Konferenz zu Bioökonomie in Wien: "Wirtschaftskonzept der Zukunft"
235 Teilnehmerinnen und Teilnehmer treffen einander bis Freitag beim "European Bioeconomy Scientific Forum" an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), um die internationale und interdisziplinäre Vernetzung voranzutreiben. "Wir sehen die Bioökonomie als Wirtschaftskonzept der Zukunft", sagte BOKU-Rektorin Eva Schulev-Steindl am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. "Und die BOKU sieht sich als ein maßgeblicher Akteur, um die Bioökonomie mitzugestalten."
80 Prozent der BOKU-Institute fallen in den Bereich der Bioökonomie, die Martin Greimel, der Leiter des 2019 gegründeten Zentrums für Bioökonomie an der BOKU, als ein "Wirtschaften nach den Gesetzen der Natur" beschreibt. Kreislaufwirtschaft ist ein Teil davon, geht aber vom Konzept her weniger weit, denn Bioökonomie setzt grundsätzlich auf nachwachsende Rohstoffe. Da liegt auch die Crux: "Bioökonomie ist nicht dasselbe wie bisher in grün", sagte Greimel. "Man kann nicht beim Konsum weitermachen wie bisher und alles einfach durch nachwachsende Rohstoffe ersetzen. Da bräuchten wir zwei bis drei Erden dazu. Man muss sich also eine Prioritätenliste überlegen: Für was verwende ich die Ressource Biomasse?"
Der Fokus des Europäischen Bioökonomie Wissenschaftsforums liegt daher auf der Sichtbarmachung der sozialen Aspekte der Bioökonomie. Oder, wie es Greimel auf den Punkt bringt: "Ganz ohne Reduktion und Verzicht wird es nicht gehen." Um das Bewusstsein dafür in der Öffentlichkeit zu schärfen hat er etwa die Etablierung eines persönlichen CO2- oder Rohstoffkontos vorgeschlagen, auf dem man selbst Prioritäten setzen kann, um die derzeit 4,7 Tonnen CO2 und 20 Tonnen Rohstoffe, die durchschnittlich jeder und jede in Österreich pro Kopf und Jahr verbraucht, zu reduzieren.
Stakeholder auf Europäischer Ebene
Seit Herbst hat die BOKU den Vorsitz der European Bioeconomy University Alliance (EBU) inne, in der neben der BOKU fünf weitere Life-Science-Universitäten aus Frankreich, Italien, Deutschland, Finnland und den Niederlanden vertreten sind. Morgen werden zwei weitere Universitäten aus Polen und Schweden neu aufgenommen. "Wir wollen wichtiger Stakeholder auf Europäischer Ebene sein", sagte Schulev-Steindl. Das begrüßte auch Peter Wehrheim von der Generaldirektion Forschung und Innovation in der Europäischen Kommission, der die 2012 auf EU-Ebene beschlossene und 2018 überarbeitete Bioökonomie-Strategie einen wichtigen Teil des Green Deal der Kommission nannte. "Bioökonomie ist einer der Standbeine am Weg zur klimaneutralen Wirtschaft." Gleichzeitig setze aber etwa die chemische Industrie weiterhin in hohem Ausmaß auf fossile Rohstoffe. Hier seien noch viele Anstrengungen nötig, wie überhaupt die angestrebte Grüne Transformation noch vieler Diskussionen bedürfe.
Österreich hat seit 2019 eine Bioökonomiestrategie und seit November 2022 auch einen Aktionsplan zu ihrer Umsetzung. Dieser habe sich jahrelang verzögert und umfasse nun 114 Maßnahmen und acht Leuchtturmprojekte, schilderte Greimel. "Leider gibt es einige Bereiche, wo wir hinten nach sind. Bei Forschung und Wissenschaft läuft es zum Glück besser. Da gibt es ein gewisses Commitment, aber die Aufsplitterung der Materie zwischen den Ministerien ist ein großes Problem. In Finnland gibt es etwa einen Regierungskoordinator für Bioökonomie. Das könnte man auch in Österreich vorschlagen."
Zu den Maßnahmen des Aktionsplans für Bioökonomie soll jedes Jahr ein Statusbericht erscheinen. Greimel wusste noch nicht, wann es den ersten Statusbericht geben soll. "Wir hoffen, dass Klimaschutzministerin Leonore Gewessler davon berichten wird. Sie kommt heute zur Eröffnung des Wissenschaftsforums."
Service: https://short.boku.ac.at/ebsf2023; https://boku.ac.at/zentrum-fuer-biooekonomie