Forscher entschlüsseln Schicksal von alternden Doppelsternsystemen
Wie sich sogenannte Doppelsternsysteme verhalten, wenn die Geschwister-Sonnen in die Jahre kommen, hat ein Forschungsteam mit österreichischer Beteiligung im Fachblatt "Astronomy & Astrophysics" auf bisher umfassendste Art beschrieben. Anhand von Daten der Weltraumteleskope "Gaia", "Kepler" und "TESS" konnten die Forscher rund 1.000 neue Systeme identifizieren. Dabei zeigte sich, dass die kosmischen Tandems mit zunehmendem Alter ihre Bahnen charakteristisch ändern.
Bei ihrer Arbeit konzentrierten sich die Wissenschafterinnen und Wissenschafter unter der Leitung des aus Österreich stammenden Astrophysikers Paul Beck vom Instituto Astrofísica de Canarias (IAC) und von der Universidad de La Laguna auf Teneriffa (Spanien) auf Sterne, die ähnlich unserer Sonne sind, aber ein unterschiedliches Alter haben. Sie nahmen "gelbe Zwerge", wie die Astronomen Sterne wie die Sonne nennen, und ihre älteren Kollegen, die "Roten Riesen", in den Blick. Solche Riesen entstehen, wenn einem Stern wie der Sonne nach etwa 10 Milliarden Jahren der Wasserstoff als Fusionsbrennstoff ausgeht und sie sich auf mehr als das 100-fache ihrer ursprünglichen Größe aufblähen.
"Die Gegenwart und Zukunft der Sonne"
Die gesuchten Sterne repräsentieren also "die Gegenwart und Zukunft der Sonne", wie der an der Arbeit beteiligte, aus Graz stammende Astrophysiker Desmond Grossmann der APA erklärte. Er ist Teil eines Studierendenteams, das mehrere Jungforscher mit Verbindungen zur Universität Graz wie u.a. Lea Schimak, Lukas Steinwender und Nicolas Muntean, ebenfalls Ko-Autoren der Studie, umfasst.
Doppelsternsysteme sind für die Wissenschaft besonders interessant, da sich die Geschwistersterne aus ein und derselben interstellaren Wolke gebildet haben und somit das gleiche Alter, die gleiche chemische Zusammensetzung und den gleichen Abstand zur Erde haben. Durch die Gravitation aneinander gebunden, bewegen sie sich auf elliptischen Umlaufbahnen - die Forscher sprechen von exzentrischen Bahnen.
Um mehr über solche Systeme herauszufinden, suchte das Team nach wiederkehrenden Veränderungen der Helligkeit der Sterne, die von Schwingungen im Stern erzeugt werden und so klein sind, dass sie nur mit Weltraumteleskopen beobachtet werden können. Aufgrund dieses schwer zu findenden "asteroseismischen" Fingerabdrucks kann auf die Struktur und Entwicklungsgeschichte, respektive das Alter der Sterne rückgeschlossen werden. "Analog zur Seismologie auf der Erde ermöglichen uns diese Schwingungen, das Innere der Sterne zu analysieren", so Grossmann.
Sterne interagieren durch Gezeitenkräfte
Das Team nutzte nun diese Informationen, um die Systeme zwischen "jung", "alt" und "sehr alt" zu unterscheiden, um so einer Theorie zur Veränderung ihrer Bahnen nachzugehen. Die erhebliche Veränderung der Größe des Roten Riesensternes beeinflusst den gravitativen Tanz der beiden Sterngefährten. "Wenn die Sterne aufgrund des angewachsenen Radius in einem System nahe genug beieinander sind, beginnen die Sterne durch Gezeitenkräfte miteinander zu interagieren. Auf der Erde sind Gezeitenkräfte am besten an Ebbe und Flut zu erkennen, die durch das Zusammenspiel zwischen dem Mond und unserem Planeten entsteht", erläuterte Beck gegenüber der APA.
Mit der Zeit verringern Gezeiten die Exzentrizität der Umlaufbahnen und machen sie somit immer kreisförmiger: "Aufgrund dieser Theorie erwarten wir einen Trend zu geringeren Exzentrizitäten mit fortschreitender Sternentwicklung. Dies konnte jedoch bisher nicht beobachtet werden, da klassische Messungen uns nur die obersten Schichten des Sternes zeigen, der Schlüssel zur Unterscheidung in verschiedenen Entwicklungsstadien jedoch im tiefen Inneren des Sternes liegt", so Beck: "Nur die Asteroseismologie erlaubt den Einblick in den Stern."
Das zeigte die neue Arbeit, die seitens der ESA in einem Beitrag gewürdigt wurde: Die Sterne in den aufgrund der Astroseismologie als "sehr alt" identifizierten Systemen bewegen sich im Schnitt tatsächlich auf runderen Bahnen, als ihre noch "exzentrischeren" jüngeren Kollegen.
Service: Die Publikation online: https://doi.org/10.1051/0004-6361/202346810
Animation zu der Arbeit: https://www.youtube.com/watch?v=fi4AbHYsmFM
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