Ein Großteil des Abflusses der Alpenflüsse ist älter als ein Monat
Eine neue Studie, veröffentlicht in Hydrology and Earth System Sciences, liefert neue Erkenntnisse über die Alterszusammensetzung in den österreichischen und schweizerischen Alpenflüssen. Die Forscher*innen der BOKU und der ETH Zürich verwendeten stabile Wasserisotope - den Fingerabdruck des Wassers - um die Ursprünge des Flusswassers präzise zu verfolgen.
Dazu wurden Datenreihen von monatlichen Isotopenmessungen über mehrere Jahre bis Jahrzehnte hinweg gesammelt, um die zeitliche und räumliche Variabilität in 32 Einzugsgebieten in den Alpen zu untersuchen. Die stabilen Wasserisotope in Niederschlag und Abfluss wurden genutzt, um den Anteil von "neuem Wasser", also aus kürzlich gefallenen Niederschlägen, zu analysieren. Die Studie Monthly new water fractions and their relationships to climate and catchment properties across Alpine rivers zeigt, dass der Großteil (durchschnittlich etwa 93 %) des abfließenden Wassers in den Alpenflüssen weitaus älter als einen Monat ist.
Außerdem wurde analysiert, wie sich Klima- und Landschaftseigenschaften auf die Altersverteilung in den Flüssen auswirken: in höher gelegenen Einzugsgebieten, steilen Gebieten mit großer Höhendifferenz und mit dementsprechend mit größerem Speichervolumen finden wir mehr altes Wasser. Speziell im Winter und in trockenen Perioden ist der Anteil an kürzlich gefallenem Niederschlag im Abfluss besonders gering. In feuchteren Zeiträumen finden man also mehr kürzlich gefallenen Niederschlag in den Flüssen, jedoch sind auch dann noch immer weit über 70 % des Abflusses älter als einen Monat. Das bedeutet, dass auch im Hochwasserfall nur ein geringer Teil des Abflusses aus kürzlich gefallenem Niederschlag besteht.
"Alte Wasser-Paradox"
Der "Alte Wasser-Paradox" in der Hydrologie beschreibt die überraschende Beobachtung, dass während Regenfällen oder der Schneeschmelze der Großteil des Wassers in Flüssen und Bächen nicht aus dem aktuellen Niederschlag stammt, sondern aus "altem Wasser", das bereits Wochen, Monate oder sogar Jahre im Einzugsgebiet gespeichert war. Dies ist paradox, da man erwarten würde, dass hauptsächlich das kürzlich verfügbare Wasser (aus Niederschlägen und Schneeschmelze) im Abfluss landet. Das ist allerdings nicht der Fall, denn aus Beobachtungen weiß man, dass das neue Wasser versickert und altes Wasser, das bereits im Boden oder Grundwasser gespeichert ist, aus dem Untergrund verdrängt wird und dann in die Flüsse gelangt. Neues Wasser nimmt oft längere Wege durch die Landschaft, während das alte Wasser, das bereits näher am Fluss gespeichert ist, schneller mobilisiert wird und bei Starkregenereignissen dann zu Hochwasser führt. Diese Erkenntnisse sind nicht neu, jedoch werden diese Prozesse in der neuen Studie das erste Mal für die großen Flüsse in Österreich und der Schweiz systematisch analysiert und aufzeigt.
Auswirkungen auf das Wassermanagement
Die Ergebnisse der Studie sind besonders wichtig für Wassermanager*innen und Planer*innen in den Alpenregionen. Der Hauptautor der Studie, Dr. Marius Floriancic von der ETH Zürich erklärt: "Unsere Forschung unterstreicht die Bedeutung sowohl klimatischer als auch gebietsbezogener Merkmale für die Alterszusammensetzung in den Alpenflüssen. Ein Verständnis der Dynamiken von neuem Wasser ist entscheidend, um vorherzusagen, wie sich die Wasserverfügbarkeit und Wasserqualität unter verschiedenen Klimaszenarien und Landnutzungen ändern könnte.". Prof.in Christine Stumpp von der BOKU University betont die Wichtigkeit der Wasserisotope als natürliche Tracer: "Wasserisotope geben uns entscheidende Information über das Alter des Wassers, wo es herkommt und über hydrologische Prozesse. So konnten wir zeigen, dass ein Großteil des Wassers in den Flüssen alpiner Regionen aus unterirdischem Wasser stammt; also aus Wasser, das in Böden und im Grundwasser gespeichert war. Diese Kenntnisse zur Herkunft und Alter des Wassers sind entscheidend, um das Gefährdungspotenzial von Wasserressourcen abzuschätzen zu können."
Dieses Wissen kann bei der Entwicklung von Anpassungsstrategien helfen, um eine zuverlässige Wasserversorgung in Zeiten des Klimawandels sicherzustellen. Besonders entscheidend ist dementsprechend eine ausreichende Speicherung von Niederschlägen im Untergrund. Boden und Grundwasser fungieren als Hochwasserpuffer und nur wenn genügend Speichervolumen vorhanden ist, kann auch Wasser zwischengespeichert werden.
Zur Studie: https://doi.org/10.5194/hess-28-3675-2024
Wissenschaftlicher Kontakt: Dr. Marius Floriancic Institute of Environmental Engineering Institute of Agricultural Sciences ETH Zürich floriancic@ifu.baug.ethz.ch Tel +41 44 63 3 39 92 Univ.Prof.in Dr.in Christine Stumpp Institut für Bodenphysik und landeskulturelle Wasserwirtschaft BOKU University christine.stumpp@boku.ac.at Tel +43 1 47654 81511
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