Jeder dritte Mittelschul-Abgänger hadert mit Bildungswegentscheidung
Am Ende der (Neuen) Mittelschule müssen Jugendliche über ihren weiteren Berufs- und Bildungsweg entscheiden. Ein Drittel weiß aber entweder nicht, wie es weitergehen könnte und bräuchte Rat, den Familie und Freunde möglicherweise nicht geben (können), oder hat wegen hoher Erwartungshaltungen und gleichzeitig zu wenig Unterstützung der Familie einen zunehmend instabilen Berufs- und Bildungsverlauf, zeigt eine am Dienstag vom Wissenschaftsnetzwerk "Diskurs" präsentierte Studie.
Für die Längsschnittstudie "Wege in die Zukunft" wurden Wiener Jugendliche ab dem Alter von 14 Jahren einmal jährlich zu ihrem Bildungsweg befragt. Dabei zeigte sich einmal mehr, dass der soziale Kontext und vor allem die Familie eine wichtige Rolle spielt, zeigt die Studie der Soziologin Susanne Vogl von der Uni Stuttgart. Entscheidender Faktor ist dabei laut der Aussendung zur Online-Pressekonferenz die Bildung der Eltern.
Enormer Druck auf Jugendliche
Hohe Erwartungshaltungen und gleichzeitig wenige Unterstützungsleistungen üben demnach "enormen Druck" auf die Jugendlichen aus. Das ist etwa der Fall bei jenen zehn Prozent der Jugendlichen mit einem zunehmend instabilen und unkonkreten Berufs- und Bildungsverlauf, bei denen sich laut Vogl optimistische und konkrete Pläne in zunehmende Orientierungslosigkeit und Resignation wandeln. "Sie geben ihre Träume immer mehr auf und scheuen sich davor, neue zu formulieren." 20 Prozent der Jugendlichen fehlt es laut der Studie gänzlich an Unterstützungen des sozialen Umfeldes, weil Familie und Freunde ihnen den benötigten Rat "möglicherweise nicht geben (können)". Ihr Berufs- und Bildungsverlauf ist konstant diffus, mit negativen Auswirkungen auf die Selbstwahrnehmung und Handlungsfähigkeit der Jugendlichen.
Mehr institutionelle Beratungsmöglichkeiten und spätere Entscheidungszeitpunkte könnten laut Vogl einigen dieser Jugendliche helfen, ihre beruflichen und schulischen Wege zu finden. Veronika Wöhrer, Professorin für Bildung und Ungleichheit am Institut für Bildungswissenschaften der Uni Wien, hat in ihrem am Dienstag vorgestellten Beitrag die Zufriedenheit der Jugendlichen mit bestehenden Angeboten beschrieben.
In Österreich gilt seit 2016 eine Ausbildungspflicht bis 18. Wer keinen über den Pflichtschulabschluss hinausgehenden Abschluss hat, muss bis dahin eine weitere (Aus-)Bildung besuchen. Genutzt werden diese Angebote vorrangig von Menschen, deren Bildungsweg durch schwierige Bedingungen geprägt war: Diskriminierung (vor allem wegen nicht-deutscher Erstsprache), ungünstige familiäre Verhältnisse (abwesende Eltern, konfliktbehaftete Verhältnisse, Übernahme der Betreuungsaufgaben für chronisch oder psychisch kranke Eltern), Mobbing mit Folgen bis zum Schulabbruch oder (psychische) Krankheiten.
Jugendcoaching hilft
Besonders zufrieden waren die Jugendlichen laut der Unterlage mit den Angeboten Jugendcoaching und AusbildungsFit. Die Jugendcoachs beraten die Jugendlichen individuell und knüpfen dabei an die Wünsche und Vorstellungen der Jugendlichen an, helfen aber auch ganz konkret bei Bewerbungsschreiben und Gesprächen. Bei den AusbildungsFit-Einrichtungen können fehlende Kompetenzen erarbeitet und Praktika in der Berufswelt gemacht werden, auch hier gehört individuelle Unterstützung bei Bewerbungen und Gesprächen.
Wünsche nach Veränderung richten die Befragten allerdings laut Unterlagen an die Arbeitgeber: Deren Anforderungen nach guten Noten und einem möglichst lückenlosen und linearen Lebenslauf seien für sie nicht erfüllbar, sie würden an einer für sie nicht erreichbaren Norm gemessen. Sie fordern deshalb mehr Verständnis bei Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern und weniger hohe Aufnahmekriterien bei Lehrstellen.