Forum Alpbach - Kulturwissenschafterin: Angst vor Klimakrise fehlt
"Klimaangst" wäre aktuell durchaus angebracht, meint die Kulturwissenschafterin er Medizin-Uni Wien unter anderem eine "praxisnahe Ausbildung unter Einbindung sozialer, ethischer und emotionaler Aspekte im APA-Gespräch anlässlich einer Veranstaltung beim Europäischen Forum Alpbach: "Außer einem rhetorischen Lamento scheint kaum jemand vor dem Klimawandel die gleiche Art Angst zu haben, wie sie große Teile der Bevölkerung vor steigenden Preisen, Krieg, sozialem Abstieg, Unfällen, Migranten und Migrantinnen haben." Sie plädierte dafür, die Klimakrise als Sicherheitsproblem zu verstehen.
"Mein Eindruck ist, dass es kaum gelingt, aus dem abstrakten Befund des Klimawandels etwas zu machen, auf das wir affektiv reagieren", so Horn, die am Institut für Germanistik der Universität Wien u.a. zu den Themen "Narrative der Katastrophe" und "Konzeptualisierungen von Klima" forscht, anlässlich einer Expertendiskussion zum Thema "Von 'Klimaangst' zu konstruktivem Handeln" in Alpbach. Sie verglich die "Klimaangst" mit der Einstellung gegenüber Krebs. "Natürlich haben wir Angst davor, aber wir tun kaum etwas, um diese Krankheit zu verhindern und beschäftigen uns nicht vordringlich damit", sagte die Forscherin. "Wir haben vielleicht eher zu wenig Angst als zu viel." Der Klimawandel würde zwar meist "mit dem Verstand" akzeptiert, lasse aber kaum Gefühle entstehen. "Gefühle ruft eher die Klimapolitik und die Klimagerechtigkeitsbewegung hervor", erklärte Horn. "Diesen wird wirklich unglaublich viel Hass und Wut entgegengebracht".
Sie würde immer wieder aufgefordert, "positive Narrative" zu erfinden oder "Patentrezepte zum konstruktiven Handeln" gegen die Klimakrise vorzulegen. "Aber das bringt nichts, wenn kaum jemand der Klimakrise wirklich Priorität einräumt", meint Horn. "Der Klimawandel ist kein Marketing-Problem." Problematisch sei vielmehr, dass er der Politik schwierige und harte Entscheidungen abverlangt. "Zum Beispiel, ob man der gegenwärtigen älteren Generation etwas Gutes tun will und die Pensionen erhöht, oder jenen helfen will, die noch zu jung zum Wählen oder noch gar nicht geboren sind", sagte sie. "Er wirft auch die Frage auf, ob wir bereit sind, vom Wirtschaftswachstum wegzukommen." Dadurch würden die Diskussionen auf einmal "sehr hart", und im Verhältnis zur Größe des Problems passiere sehr wenig.
Klimapolitik als Sicherheitspolitik auffassen
"Mein Vorschlag ist, die Klimapolitik eher als Sicherheitspolitik aufzufassen", sagte die Forscherin. "Wir sind ja durchaus dafür, dass es zivile Überwachung und mehr Polizei braucht, wenn mehr Terrorismus zu befürchten ist." Ebenso würden die Menschen befürworten, wenn man steigende Energiepreise bekämpft. "Bei diesen Themen quellen die Gefühle wirklich hoch, und ich denke, wir sollten den Klimawandel auch in dieser Weise als Sicherheitsproblem verstehen", meinte sie. "Die Probleme, die der Klimawandel bringen wird, sind nämlich Fragen der Sicherheit. Das geht von der Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln über Naturkatastrophen bis hin zur massiven Migration von Menschen, die heute an Orten leben, in denen man bald nicht mehr leben kann."
Ein "Klimarechnungshof", der etwa von den Unterzeichnern des Klimavolksbergehrens gefordert wurde, könnte dazu beitragen, "in den vielen Krisen, in denen wir uns befinden, politische Handlungsfähigkeit wiederherzustellen", sagte Milena Bister vom Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien. Im sozialwissenschaftlichen Projekt "Realfiktion Klimarechnungshof" testet sie derzeit mit Kollegen aus, was eine solche unabhängige staatliche Institution bewirken könnte, die Klimabilanzen unabhängig prüft.
Ein Klimarechnungshof sollte einerseits rückwirkend untersuchen, was einzelne gesetzliche Maßnahmen erreicht haben, und andererseits vorausschauend prüfen, welche geplanten Maßnahmen welches Potenzial zur Eindämmung der globalen Erwärmung haben, so die Forscherin: "Eine unabhängige Stelle, die solche Resultate liefert, böte wichtige Entscheidungsgrundlagen für die Politik, also die Handlungsträgerinnen und Handlungsträger sowie die Gesetzgebung."
Das Forschungsprojekt organisiere Zusammenkünfte unterschiedlicher Klimaexperten und der interessierten Öffentlichkeit, um die Wissensbasis für einen Klimarechnungshof nach Vorbild des bestehenden Rechnungshofs zu erarbeiten und die politische Diskussion rund um Klimakontrolle zu befördern, erklärte Bister: "Als Vorschlag ist der Klimarechnungshof daher schon heute wichtig für die demokratischen Prozesse in Zeiten des Klimawandels."
Service: Projekt "Realfiction Klimarechnungshof": www.klimarechnungshof.jetzt
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