Frauentag: Hardcore-Informatik "von Nerd-Dasein abrücken"
Die Informatikerin Ivona Brandić von der Technischen Universität Wien beschäftigt sich in ihrer Forschung mit der Frage, wie man Algorithmen entwickeln kann, die weniger Energie verbrauchen und damit nachhaltige Informationstechnologien ermöglichen. Bei der Berta Karlik-Lecture der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist sie heute, Mittwoch, Abend eine von vier Wissenschafterinnen, die anlässlich des Frauentages ihre Forschung präsentieren.
Die Professorin für High Performance Computing Systems, die sich selbst einem "Hardcore-Bereich der Informatik" zuordnet, weiß um die Schwierigkeiten, junge Frauen für die Computer- und Systemwissenschaften und universitäre Karrierewege zu gewinnen. Hilfreich wäre, so ihr Wunsch, über mehr Sichtbarkeit der Frauen auch "das Bild von Informatikerinnen in der Öffentlichkeit zu korrigieren und vom Nerd-Dasein abzurücken".
Forschung an nachhaltiger IT
Brandić, Mitglied der Jungen Akademie der ÖAW, hat schon früh in einem Bereich gearbeitet, der bis vor Kurzem wenig öffentliches Interesse erhielt: "Im High Performance Computing arbeiten wir mit großen Systemen: Clustern, die aus 10.000 Computern bestehen. Hier wussten wir bereits vor 20 Jahren, dass dies viel Strom kostet." Ausgelöst durch die Energiekrise sei nun das Interesse an ihrer Forschung in ihrem Umfeld gestiegen. "Es gibt plötzlich eine große Nachfrage danach, sich mehr als nur über die Leistung, Wartbarkeit oder Benutzbarkeit von Computern Gedanken zu machen, sondern auch über den Stromverbrauch und Einsparungspotenziale." Das sei zugleich die Faszination an Wissenschaft: "Über viele Jahre haben wir an etwas geforscht, ohne noch genaue Anwendungen vor Augen zu haben, und nun wird es plötzlich von der Gesellschaft gebraucht."
Brandićs Forschungsarbeit zu nachhaltiger IT setzt auf verschiedenen Ebenen an: Von Adaptionen bei der Hardware über das möglichst energieeffiziente Versenden von Datenpaketen bis hin zu Fragen, wie hoch etwa die Fehlertoleranz bei KI-Systemen zugunsten eines geringeren Energieverbrauchs sein kann: "Wenn man eine Auto-Erkennungssoftware hat, kann man sie so konfigurieren, dass sie mit 99,9-prozentiger Wahrscheinlichkeit das Auto erkennt. Vielleicht aber reichen auch 80 Prozent - das ist natürlich ein Trade-off: Wie weit kann man mit einer geringeren Genauigkeit leben?"
In einem aktuellen Projekt untersucht die Forscherin mit Blick auf Energieeinsparung Wege, welche Rechenschritte im Rahmen von molekularen Wirkstoffsimulationen von klassischen Computern und welche von Quantenrechnern ausgeführt werden sollten - "wir suchen die beste Arbeitsaufteilung, die unterschiedliche Architekturen einbezieht".
Öffentliches Bewusstsein steigern
Wie nutzen wir IT und was hat dies für einen ökologischen Fußabdruck? Das sei aber auch über den Kontext ihrer eigenen Forschung hinaus eine große Leitfrage, die mehr gesellschaftliches Bewusstsein einfordert. Live-Technologien, Flatrate, grenzenloses Streaming laden Nutzer ein, verhältnismäßig mehr zu konsumieren - ohne an den gesteigerten CO2-Fußabdruck, den die Nutzung mit sich bringt, zu denken. Dieser "Digital Rebound", so der Fachbegriff, sei in vielen Bereichen, besonders beim Streaming, ein großes Problem. "Wir müssen hier Bewusstsein schaffen." Kinder lernten heute schon früh, was eine Kalorie ist und wie viel Zucker man pro Tag maximal essen sollte. "Solche Maßeinheiten bräuchten wir auch in Bezug auf die Digitalisierung", so die Forscherin.
Mit der Veranstaltung am 8. März würdigt die ÖAW die Physikerin Berta Karlik (1904-1990) und ihre Leistungen und möchte zugleich ein Zeichen gegen Gender-Bias im heutigen Wissenschaftsbetrieb setzen. Nach dem Vortrag von Physiker Walter Kutschera stellen die Indologin Nina Mirnig, die Computerwissenschafterin Ivona Brandić, die Philosophin Patrizia Giampieri-Deutsch und die Biochemikerin Andrea Barta ihre Forschungsgebiete vor.
Service: ÖAW-Veranstaltung "Bertra Karlik-Lecture" am Mi, 08.03.2023, 17:30 mit Livestream http://go.apa.at/CZ5CFsqm