 3D-Druck, eignen.
Folgeprojekt zum großflächigen Einsatz
Aufbauend auf den bisherigen Ergebnissen soll im Folgeprojekt AM2Scale der Schritt zum großflächigen Einsatz in den Betrieben gemacht werden. „Es hat auch schon Experimente gegeben, eine digitale 3D-Rekonstruktion von den Objekten zu erstellen“, so Kellner. Ein Abbild des Ersatzteils, beispielsweise eines Türgriffs – in 3D anstatt einer 2-dimensionalen Zeichnung – helfe bei der Bestimmung des Volumens, wodurch wiederum die Kosten wesentlich besser eingeschätzt werden könnten.
Ein weiteres Ziel sei eine mobile Anwendung, über die gleich die technische Zeichnung in der Datenbank abgerufen werden kann, wenn bei der Instandhaltung vor Ort ein Mangel festgestellt und fotografiert wird. Dann lasse sich auch zeitnah die additive Fertigung anstoßen. „Das wäre die ganze Kette von der realen in die abstrakte Welt, 3D-Druck und wieder zurück in die reale Welt“, sagte Riegelnegg. Theoretisch könnte man auch Teile, bei denen etwas abgebrochen ist, zum Beispiel durch hybride Fertigung wieder reparieren.
