Energiewende könnte auch ohne Atomenergie gelingen
Die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien könnte selbst ohne die Nutzung von Kernenergie gelingen. Das erklärte am Freitag Nikolaus Müllner vom Institut für Sicherheits- und Risikowissenschaften an der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien im Rahmen des Symposiums "Impact Lech" in Lech am Arlberg. Realistisch sei dieses Szenario aber nicht. Umgekehrt sei auch ein starker Ausbau der Kernenergie in den nächsten Jahren ausgeschlossen, so der Experte.
Müllner ging in seinem Vortrag insbesondere auf die Frage ein, inwiefern die Kernenergie bei der Vermeidung von Kohlendioxid-Emissionen hilfreich sein kann. Dabei sei schon umstritten, wie die CO2-Bilanz eines Atomkraftwerks tatsächlich aussehe, stellte Müllner fest. Im Betrieb habe ein Kernkraftwerk nur sehr geringe Emissionen, wenn man aber eine Lebenszyklusanalyse durchführe, dann falle auch der Uranabbau ins Gewicht. Dieser könne sehr energieintensiv ausfallen, und dann stelle sich wieder die Frage, ob für den Abbau erneuerbare Energie verwendet werde oder nicht. Jedenfalls sei die Kernkraft keine CO2-freie Quelle, so Müllner.
Auf verschiedensten Szenarien basierende Studien würden zeigen, dass bis 2050 eine energieneutrale Wirtschaft auch unter dem Verzicht auf Kernenergie möglich sei - selbst wenn der Energieverbrauch bis dahin steigen würde. "Man kann die Kernenergie nutzen, muss es aber nicht", sagte Müllner. Müsste man die Kernenergie ersetzen, würde das etwa zwei Prozent der globalen CO2-Emissionen ausmachen. Das wird sich bis 2040 laut der Einschätzung Müllners nicht großartig ändern, und das sei auch nicht wenig. "Darauf werden wir nicht verzichten", sagte er.
Unrealistisches Szenario
Würde man hingegen fossile Energiequellen durch Atomenergie ersetzen, so brächte das den Angaben von Müllner zufolge eine Einsparung an Emissionen von 27 Prozent. Allerdings sei dieses Szenario völlig unrealistisch bzw. unmöglich. Von der Idee zum Bau eines Kernkraftwerks bis zu dessen Fertigstellung vergingen nämlich üblicherweise 20 Jahre, auch ergäbe sich bei zusätzlichen 4.000 neuen Anlagen ein Problem mit der Uranversorgung. "Was sich derzeit nicht in Bau befindet, wird vor 2040 nicht ans Netz gehen", sagte Müllner.
Als keine Lösung im Zusammenhang mit der Energiewende betrachtete Müllner die Kernreaktoren der vierten Generation. Zwar wäre mit diesen das Uran-Ressourcenproblem gelöst, der Durchbruch sei bei dieser Technologie aber noch nicht gelungen.
Das erstmals durchgeführte Symposium "Impact Lech" hat am Donnerstag begonnen. Die von Wissenschafter Markus Hengstschläger initiierte und kuratierte Veranstaltung setzt sich noch bis Sonntag mit der Frage auseinander, was getan werden kann, um die für das Erreichen der Energiewende und Klimatransformation notwendige Energiekompetenz in der Gesellschaft zu verankern.