Exzellente Wissenschafter sind nicht an einer Maßzahl zu erkennen
Als eine von wenigen Organisationen in Österreich schloss sich das Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg einer Initiative an, die wissenschaftliche Leistungen umfangreicher als üblich bewerten will. Die Ergebnisse von Forschern und Forschungsinstitutionen sind zu vielfältig, als dass man sie, wie meist praktiziert, mit einer obskuren Maßzahl erfassen kann, dem "Einflussfaktor" ihrer Publikationen, erklären ISTA-Wissenschafter APA-Science.
Derzeit wird die Leistung von Forschern oft fast ausschließlich danach bewertet, in welchen wissenschaftlichen Zeitschriften ihre Ergebnisse publiziert sind. Diese Zeitschriften brüsten sich jeweils mit einem "Impact Factor" (Einflussfaktor), der angibt, wie oft die Artikel von anderen Wissenschaftern zitiert werden. "Der von Thomson Reuters berechnete Journal Impact Factor wurde ursprünglich als Instrument für Bibliothekare zum Auffinden von Fachzeitschriften für deren Ankauf entwickelt, und nicht als Maßstab für die wissenschaftliche Qualität der in einem spezifischen Artikel beschriebenen Forschung", heißt es in der San Francisco Erklärung zur Forschungsbewertung (DORA) vom Dezember 2012: "Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend zu verstehen, dass der Journal Impact Factor als Instrument zur Forschungsbewertung eine Reihe von gut dokumentierten Schwächen aufweist." So sind zum Beispiel Vergleiche zwischen einzelnen Disziplinen und Forschungsfeldern problematisch, die Fachzeitschriften können durch redaktionelle Strategien die Impact Factoren manipulieren, die Berechnungen sind nicht transparent und die zugrunde liegenden Daten nicht öffentlich zugänglich.
Wissenschafter: Bewertungsmodus ist dringend zu verbessern
"Die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung sind zahlreich und vielfältig", heißt es in der DORA-Erklärung: Sie umfassen Fachartikel, die über neues Wissen, Daten, Reagenzien und Software berichten, geistiges Eigentum sowie hervorragend ausgebildete junge Wissenschafter. Es sei "unerlässlich, dass diese Attribute präzise gemessen und mit Bedacht bewertet werden". Die Autoren und Unterzeichner sehen "dringenden Bedarf, die Art und Weise zu verbessern, in der die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung durch Förderorganisationen, akademische Institutionen und andere Beteiligte bewertet werden". Deshalb gründeten sie im Juni 2022 eine Koalition zur Reform der Forschungsbewertung in Europa (CoARA).
Das Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg hat beide Initiativen unterzeichnet. Das ISTA rekrutiere seit seiner Gründung in 2007 exzellente Forscherinnen und Forscher, ohne dem Journal Impact Factor ihrer Publikationen die ansonsten übliche Aufmerksamkeit zu schenken, heißt es von dort. Martin Hetzer, Präsident des ISTA seit 2023, und Nick Barton, der einst als erster Wissenschafter an das Institut kam und die "kleingeistige Auslegung" des Impact Factors als "große Plage" bezeichnet, erklären die Gründe dafür.
"Wir versuchen beim Evaluieren der Menschen, die wir anstellen, einen intelligenten Weg zu gehen, indem wir breit auf ihre Qualitäten achten und nicht nur auf eine Statistik ihrer Publikationen starren", so Barton. Für das ISTA sei die Entscheidung einfach gewesen, diese Initiativen zu unterstützen und CoARA beizutreten, weil man schon seit seiner Gründung diese Art der Bewertung forciert habe. "Wir sind klein und flexibel, und können dies einfach tun", sagt er: "Große Universitäten haben wohl mehr Bürokratie und Regulationen bei diesen Dingen. Deshalb ist es für sie möglicherweise schwerer, sich in diese Richtung zu bewegen."
