Das Lernen mit Umweltänderungen umzugehen hat ein Tempolimit
Menschen und andere Tiere lernen meist rasch, mit Veränderungen umzugehen. Dafür gibt es aber ein Tempolimit, berechnete Edward Lee vom Complexity Science Hub (CSH) in Wien mit Kollegen. Wer dieses Limit ignoriert, läuft Gefahr, unbedeutenden Schwankungen hinterherzuhetzen, schreiben die Forscher im Fachjournal "Proceedings B" der britischen Royal Society. Zu langsam sollten die Lernfortschritte auch nicht sein, sonst hinkt man ständig Veränderungen hinterher.
Das optimale Lerntempo hängt von der Geschwindigkeit der Veränderungen ab, betonen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Solche Veränderungen sind zum Beispiel zeitliche Verschiebungen bei Feucht- und Trockenperioden. Ein Lebewesen nimmt diese Umweltzustände wahr und speichert sie im Gedächtnis. Wie schnell sie dort als "unwichtige Nebensächlichkeiten" abgetan werden, bedingt laut den Komplexitätsforschern seine Lern-Zeitrate.
Die optimale Lern-Zeitrate
Die optimale Lern-Zeitrate, mit der sich ein Lebewesen auf Umweltveränderungen einstellen sollte, beträgt nach ihren Modellberechnungen die Quadratwurzel der Umweltveränderungs-Zeitrate. Fluktuieren Nässe und Dürre also in einem Gebiet auf einmal viermal langsamer, sollten sich die Tiere dort dies mit einer halb so schnellen Lernrate (Quadratwurzel von 4=2) in die Köpfe schreiben. "Dieser Quadratwurzel-Maßstab stellt einen optimalen Kompromiss zwischen zu schnellem und zu langsamem Lernen dar", so die Forscher.
Manche Lebewesen verändern zudem selbst die Umwelt und konstruieren eine eigene biologische Nische: Zum Beispiel Menschen, die Häuser errichten und Getreide anpflanzen, Vögel, die Nester bauen, und Ameisen, die Blattläuse züchten. Dies ist für sie nutzbringend, weil es die Lebensbedingungen konstanter macht, so Lee: "Ein Gewinn entsteht dem Organismus allerdings nur, wenn er die Vorteile der stabilen Umgebung monopolisieren kann." Beuten Trittbrettfahrer die stabilisierte Nische ebenfalls aus, zum Beispiel indem regelmäßig Felder kahl gefressen oder Kuckuckseier ins Nest gelegt werden, scheitert diese Strategie.
Lernen raubt großen Organismen mit langer Lebensspanne wie vielen Säugetieren verhältnismäßig wenig Kraft, berechneten die Forscher zudem. Ihr Stoffwechsel benötigt viel mehr Energie als für ein bisschen Wissenserwerb notwendig ist. Bei kleinen, kurzlebigen Tieren wie Insekten überragen Lernen und Gedächtnis den Erhalt der normalen Körperfunktionen jedoch deutlich als Energiefresser.
Service - https://doi.org/10.1098/rspb.2024.1606