Forscher stellten RNA-Grundbaustein erstmals biokatalytisch her
Forschern in Graz ist erstmals die Synthese von RNA-Grundbausteinen mittels Biokatalyse gelungen. Das könnte die Herstellung von antiviralen Wirkstoffen und auf Nukleinsäure-Bausteinen basierenden Therapeutika erheblich erleichtern, wie die TU Graz und das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) mitteilten. Die Methode zur Herstellung sogenannter C-Nukleoside mithilfe von Enzymen haben die Forscher in "Nature Communications" veröffentlicht.
Anders als ein herkömmliches Vakzin wirkt ein RNA-Impfstoff nicht durch abgeschwächte Krankheitserreger, sondern soll dem Körper die genetische Botschaft übermitteln, Antikörper zu bilden. Dazu werden Bruchstücke der RNA (Ribonukleinsäure) verwendet, die nach der Impfung im Körper des Geimpften zur Produktion jener Antigene der Krankheitserreger führen sollen, gegen die dann eine schützende Immunantwort entstehen soll.
Mit der Corona-Pandemie und der intensiven Suche nach entsprechenden Therapeutika und Vakzinen hat hierbei die chemische Substanzklasse der Nukleoside ein verstärktes Interesse erfahren. Als Nukleosid bezeichnet man eine Verbindung aus einer sogenannten Nukleinbase und Pentose, die den Grundbaustein der Nukleinsäure bildet. Ist eine Nukleinbase mit dem Zucker Ribose gekoppelt, spricht man von einem Ribonukleosid. Nukleoside werden in der Leber gebildet, sie können aber auch synthetisch produziert werden.
Biokatalytische Synthese
Der Grazer Forschergruppe ist die erste enzymgetriebene biokatalytische Synthese dieser Grundbausteine der Nukleinsäure gelungen. Eingebaut in die RNA ergeben sich neuartige Wechselwirkungen innerhalb des Makromoleküls, die eine antivirale Wirkung entfalten können.
In der medizinischen Chemie ist die Molekülfamilie der Kohlenstoff-(C)-Nukleoside. Sie unterscheiden sich von den klassischen Bausteinen der RNA - den häufiger vorkommenden Stickstoff-(N)-Nukleosiden - in der Art der Verknüpfung zwischen dem Zucker und der Nukleinbase: Statt einer Kohlenstoff-Stickstoff-Bindung liegt hier eine Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung vor, die laut den Forschern biochemisch deutlich stabiler ist. Den Wirkstoffen würde das eine höhere biologische Halbwärtszeit verleihen und damit die Effektivität eines RNA-Impfstoffes verbessern.
Bernd Nidetzky, Leiter des Instituts für Biotechnologie und Bioprozesstechnik der TU Graz und gleichzeitig Wissenschaftlicher Leiter des acib, sowie Martin Pfeiffer vom acib haben in einer Studie das Enzym "YeiN" entdeckt und charakterisiert. Es kann die beiden Nukleosid-Bausteine Ribose-5-phosphate und Uracil mittels einer spezifischen Kohlenstoff-Bindung verknüpfen. Aus Sicht der Grazer Forscher ist das Enzym ein geeigneter Biokatalysator für die effiziente und umweltschonende Herstellung von C-Nukleosiden.
Derivate von Pseudouridin hergestellt
Das Grazer Team hat mithilfe der katalytischen Kraft von "YeiN" mehrere Derivate des wichtigen C-Nukleoids Pseudouridin hergestellt. Weiters konnten sie zeigen, dass eines dieser Derivate tatsächlich in RNA eingebaut werden kann und damit eine Modifizierung der RNA ermöglicht. "In unserer Studie zeigen wir, dass Pseudouridin biokatalytisch hergestellt werden kann. Im Vergleich zur rein chemischen Synthese ist das ein weit effizienterer Weg, da weniger Reaktionsschritte und keine toxischen Chemikalien nötig sind", hob Nidetzky hervor. In der Effizienz sei die biokatalytische Herstellung der klassischen chemischen Synthese sogar überlegen.
Basierend auf den nunmehr publizierten Erkenntnissen könne nun an der Erweiterung des Substratspektrums von "YeiN" geforscht werden. Ziel ist die biokatalytische Synthese weiterer relevanter C-Nukleoside.
Seit wenigen Tagen laufen in Großbritannien die ersten flächendeckenden Impfungen gegen Covid-19 mit RNA-Impfstoffen. Diese neuartigen Impfstoffe enthalten Erbinformationen des Erregers und bringen Zellen dazu, ein Virusprotein zu erzeugen, das anschließend dem Immunsystem präsentiert wird. Die darauffolgende Immunreaktion soll den Körper vor einer tatsächlichen Virusinfektion schützen. Liegt bereits eine Infektion vor, könnten antivirale Medikamente eine Virusvermehrung verhindern. Die biokatalytische Herstellung von C-Nukleosiden könnte etwa dem C-Nukleosid-basierten Wirkstoff Remdesivir neuen Rückenwind verschaffen.
Service: M. Pfeiffer, B. Nidetzky "Reverse C-glycosidase reaction provides C-nucleotide building blocks of xenobiotic nucleic acids", Nature Communications, 12. 2020. DOI: 10.1038/s41467-020-20035-0 , https://www.nature.com/articles/s41467-020-20035-0