Geburtshaus-Diskussion zum Auftakt des Zeithistorikertages in Graz
Adolf Hitlers Geburtshaus in Braunau oder auch das Haus, in dem Kanzler Engelbert Dollfuß geboren wurde: An der Frage, wie es mit den historischen Orten weitergeht, erhitzen sich seit Jahren die Gemüter. Im Herbst 2023 sind in Braunau die ersten Bagger aufgefahren, um das Haus neu zu positionieren, das seit 2021 geschlossene Dollfuß-Museum in Texingtal (NÖ) wurde im Jänner überraschend geräumt - die Diskussion geht weiter, auch am Österreichischen Zeitgeschichtetag in Graz.
Während die Salzburger stolz auf das Geburtshaus von Wolfgang Amadeus Mozart blicken und sich die Wiener an jenem von Schubert freuen, müssen die Braunauer mit einem unbequemen Erbe leben: Adolf Hitler verbrachte in dem Haus mit der Adresse Salzburger Vorstadt 15 nur seine ersten drei Lebensmonate im oberösterreichischen Braunau am Inn, und dennoch ist es symbolisch aufgeladen und übt eine Anziehungskraft auf Anhänger eines Führerkults aus.
Es wurde bereits als Bank, Schule und Behindertentagesstätte genutzt, seit 2011 steht es leer, seit 2016 gehört das Gebäude der Republik, schilderte Laura Langeder, die im Haus der Geschichte Österreich zum konfliktreichen Kulturerbe forscht, auf der Tagung. Neue Nutzungsvorschläge gab es viele, bis hin zur letzten, darin ab 2026 eine Polizeistation unterzubringen - in einem auf seine Grundgestalt aus dem 17. Jahrhundert zurückgeführten architektonischen Rahmen, in dem dann die Polizei unterkommen soll. Man rechnet mit Kosten in der Höhe von 20 Millionen Euro.
Heftige Diskussionen rund um Erhalt der Gebäude
Geburtshäuser können - wie auch das Grab einer Persönlichkeit - Orte des Personenkultes, Pilger- und Erinnerungsstätte werden. An den Erhalt solcher Gebäude knüpfen sich Diskussionen um die Stilisierung von Huldigungsorten, an die Auflösung oder einen Abriss knüpft sich wiederum der Verdacht möglicher Geschichtsglättung, skizzierte Lucile Dreidemy, Historikerin an der Universität Wien und Chair im Vorfeld der Tagung. Unter ihrer Leitung fand am Donnerstag das Paneel rund um die Vergangenheit und Zukunft der Geburtsstätten von Hitler und Dollfuß statt.
Auch beim pistaziengrünen Geburtshaus von Engelbert Dollfuß (1892 - 1934), der die austrofaschistische Diktatur errichtete, herrscht Unklarheit über den korrekten historischen Umgang mit dem "heißen Eisen" der Erinnerungskultur, an dem sich die Gemüter erhitzen. Für das Museum in seinem Geburtshaus im niederösterreichischen Texingtal (Bezirk Melk), das sich laut Kritikern zu einem "Huldigungsort" für den umstrittenen Ex-Kanzler der Zwischenkriegszeit entwickelt habe, war eine mehrjährige "konstruktive Auflösung" bis 2028 geplant, schilderte Christian Rabl vom Verein "MERKwürdig. Zeithistorisches Zentrum Melk".
Er hat gemeinsam mit Remigio Gazzari und Johanna Zechner ein ungewöhnliches Museumskonzept für die kommenden vier Jahre erstellt. Das Museum rückte seit der Berufung des früheren Texinger Bürgermeisters Gerhard Karner (ÖVP) zum Innenminister in die öffentliche Kritik, weil die kritische Auseinandersetzung mit Dollfuß als autoritärer Kanzler fehle.
Diese hätte es, durch das neue Museumskonzept des Vereins, das mit der Neukonzeption des Museum beauftragt wurde, geben sollen: "Es war quasi ein umgekehrtes Museumskonzept, wo eine Sammlung nicht angelegt, sondern aufgelöst wird", erklärte der Zeithistoriker. "Der Prozess, also die Auseinandersetzung mit historischen Objekten und ihre Einordnung in unsere Lebenswelten, ist dabei der gleiche. Für die Rezipienten wird damit sichtbar, wie Erinnerungskultur gemacht wird, sie werden selbst zu Akteurinnen- und Akteuren", hieß es im ursprünglichen Konzept. "Wir haben versucht in der Region mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, haben sie eingeladen, ein Stück weit mitzumachen und mit uns die Objekte zu durchleuchten. Dann sollten sie österreichischen Museen übergeben werden sollen, die sie temporär zeigen und die Dollfußzeit damit bundesweit zum Thema machen", so Rabl. Damit wären mehr Menschen eingebunden gewesen, als das bisherige Museum je erreichen konnte, wie Rabl schätzte.
Einige Treffen zu einem Bürgerbeteiligungsprozess fanden statt, doch dann wurde das Haus im Jänner überraschend ausgeräumt: Auf Wunsch der Leihgeber wurde das Haus bis auf wenige der rund 200 Objekte geräumt und die Exponate den niederösterreichischen Landessammlung treuhändisch zu übergeben. Das Museum und damit auch die tiefer gehende Auseinandersetzung über dem unbequemen Erbe vor Ort hat damit ein jähes Ende gefunden.
Service: 15. Österreichischer Zeitgeschichtetag, Programm: https://zeitgeschichtetag-2024.uni-graz.at/de/