Bundesland Salzburg in "Digitale Erinnerungslandschaft" aufgenommen
Die interaktive Österreich-Karte des im Jahr 2019 gestarteten Gedenkprojekts "Digitale Erinnerungslandschaft" (DERLA) ist um einen weiteren weißen Fleck bereinigt: Seit Montag ist auf der Plattform auch das Bundesland Salzburg mit fast 800 Gedenkzeichen vertreten, die im öffentlichen Raum an die Opfer des Nazi-Terrors erinnern. Dazu wurden 770 Biografien von Verfolgten oder Ermordeten online gestellt. Nun fehlen noch Ober- und Niederösterreich und ein kleiner Teil von Wien.
DERLA will vollständig alle Erinnerungsorte und -zeichen für die Opfer der NS-Zeit in Österreich dokumentieren. Das können Denkmäler, Mahnmale, Gedenktafeln, Stolpersteine oder Gräber sein, Straßen und Plätze, die nach NS-Opfern benannt worden sind, aber auch Orte wie Konzentrationslager oder Gestapo-Haftzellen. "Wir wollen zeigen, dass Geschichte vor Ort stattgefunden hat, nicht nur irgendwo an abgeschlossenen Orten wie Mauthausen", betonte Gesamtprojektleiter Gerald Lamprecht von der Universität Graz bei der Präsentation in Salzburg. "Die Geschichte der Verfolgung fand in der Nachbarschaft statt. Die Geschichte des Holocausts ist eine Geschichte von hier."
Für den Salzburg-Teil von DERLA hat ein Team der Paris Lodron Universität Salzburg 15 Monate lang an der Dokumentation gearbeitet. Die derzeit 782 Erinnerungszeichen im Bundesland wurden dabei mit den Biografien von 770 Opfern verknüpft, die ebenfalls auf der Plattform abrufbar sind. Nur ein Bruchteil dieser Menschen - 88 an der Zahl - hat den Holocaust überlebt. Das Gros von ihnen wurde zwischen 1938 und 1945 ermordet. Die Datenbank macht nun die Schicksale der Opfer sichtbar, vermittelt Wissen über sie und zeigt, was ihnen angetan wurde.
Angebot richtet sich auch an Schulen
"Mit dem Ableben zahlreicher Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sind deren Berichte über die NS-Zeit für immer verstummt", erklärte der Historiker Robert Obermair, einer der Projektleiter für Salzburg. "Mit der Plattform haben nachkommende Generationen die Möglichkeit, sich über lokale Aspekte des Nationalsozialismus zu informieren." Dabei sollen ausdrücklich auch Schülerinnen und Schüler angesprochen werden. Lehrkräfte können in der Nähe ihrer Schulen nach Erinnerungszeichen suchen und im Unterricht erarbeiten, was in der NS-Zeit in der unmittelbaren Umgebung passiert ist.
Von den ins DERLA-Personenverzeichnis aufgenommenen Personen in Salzburg fiel rund ein Drittel (229 Ermordete) der NS-"Euthanasie" zum Opfer, gefolgt von Salzburger Juden und Jüdinnen mit insgesamt 158 Ermordeten. Die drittgrößte Gruppe stellen Widerstandskämpferinnen und -kämpfer dar, wobei der größte Teil einem kommunistischen, sozialistischen bzw. sozialdemokratischen Milieu entstammte. Vertreten ist auch der religiöse Widerstand: Priester, die gegen das NS-Regime aufbegehrten, oder Zeugen Jehovas, die den Wehrdienst verweigerten. Weiters finden sich unter den Opfern Mitglieder der Vaterländischen Front, Anhängerinnen und Anhänger des austrofaschistischen Regimes, Homosexuelle, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Roma/Romnja und Sinti/Sintizze, Deserteure sowie sogenannte "Asoziale".
603 Gedenkzeichen in der Landeshauptstadt, sieben im Lungau
Das Forschungsprojekt zeigt auch auf, dass ein umfassender Teil der Salzburger Erinnerungszeichen erst ab dem Jahr 2000 errichtet wurde. Die meisten Gedenkzeichen liegen mit 603 in der Stadt Salzburg. Der Bezirk mit den aktuell wenigsten Erinnerungszeichen ist der Lungau: Hier wurden zwischen 1945 und 2024 sieben Gedenkzeichen umgesetzt. Im Bundesland machen übrigens die in Salzburg erstmals im Jahr 2007 verlegten "Stolpersteine" drei Viertel der Erinnerungszeichen aus.
Neben diesen im Boden verlegten Gedenksteinen finden sich am zweithäufigsten Gedenktafeln. Zwischen 1945 und 2024 wurden in Salzburg insgesamt 65 Gedenktafeln enthüllt. Häufig vertreten sind auch Denkmäler wie das 1949 eingeweihte Denkmal für sowjetische Kriegsopfer und anderer Nationen am Kommunalfriedhof in der Landeshauptstadt. Straßen- sowie Wegumbenennungen wurden bisher 42-mal dokumentiert.
DERLA ist ein Kooperationsprojekt des Centrums für Jüdische Studien und des Instituts für digitale Geisteswissenschaften an der Uni Graz sowie des ÖAD-Programms "erinnern.at". Es wird maßgeblich vom Bildungs- und Wissenschaftsministerium unterstützt.
Service: www.erinnerungslandschaft.at. Eine Zusammenfassung über die Arbeit des Teams der Universität Salzburg findet sich unter https://go.apa.at/CWZKtY7b