Gartlehner: Lockdown wirkt, aber alles für Impfung tun
Der Epidemiologe Gerald Gartlehner ist davon überzeugt, dass mit dem von der Regierung angekündigten harten Lockdown ab Montag die vierte Welle gebrochen werden kann. Darüber hinaus müsse man aber wirklich umsetzen, was bei der Pressekonferenz angekündigt wurde, "nämlich alles zu tun, dass geimpft wird - sowohl der dritte Stich als auch die noch nicht erfolgten Erststiche. Sonst haben wir im Jänner oder Februar sicher wieder die nächste Welle", sagte Gartlehner zur APA.
Im Vorjahr hat die Regierung etwa zur gleichen Zeit ebenfalls einen dreiwöchigen harten Lockdown bis 6. Dezember verhängt, wenige Wochen später musste am 26. Dezember im dritten Lockdown erneut das öffentliche Leben völlig heruntergefahren werden. Ob die Gefahr bestehe, dass sich dies heuer wiederholt, "wird sehr davon abhängen, wie aktiv die Regierung jetzt ist, um zu schauen, dass die Impfquote wirklich raufgeht", erklärte der Experte für Evidenzbasierte Medizin von der Donau-Universität Krems. Sollte das nicht gelingen, "gehen wir sehenden Auges in die nächste Welle und den nächsten Lockdown". Gartlehner betont dabei, dass "die Situation, in der wir jetzt sind, nichts Schicksalhaftes ist, sondern die Konsequenz einer Serie von Versäumnissen der letzten Monate".
Investition in die nahe Zukunft
Dass die Regierung am Freitag einen bundesweiten Lockdown verhängt hat, kam für den Experten angesichts der doch deutlich niedrigeren Inzidenzen in Wien und dem Burgenland ein wenig überraschend, "da spielt sicher die Solidarität eine große Rolle". Man müsse es als Investition in die nahe Zukunft sehen, und Wien und das Burgenland sollten sich im Vergleich zu Salzburg und Oberösterreich leichter tun, die Zahlen runterzubringen und von niedrigem Niveau wieder zu starten. Bei der angekündigten Evaluierung des Lockdowns nach zehn Tagen werde man Effekte in den Infektionszahlen sehen, auf den Intensivstationen aber "ganz sicher nicht, da werden wir wahrscheinlich gerade den Höhepunkt erleben".
Bei der Bewertung der Entscheidung, die Schulen geöffnet zu halten, unterscheidet Gartlehner zwischen den Hochinzidenzgebieten Salzburg und Oberösterreich einerseits und vor allem dem Burgenland und Wien andererseits. "In Oberösterreich und Salzburg wäre es wahrscheinlich notwendig gewesen, die Schulen zu schließen, weil da ist wirklich Feuer am Dach." Dadurch werde es um einiges länger und schwerer, die Zahlen nach unten zu bringen. Dagegen könne man sich das in Wien und dem Burgenland schon leisten.
Mit dem dritten Stich aus der Welle
Bei den weiteren von der Regierung beschlossenen Maßnahmen abseits des Lockdowns hebt Gartlehner die dritte Auffrischungsimpfung schon nach vier Monaten hervor. "Da können wir sehr viel von Israel lernen, die mit dem dritten Stich aus der Welle herausgekommen sind." Damit schütze man nicht nur die Älteren, sondern könne das auch strategisch und gezielt nützen, um Jüngere zu impfen, und damit die Übertragungsketten zu unterbrechen. "Das muss nur endlich auch von einer guten Kampagne begleitet werden, weil bis jetzt habe ich keine öffentliche Kampagne wahrgenommen, die die Leute zum dritten Stich auffordert", so Gartlehner.
Bei der von der Regierung empfohlenen Empfehlung zum Homeoffice verweist der Experte auf die Schweiz, wo dies viel rigoroser umgesetzt wurde. Da habe es Homeoffice-Pflicht gegeben und man musste nachweisen, warum man nicht zu Hause arbeiten kann.
Hinsichtlich der angekündigten Impfpflicht betonte Gartlehner "grundsätzlich auch immer gegen eine allgemeine Impfpflicht" gewesen zu sein, "weil es schon ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit ist". Aber mittelfristig müsse man zwischen sich wiederholenden Lockdowns und Wellen oder der Impfpflicht wählen, wenn es nicht anders gehe und sich die Leute nicht freiwillig impfen lassen. "Aus gesellschaftlicher Sicht ist da wahrscheinlich die Impfpflicht das gelindere Mittel."