Ältere Menschen spenden mehr, aber an inländische Empfänger
Ältere Menschen zeigten sich in der Pandemie eher bereit als Jüngere, an wohltätige Organisationen zu spenden, die Covid-Opfern helfen. Sie hielten sich auch stärker an Maßnahmen zur sozialen Distanzierung. Allerdings würden sie im Vergleich zu Jüngeren ihr Geld eher an Einrichtungen im eigenen Land geben. Das zeigte eine Befragung von rund 46.000 Menschen aus 67 Ländern am Beginn der Coronakrise, darunter rund 1.000 aus Österreich.
Die Untersuchung, deren Ergebnisse nun im Fachblatt "Nature Aging" erschienen, war mit der am Beginn der Krise im April und Mai 2020 durchgeführten Befragung dem prosozialen Verhalten auf der Spur. Dem internationalen Team gehörten auch Claus Lamm und Jonas Nitschke von der Fakultät für Psychologie der Universität Wien als Ko-Autoren an. Im Zusammenhang mit der Coronakrise stellte sich ja die paradoxe Situation ein, dass die Vermeidung direkter sozialer Kontakte plötzlich zum "sozialeren" Verhalten wurde. Dementsprechend wurde in der Befragungsstudie, an der die Universitäten Birmingham und Oxford (beide Großbritannien) federführend beteiligt waren, auch erfasst, wie sehr Menschen bereit waren, sich an die Maßnahmen zur sozialen Distanzierung zu halten.
Frauen und Ältere prosozialer
In nahezu allen Ländern, in denen die Studie durchgeführt wurde, entpuppten sich ältere Menschen als tendenziell prosozialer als jüngere Semester. Das galt sowohl dafür, sich nach Eigenangaben mehr an die "Distancing"-Maßnahmen zu halten, als auch für die Spendenbereitschaft. Um letzteres zu erfassen, gaben die Wissenschafter den Untersuchungsteilnehmern einen hypothetischen Geldbetrag, der in etwa dem Gehalt entsprach, den man im jeweiligen Land im Schnitt pro Tag verdient. Es folgte die Frage, ob sie etwas davon auch einer wohltätigen Organisation, die sich um Opfer der Pandemie kümmert, spenden würden. Die Teilnehmer hatten überdies die Möglichkeit zur Wahl zwischen einer inländischen oder ausländischen Einrichtung.
Insgesamt zeigten sich Frauen prosozialer als Männer. Aber vor allem ältere Menschen erklärten sich im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen öfter bereit zu spenden und würden auch mehr Geld weitergeben. Dieses Ergebnis entpuppte sich als erstaunlich robust über die Länder hinweg. Auch wenn die Forscher etwa das Vermögen der Menschen berücksichtigten, änderte sich nichts entscheidend am Gesamtbild.
Spenden für Zwecke im eigenen Land
Unterschiede zeigten sich allerdings bei der Spendenbereitschaft für nationale und internationale Wohltätigkeitsorganisationen. "Ältere Menschen spenden viel eher für einen Zweck in ihrem eigenen Land - das gilt für die meisten Länder in unserer Studie", so die Hauptautorin der Studie Jo Cutler von der University of Birmingham.
Die Ergebnisse aus Österreich liegen hier "ziemlich genau in der Mitte" im Vergleich zu den internationalen Ergebnissen, erklärte Lamm im Gespräch mit der APA. Ausreißer wie etwa China und Indien könne man sich wahrscheinlich mit wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Systemunterschieden erklären.
Warum das prosoziale Verhalten im Alter zunimmt
Die Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Menschen seien zwar nicht sehr groß, aber eben erstaunlich einheitlich. Noch dazu hat erst kürzlich eine Gruppe um die als Letztautorin an der groß angelegten Studie beteiligte Patricia L. Lockwood in einer Laborstudie ebenfalls gezeigt, dass das prosoziale Verhalten im Alter zunimmt. Trotz mancher Einschränkungen wertet Lamm beide Ergebnisse als starkes Anzeichen dafür, "dass das auch im echten Leben offensichtlich eine gewisse Relevanz hat".
Zusammenhängen dürfte dies damit, dass viele ältere Menschen in unserem Kulturkreis im Leben im Gegensatz zu jungen Menschen recht gut dastehen. Da lässt es sich dann offensichtlich auch leichter freigiebig sein. Andererseits könnten in höherem Alter um die 70 und darüber, in dem die Effekte in der Studie auch am stärksten zu sehen waren, schon Gedanken an das Lebensende dazu führen, dass man mehr das soziale Umfeld als das egoistische Fortkommen im Blick hat, so Lamm.
Eine Frage sei auch, ob es im Alter vielleicht psychologisch sinnvoller erscheint, sich zumindest prosozialer darzustellen, weil man sich dafür eine Gegenleistung und Unterstützung der unmittelbareren Umgebung erhofft. Das könne wiederum erklären, warum ältere Menschen hier eher an Hilfsorganisationen spendeten, die im eigenen Land tätig sind, so der Kognitionspsychologe.
Einen anderen Aspekt um Spendenbereitschaft im Corona-Modus haben kürzlich Forscher um die Finanzwissenschaftlerin Esther Blanco von der Universität Innsbruck im Fachmagazin "Frontiers in Psychology" untersucht: In ihrem Experiment zeigte sich, dass Menschen trotz des omnipräsenten Themas "Covid-19" sehr wohl auch noch bereit waren, Geld für soziale und politische Anliegen wie Umweltschutz oder den Kampf gegen die Armut bereitzustellen.
Service: Die Studie in "Nature Aging" und die Laborstudie: https://dx.doi.org/10.1038/s43587-021-00118-3 und https://doi.org/10.1177/0956797620975781; Das Paper in "Frontiers in Psychology": https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.743054