Ruth Wodak erhält Watzlawick-Ehrenring 2022 der Wiener Ärztekammer
Die Sprachwissenschafterin Ruth Wodak erhält den Paul-Watzlawick-Ehrenring 2022 der Wiener Ärztekammer. "Die Forschungen von Ruth Wodak sind heute aktueller denn je, müssen wir doch in unseren Tagen wieder schmerzhaft erleben, wie aggressive politische Rhetorik in Gewalt und Krieg münden", erklärte Juryvorsitzende Elisabeth Nöstlinger-Jochum in einer Aussendung. Verliehen wird die Auszeichnung im Herbst.
Die 71-jährige Sprachsoziologin wurde durch ihre kritische Diskursanalyse bekannt und erlangte durch ihre Arbeiten zu Kommunikation in Institutionen, Identitätspolitik, Gender Studies, politischen Diskursen, Populismus und Vorurteilsforschung internationale Anerkennung. Dabei untersuchte sie nicht nur Phänomene wie die Konstruktion nationaler und europäischer Identitäten oder Diskurse über Neutralität. Immer wieder entlarvte sie auch Rassismus, Antisemitismus, Frauen- und Fremdenfeindlichkeit - Vorurteile, gegen die sie mit aller akademischen Autorität und wissenschaftlichen Analysen ankämpfte. Unter anderem analysierte Wodak die politische Rhetorik und antisemitische Argumentation im Zuge der "Waldheim-Affäre".
In London geboren
Ihre Hingabe zur Wissenschaft und ihr scharfe politische Geist wurden der am 12. Juli 1950 in London geborenen Wodak praktisch in die Wiege gelegt. Ihre Mutter war Chemikerin, die an der Uni Wien studiert hatte, aber 1938 von den Nazis vertrieben wurde und ihr Doktorat erst in England abschließen konnte. Ihr Vater war engagierter Sozialdemokrat, der im Zweiten Weltkrieg britischer Soldat war und nach dem Krieg in den Diplomatischen Dienst Österreichs eintrat. So wuchs Wodak in verschiedenen Städten wie Belgrad, Paris, Moskau und Wien auf.
1968 begann sie an der Uni Wien Slawistik und Sprachwissenschaft zu studieren und wurde 1974 Sub Auspiciis Praesidentis promoviert. Sie arbeitete am Institut für Sprachwissenschaften der Uni Wien, habilitierte sich 1980 und wurde zehn Jahre später Ordinaria für Angewandte Sprachwissenschaften in Österreich. 1996 erhielt Wodak als erste Frau und Sozialwissenschafterin die höchstdotierte österreichische Auszeichnung für Spitzenwissenschafter, den Wittgenstein-Preis. 2004 wechselte sie an die Universität Lancaster, wo sie bis heute als emeritierte Professorin wirkt. Wodak hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, seit 2020 ist sie Ehrensenatorin der Universität Wien, 2022 wurde ihr der Bruno-Kreisky-Preis für das publizistische Gesamtwerk verliehen.
Der Ehrenring wird laut Ärztekammer an Persönlichkeiten verliehen, die in ihrem Werk und in ihrer Forschung jenen disziplinübergreifenden, humanistischen Ansatz verfolgen, der den österreichischen Kommunikationstheoretiker, Psychotherapeuten und Mitbegründer der Theorie des radikalen Konstruktivismus Paul Watzlawick (1921-2007) auszeichnete. Bisherige Preisträger waren u.a. Rüdiger Safranski, Friedrich Achleitner, Ruth Klüger, Konrad Paul Liessmann, Franz Schuh, Ulrike Guérot und Robert Pfaller. Im Vorjahr erhielten die Komplexitätsforscher Peter Klimek und Stefan Thurner die Auszeichnung.