Fachärzte für Screening auf oft unerkannte Nierenschwäche
Geschätzt jeder zehnte Mensch in Österreich leidet an Nierenschwäche. "Chronische Niereninsuffizienz ist eine leise, stille Erkrankung" und bleibt oft unerkannt, betonte der Mediziner Marcus Säemann auf einer Pressekonferenz der Pharmakonzerne AstraZeneca und Bayer am Donnerstag, dem heurigen Weltnierentag. Bei ersten Symptomen kann die Erkrankung schon weit fortgeschritten sein, stärkster Risikofaktor ist Diabetes. Säemann fordert mehr Bewusstseinsbildung und ein Screening.
Neben Diabetes stellen Übergewicht, Bluthochdruck, kardiovaskuläre Erkrankungen und familiäre Vorbelastung ein Risiko für Nierenschwäche dar, berichtete der Abteilungsvorstand der 6. Medizinischen Abteilung mit Nephrologie und Dialyse der Wiener Klinik Ottakring. Als erste Symptome sind Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Juckreiz oder Kopfschmerzen möglich.
Nierenschwäche kann man leicht diagnostizieren
Dabei ist bei Niereninsuffizienz "die Diagnostik eine relativ einfache", sagte Säemann. Es gehe um Kreatinin im Blut und Eiweiß im Harn. Mit diesen zwei Werten lasse sich die Krankheit feststellen und klassifizieren, in welchem Stadium sich die Patientin oder der Patient befindet. Damit könnten früh beginnende Nierenschäden identifiziert werden, sprach er sich als Vorsitzender der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie (ÖGN) für ein Screening ab dem 60. Lebensjahr sowie bei Risikogruppen aus.
Durch die Erkrankung ist das "Risiko für eine Herzinsuffizienz und kardiovaskulären Tod drastisch erhöht", betonte Säemann. "Viele Patienten schaffen es gar nicht ins Dialysestadium, sondern sterben vorher." Je früher eine Nierenschwäche erkannt werde, desto besser. Dabei gab es zuletzt Fortschritte in der Behandlung. "Es hat sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass wir nicht nur in der Lage sind, den Nierenschaden zu verlangsamen, sondern möglicherweise aufzuhalten", sagte der Nephrologe. Es gebe auch erste Hinweise auf Rückbildungen der Schädigungen.
"Diabetes ist auch eine sogenannte leise Erkrankung und über Wochen, Monate oder Jahre nicht zu spüren", sagte Martin Clodi, Vorstand der Abteilung Innere Medizin am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz. Hochgerechnet sterben fast 11.000 Menschen in Österreich jedes Jahr durch Diabetes und dadurch verursachte Komplikationen, berichtete der Präsident der Österreichischen Diabetesgesellschaft. "Je eher wir eine Therapie einleiten, können wir Diabetes und Begleiterkrankungen um 50 bis 60 Prozent reduzieren". Risikopersonen mit Übergewicht und familiärer Vorbelastung sollten bei Blutuntersuchungen auch den HbA1c-Wert bestimmen lassen, riet Clodi.
Es sei in der Bevölkerung "unterschätzt, was die Niere für Funktionen hat und wofür sie verantwortlich ist", berichtete Ursula Charwat von der "Selbsthilfe Niere". Bei ihr sei es so, dass die Entgiftung nicht mehr funktioniert habe. Mittlerweile lebt die 49-Jährige mit der zweiten Spenderniere. AstraZeneca und Bayer starteten deshalb die Aufklärungskampagne "Die Niere leidet leise" mit mehreren Sujets. Diese wird von der ÖGN als Gesellschaft für Nierenerkrankungen unterstützt.