Forum Alpbach: Neue Technologien brauchen mehr Geld und Fachkräfte
In Österreich und Europa stehen zur Weiterentwicklung anspruchsvoller Technologien wie Quantencomputer und Krebsimmuntherapie zu wenig ausgebildete Fachkräfte und langfristiges Risikokapital zur Verfügung, sagten Experten im APA-Gespräch anlässlich einer Diskussion zu "Deep-Tech-Innovation" beim Europäischen Forum Alpbach. Firmen in Bereichen mit größeren technischen und wissenschaftlichen Hürden (Deep-Tech-Start-ups) würden dadurch gegenüber der US-Konkurrenz benachteiligt.
"In der Grundlagenforschung sind wir in Europa beim Quantencomputing enorm stark und haben viele universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in diesem Bereich", sagte Robert Axmann von der "DLR Quantencomputing-Initiative" des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Allerdings sei es "sehr herausfordernd", diese Technologien auszubauen und in Start-ups, Mittelstand und Industrie weiterzuentwickeln und zu skalieren. "Dazu braucht es eine längerfristige Perspektive", sagte Axmann. Hier könne der Staat als "Ankerkunde" Akzente setzen.
Langfristiges Denken fehlt
"Wir haben enorm viel Wissen, aber das langfristige Denken fehlt uns, dass wirklich disruptive Innovationen, die grundlegend Neues bringen, zehn Jahre Investment bedeuten", erklärte Daniela Buchmayr, von der Firma Sarcura in Klosterneuburg (NÖ): "Dort entwickeln wir auf Halbleiterbasis sehr komplexe Chips, die nicht nur Daten prozessieren, sondern tatsächlich auch Zellen und Fluide (Flüssigkeiten, Anm.)." Damit wolle man die aktuellen Zelltherapien "industrialisieren", die derzeit um viel Geld auf die einzelnen Patientinnen und Patienten zugeschnitten werden müssen. Der Bedarf dafür wäre riesengroß, aber die Entwicklung sehr kostenintensiv.
Für die frühen Entwicklungsphasen ist es in Europa weitaus schwieriger als in den USA, ausreichend Risikokapital zu lukrieren, sagten die beiden Experten. Vor allem fehle es aber an der langfristiger Bereitstellung solcher Mittel. "Quantencomputing ist ein Marathon, kein Sprint, wo man alle Probleme in zwei bis drei Jahren lösen kann", so Axmann: "Die Forschung wird uns wahrscheinlich über Jahrzehnte begleiten." Die ersten Start-ups, die nun in Europa am Werke sind, bräuchten Kontinuität, um eine reelle Chance zu haben zu wachsen, und einen Markt für ihre Produkte zu entwickeln. "Es wird halt mal diese Sau durchs Dorf getrieben, mal die andere", sagte Buchmayr. Jedes Jahr Geld für sich ständig ändernde Prioritäten zur Verfügung zu stellen, sei nicht zielführend, sondern es bräuchte ein langfristiges Commitment für solche heißen Forschungsthemen.
"In vielen europäischen Staaten wie Deutschland und Österreich ist zudem die Menge der Fachkräfte begrenzt", sagte Axmann: "Zum Beispiel beim Quantencomputing müssen wir viel mehr aus- und weiterbilden." Im DLR gibt es dafür das "Quantum Fellowship Program" für Doktoranden im Bereich Quantencomputing. Allerdings fehle es noch immer an grundständigen Studiengängen in diesem Bereich. Das Fachpersonal bestünde mehrheitlich aus Physikern, die sich erst im Laufe ihrer Ausbildung und Karriere darin vertiefen. "Wir brauchen mehr Leute aus den Ingenieurwissenschaften, aus der Elektronik und Informatik, die Quantenalgorithmen entwickeln können und somit die Quantencomputer nutzbar machen", sagte Axmann. In all diesen Studiengängen müsse "eigentlich schon mehr getan werden, um die Leute entsprechend an das Thema heranzuführen". Gleichzeitig sollte man mehr in die Weiterbildung der bereits in der Industrie tätigen Fachkräfte investieren, damit sie Quantencomputer (weiter-)entwickeln können.
Service: "Deep-Tech-Innovation - die Gestaltung der Zukunft Europas" beim Europäischen Forum Alpbach: https://www.alpbach.org/de/sessions/deep-tech-innovation
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