"Künstlerisch-wissenschaftliches Fest": "Alles Gute" für Jelinek
Es wurde ein langer Abend. Mit sechs neuen Videos und drei Gesprächsrunden wurde gestern, Dienstag, im Wiener Kosmos Theater Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek anlässlich ihres heutigen 75. Geburtstags gefeiert. Der Interuniversitäre Forschungsverbund Elfriede Jelinek der Universität Wien und der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK) hatte zu einem "künstlerisch-wissenschaftlichen Fest" geladen. Die Liste der Teilnehmer war lang, die Tribüne dicht besetzt.
Theaterleiterin Veronika Steinböck erinnerte zu Beginn daran, dass der frühere Kosmos Frauenraum am 15. Mai 2000 u.a. mit einer Rede Jelineks eröffnet wurde und zitierte aus dem damaligen Redetext sowie aus einem Text, den die Autorin im Lockdown des vorigen Jahres zum 20-Jahr-Jubiläum geschickt habe. Auch habe sie mit der Inszenierung ihres Stückes "Das Werk" von Claudia Bossard im Jänner 2020 "eine große Freude" gehabt, wie sie in einem E-Mail bekundete. "Wir sind am richtigen Ort, wie ich meine", schloss Steinböck.
"Wir wünschen Dir alles Gute, liebe Elfriede Jelinek", lauteten die chorisch gesprochenen "virtuellen Geburtstagsgrüße", die die Anwesenden anschließend unter der Anleitung von Pia Janke schickten. Diese Grüße werden freilich mit Verspätung ankommen: Es gab keine Live-Übertragung der Veranstaltung. Stattdessen wird eine Gesamtaufzeichnung des Abends am Nationalfeiertag, dem 26. Oktober, um 18 Uhr online gestellt. Janke, die Leiterin des Forschungsverbunds, übermittelte den Teilnehmenden vice versa die herzlichen Grüße der seit langem aus der Öffentlichkeit zurückgezogenen Autorin. "Sie freut sich sehr über diese Veranstaltung und dankt allen dafür."
Videos als Höhepunkt des "künstlerisch-wissenschaftlichen Festes"
Besonders habe der Autorin das Konzept gefallen, sechs jüngere Autorinnen und Autoren dazu einzuladen, sich mit von ihnen ausgewählten Jelinek-Texten auseinanderzusetzen und sie nicht nur zu überschreiben, sondern dazu auch Kurzvideos zu gestalten. Die Videos wurden zum Höhepunkt dieses "künstlerisch-wissenschaftlichen Festes", das unter dem Titel "Jelineks Wien. Literarische Topographien" vor allen "Jelineks Spannungsverhältnis zu Wien, der Stadt ihrer Sozialisation und zentraler politischer und ästhetischer Auseinandersetzungen" behandelte.
Als zentrale Jelinek-Orte in Wien wurden das Konservatorium der Stadt Wien (die heutige MUK), wo elf Jahre lang Jelinek Orgel, Klavier und Komposition studierte, der Ballhausplatz, das Burgtheater, die Steinhof-Gründe (u.a. hatte sich die Autorin literarisch mit der Euthanasie an der Spiegelgrund-Klinik auseinandergesetzt), der Zentralfriedhof (symbolisch für das Untoten- und Vampir-Motiv in ihrem Schreiben) sowie der Prater (u.a. als Ort ihrer Kindheit) ausgemacht. In der Diskussion kam vor allem das Café Museum hinzu, wo Jelinek sich gerne - oft im Kreis von Freundinnen wie Elfriede Gerstl, Elfriede Czurda oder Marie-Therese Kerschbaumer - vor ihrem Rückzug aus der Öffentlichkeit aufhielt. "Das Café war für sie ein Ort der Zuflucht", sagte die Regisseurin Eva Brenner, die im übrigen aber Jelineks "zunehmende Resignation" nicht teilen wollte.
Mit einem eindrucksvollen Video von Sophie Reyer, die sich an einem Klavier schmerzhaft mit dem "Vampirismus der Kindheit" auseinandersetzte, und einem "Go further Krähokalypse hoch ehest zerhacken" genannten Musikvideo Lydia Haiders, bei dem der Bildschirm von einem durchlaufenden Text-Schriftband in Frakturschrift geteilt wurde, wurde der Abend künstlerisch gestartet. Es folgte ein verspieltes "Kaffeekränzchen" von Miroslava Svolikova als Tassen-, Finger- und Text-Ballett. Clemens J. Setz hatte ein Video-Selfie aufgenommen, in dem er sich in einem "Detail zu einer Winterreise" an einen Kindheitsbesuch bei seinem in einer psychiatrischen Klinik untergebrachten Großvater erinnerte und damit indirekt auch auf Jelineks Vater verwies, der 1969 in einer psychiatrischen Klinik in geistiger Umnachtung starb. Weiters standen Videos von Raphaela Edelbauer ("Wenn man mit dem 71er fährt") und Thomas Köck ("Happy Birthday! (from childhood to childhood and back)") auf dem Programm.
"Der Abend und die Beiträge sind nicht zuletzt auch eine künstlerische Hommage an die prägende Kraft Elfriede Jelineks", hatte man angekündigt. Zumindest für die Videos galt dies uneingeschränkt.
Service: https://ifvjelinek.at/