1.500 Bewerbungen pro Jahr für Professuren am ISTA
Jedes Jahr bewerben sich gut eineinhalb tausend Kandidaten und Kandidatinnen für eine Professur am ISTA, berichtet Hetzer. Zunächst habe man nur ein paar Zettel von ihnen, also Lebensläufe, Motivations- und Empfehlungsschreiben. Die ISTA-Fakultätsangehörigen sehen sich diese genau an, und entscheiden, wer von ihnen vielleicht als zukünftige Kollegin oder Kollege in Frage kommt. "Mehr als 40 Bewerberinnen und Bewerber werden jedes Jahr für zwei Tage ans ISTA eingeladen und absolvieren hier ein dichtes Programm", sagt Hetzer. Sie führen mit ISTA-Professorinnen und -Professoren Gespräche, geben einen Vortrag ohne technische Hilfsmittel (Chalk Talk) über ihre Forschungsarbeit und erklären vor allem, was ihre Zukunftspläne sind. Man geht auch gemeinsam essen, um sich kennenzulernen. "Es zeigt sich dabei, was sie tun und wie sie Sachen angehen, und so bekommt man auch ein Gefühl für den kooperativen Geist dieser Leute", meint Hetzer. Ein Rekrutierungskomitee bewertet sie dann ausschließlich nach wissenschaftlichen Qualitäten, und legt seine Erkenntnisse einem Professoren-Komitee vor. Dieses entscheidet schließlich in einer geheimen Abstimmung, wem eine Stelle angeboten wird und wer nicht ganz zum Team passt. Von den 1.229 Bewerbern und Bewerberinnen bekamen im Jahr 2022 zwölf eine Zusage, acht von ihnen nahmen sie an.
Eine lange Liste an Fachpublikationen ist keine Voraussetzung für eine Anstellung am ISTA, sagt Barton: "Wir rekrutieren ziemlich viele Leute gleich nach ihrer Doktorarbeit, wenn sie einen wirklich interessanten Forschungsplan haben." Auch das Forschungsfeld ist nebensächlich. "Zunächst wollten wir hier bestimmte Bereiche abdecken, aber wir haben schnell gemerkt, dass wir uns einfach nur um die besten Bewerberinnen und Bewerber bemühen sollten", erklärt er. Deshalb gibt es einfach einen durchgehenden und allgemeinen Aufruf für Bewerbungen.
Nachwuchs rotiert in Forschungsfeldern
Dasselbe gilt für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Im Jahr 2022 erreichten 2.564 Bewerbungen für Doktoratsstellen das ISTA, und 65 Doktorandinnen und Doktoranden bekamen eine Zusage. Sie können sich unabhängig von ihrem Studienbereich bewerben, und die besten Kandidaten und Kandidatinnen werden in die sogenannte Graduate School für die Ausbildung zum PhD (Anm.: wissenschaftlicher Doktorgrad) aufgenommen. "Die ersten zwei Semester rotieren sie in verschiedenen Wissenschaftsfeldern und arbeiten in vier Forschungsgruppen, bevor sie sich für eines davon entscheiden", so Hetzer: "Dieses Rotationssystem ist in den USA sehr gängig, in Europa sind wir damit aber die Einzigen." Manche der Studenten hätten zunächst Vorbehalte, weil sie glauben, dadurch ein Karrierejahr zu verlieren. Diese verschwinden aber in der Regel sehr schnell. "Sie entdecken dadurch, wie viele Möglichkeiten es überhaupt in der Forschung gibt, von denen sie zuvor kaum etwas gewusst haben." Wenn neue Studenten während der Rotationsphase von einer Gruppe in die andere wechseln, bringen sie auch neue Ideen mit, berichtet Barton: "So entstehen oft Kollaborationen, an die wir selbst nie gedacht hätten."
Verdoppelung der Institutsgröße mit Weile statt Eile
Bis 2036 will das ISTA doppelt so groß werden, das heißt unter anderem, dass es von 73 Professuren auf 150 aufstocken wird. Barton sieht dies gelassen: "Das liegt innerhalb der Größenordnung, in der wir aktuell Leute rekrutieren", sagte er. Man habe immerhin vierzehn Jahre Zeit, es müssten also jedes Jahr "nur" fünf bis sechs Professorinnen und Professoren dazukommen, rechnete er vor. Die aktuelle Vorgangsweise würde gut funktionieren und sich sicherlich auch in der Zukunft bewähren.
Service: https://sfdora.org/, https://coara.eu/
(Diese Meldung ist Teil einer Medienkooperation mit dem Institute of Science and Technology Austria.)