COVID-19-Modellrechnungen: Genesene bleiben lange geschützt
Bereits seit Beginn der Corona-Pandemie arbeitet das Team rund um Niki Popper (TU Wien / dexhelpp) daran, ihre Simulationsmodelle laufend zu verbessern. Seit Juli stehen nun in Österreich nun wichtige neue Daten zur Verfügung: Die Inzidenzzahlen werden aufgeschlüsselt nach Impfstatus bekannt gegeben (doppelt geimpft, einfach geimpft oder ungeimpft) und beinhalten auch Informationen über Reinfektionen. Das bedeutet für die Computersimulationen einen wichtigen Sprung nach vorne: Parameter, die man bisher nur auf Basis wissenschaftlicher Literatur abschätzen konnte, werden nun zugänglich. So kann man etwa im Simulationsmodell die Dauer der Immunität nach einer Genesung anpassen, um zu sehen, bei welchem Wert das Modell mit der Realität am besten übereinstimmt. Diese Berechnungen weisen stark darauf hin, dass Genesene im Mittel deutlich länger gegen das Virus immun sind als die 180 Tage, von denen man bisher ausging. Das ändert freilich nichts daran, dass auch für Genesene eine Impfung den Schutz noch weiter erhöht.
Agentenbasiertes Modell
"Es gibt ganz unterschiedliche Methoden, eine Pandemie wissenschaftlich zu beschreiben", sagt Niki Popper. "Man kann die Daten statistisch auswerten und daraus Prognosen ableiten. Man kann Formeln aufstellen, mit denen man aus den Infektionszahlen von heute auf die Infektionszahlen von nächster Woche schließen kann. Unser Zugang ist ein ganz anderer: Wir verwenden ein agentenbasiertes Modell." Bei einem solchen Modell werden einzelne virtuelle Personen am Computer simuliert, wie sie auf andere Menschen treffen, einander mit gewissen Wahrscheinlichkeiten anstecken oder sich impfen lassen.
Das hat Vor- und Nachteile: Einerseits ist ein solches Modell sehr komplex, und es enthält eine große Zahl von Parametern, die man zuerst festlegen muss. Andererseits kann man mit einem solchen Modell auch Fragen beantworten, die mit anderen Methoden nur schwer oder gar nicht zugänglich sind. So kann man etwa abschätzen, wie hoch die Dunkelziffer in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen sein muss.
Gut die Hälfte der Bevölkerung ist immun
"Besonders wichtig ist derzeit die Frage, wie viele Menschen tatsächlich vor einer Infektion geschützt sind", erklärt Niki Popper. "Einerseits gibt es immer Geimpfte, bei denen die Impfung nicht richtig gewirkt hat, andererseits gibt es Ungeimpfte, die bereits infiziert waren und ohne es zu wissenbereits immun sind." Wenn man Geimpfte und Genesene addiert, kommt man auf ungefähr 70 % der Gesamtbevölkerung. Der Anteil der derzeit gegen das Virus wirksam immunen Menschen hingegen dürfte laut Modell bei unter 55 % liegen. "Das dämpft die Ausbreitung in gewissen Bereichen ist natürlich immer noch zu wenig, um eine Ausbreitung der Pandemie endgültig zu verhindern. Wer noch nicht geimpft ist, sollte sich daher auf jeden Fall impfen lassen", sagt Popper.
Immunität nach Genesung hält länger als erwartet
Ein besonders interessantes Ergebnis zeigt sich, wenn man die Inzidenzzahlen in der Gruppe der Genesenen analysiert: "Bisher ging man davon aus, dass Genesene ihren Immunschutz nach ungefähr einem halben Jahr verlieren", sagt Niki Popper. "Wenn wir das in unser Modell so einbauen, dann bekommen wir aber eine viel höhere Zahl von genesenen Neuinfizierten als man in der Realität beobachtet. Dieser Parameter konnte daher so nicht stimmen."
Wenn man untersucht, in welchem Parameterbereich Simulation und Realität übereinstimmen, kommt man, im Mittel, nach einer überstandenen COVID-Infektion auf eine Immunitätsdauer von etwa einem Jahr. "Das bedeutet jedoch nicht, dass jeder Genesene ein Jahr geschützt ist", sagt Popper, "viele werden ihre Immunität bereits früher verlieren, viele auch erst viel später. Jedenfalls sollte man sich auch dann impfen lassen, wenn man zu den Genesenen gehört, dadurch wird der Schutz deutlich verbessert." Klar wird durch das Modell auch bestätigt, dass die erste Impfdosis gegen die Delta-Variante nicht viel nützt: Einfach Geimpfte infizieren sich fast genauso häufig wie Ungeimpfte.
"Auf diese Weise generiert unser Modell also interessante Hypothesen, die man nun virologisch testen kann", sagt Niki Popper. "Und auch für die Politik sind diese Zahlen wichtig, etwa wenn man über 2G- oder 3G-Maßnahmen diskutiert. Und aktuell können wir so abschätzen, dass wir nicht mehr weit von der Lösung entfernt sind - aber noch ein kleines Stück."
Kontakt Dr. Niki Popper Institut für Information Systems Enngineering Technische Universität Wien nikolas.popper@tuwien.ac.at Aussender: Dr. Florian Aigner PR und Marketing Technische Universität Wien Resselgasse 3, 1040 Wien +43-1-58801-41027 florian.aigner@tuwien.ac.at
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