TUW Forum Zukunft: ENERGIE. REINHARD HAAS im Interview
Nicht nur mit unserer körpereigenen Energie sollten wir sparsam umgehen, sondern auch mit den Energieressourcen unserer Erde. Für die Serie "Forum Zukunft" haben wir Professor Reinhard Haas aus dem Forschungsbereich Energiewirtschaft und Energieeffizienz Fragen zur Zukunft unserer Energiesysteme, zu alternativen Energiequellen und Tipps zum Energiesparen gestellt.
Ein Blick in die Zukunft ins Jahr 2050: Welche Energiequellen werden wir nützen?
Reinhard Haas: Ich denke, es werden 2050 überwiegend erneuerbare Energiequellen sein. Allerdings wird es hier sicherlich neue Innovationen geben. Themen wie Hybridtechnologien in unterschiedlichster Form, wie Photovoltaik und Solarthermie gekoppelt, Agro-PV-Anlagen, die Biomasse und Solarenergienutzung koppeln, aber auch unterschiedlichste Formen der Nutzung der Geothermie sind noch in der Entwicklung.
Vielleicht kommen dezentrale Mikrotechnologien wie Kleinstwindanlagen oder die Nutzung der Energie in den Gebäudewasserkreisläufen. Ganz speziell glaube ich, dass neue Energie-Technologien auf Biomassebasis - fest, flüssig und synthetische Gase - in unterschiedlicher Form entwickelt werden.
Aber über die Technologien hinaus sind noch einige weitere Aspekte wichtig. Zunächst muss Energie teurer werden, angepasst an den CO2-Preis. Dann ist die Energieeffizienz weiter zu steigern, Subventionen sind abzubauen und die Märkte zu beleben. Das schafft auch neue kreative Lösungen, oder wie Professor Erdmann es nennt "das Kreativitätspotenzial des Marktes nutzen". So setzen beispielsweise Start-ups die Digitalisierung, um in Marktlücken Flexibilität und Speicheroptionen bereit zu stellen.
Welche alternativen Energiequellen wird es Ihrer Meinung nach 2050 noch, nicht mehr oder neu geben?
R.H.: Was Sie alternativ nennen sind eigentlich heute die dominierenden Energieformen, nämlich Solarenergie und Windkraft. Die zentralen Herausforderungen werden sein, das Angebot und die Nachfrage abzustimmen. Da werden auch verschiedenste Arten von Speicher sowie Flexibilitätsmaßnahmen eine wichtige Rolle spielen. Ein wichtiges Thema ist Wasserstoff (H2). Die derzeitige Hysterie scheint aber etwas übertrieben. Wichtig ist, H2 ist ein Energieträger, keine Energiequelle. Und um zu einem nachhaltigen Energiesystem zu kommen, kann nur grüner H2, der aus erneuerbarer Energie bereitgestellt wird, beitragen. Allerdings sind deren Potenziale in Österreich auch begrenzt, sodass H2 nach prioritären Anwendungen einzusetzen ist, beispielsweise in der Industrie. Im besonders CO2-belastenden Verkehrssektor werden verschiedene Arten der Elektro-Mobilität eine zunehmende Rolle spielen.
Wie kann ich als Privatperson Energie sparen?
R.H.: Wenn Sie es wirklich ernst meinen, informieren Sie sich zunächst darüber, was in Ihrem Haushalt die meiste Energie verbraucht, vor allem auch, welche Stromfresser Sie haben. LEDs bei der Beleuchtung, Kühlschrank nicht auf Stufe 6, im Einfamilienhaus die Umwälzpumpe überprüfen, wie viele Geräte im Standby-Betrieb laufen und ob all diese wirklich notwendig sind. Und, was beim Energiesparen oft auch übersehen wird, ist das Auto.
Mehr Digitalisierung und gleichzeitig Energiesparen: Ist das ein Widerspruch?
R.H.: Betrachten wir Digitalisierung von der positiven Seite für ein Energiesystem, so kann sie über Smart Grids und Smart Homes eine Rolle in Richtung Nachhaltigkeit spielen. Digitalisierung kann dazu beitragen, dass eben die Energiebereitstelllung und die Nachfrage - vor allem bei Strom - so gut wie möglich aufeinander abgestimmt werden, vor allem um Backup-Kapazitäten zu minimieren. Und wie schon oben erwähnt nutzen beispielsweise Start-ups die Digitalisierung, um in Marktlücken Flexibilität und Speicheroptionen bereit zu stellen. Ebenso kann Digitalisierung genutzt werden, um die Energieverbraucher - vor allem die Geräte, die viel verschwenden - in einem Haushalt zu ermitteln.
Energie ist ein spannendes Thema. Wie sind Sie zu diesem Forschungsfeld gekommen?
R.H.: Energiefragen haben mich schon bei der Matura interessiert und im Studium später habe ich alles, was mit Energie zu tun hatte, verschlungen. Schließlich bin ich über ein Diplomarbeitsthema zu Sonnenkraftwerken auf die Energiewirtschaft aufmerksam geworden und nicht mehr davon losgekommen. Auslandsaufenthalte in Schweden, Spanien und Kalifornien sowie internationale Kooperationen praktisch weltweit haben hier das Bild abgerundet. Letztendlich freue ich mich aber doch sehr, hier an der TU Wien zum Thema Energiewirtschaft und Energieeffizienz forschen und lehren zu dürfen.
Über Reinhard Haas
Reinhard Haas ist Universitätsprofessor am Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien. Er hat an der TU Wien Maschinenbau studiert und im Fachgebiet "Energiewirtschaft " promoviert. Seine Forschungsschwerpunkte mit über 80 Publikationen in den letzten 10 Jahren sind: Liberalisierung vs Regulierung von Strommärkten, energiepolitische Strategien zur Verbreitung erneuerbarer Energieträger und zur Energieeffizienzsteigerung, nachhaltige Energiesysteme, Energiemodelle und nachhaltige Energieszenarien.
#staytuned: Fragen an Reinhard Haas? Am 19.11. von 09:00-12:00 Uhr live auf TUW-Social Media: Facebook, Instagram und Twitter
Zur Reihe "Forum Zukunft"
In der Interviewreihe "Forum Zukunft" der TU Wien kommen zu unseren zentralen Zukunftsthemen Expert_innen zu Wort: Barbara Laa zu Verkehr, Azra Korjenic zu Bauen, Reinhard Haas zu Energie und Helmut Rechberger zu Abfall.
Bereits erschienen in "Forum Zukunft: Verkehrsplanerin BARBARA LAA im Interview, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster zu ihrer Vision vom Verkehr des Jahres 2040 und AZRA KORJENIC im Interview, öffnet eine externe URL in einem neuen Fenster zum Thema zukunftsfähiges und ökologisches Bauen.
#staytuned: Am 3. Dezember 2021 geht es im Forum Zukunft weiter mit Helmut Rechberger. Thema: Abfallwirtschaft.
Rückfragehinweis: Edith WILDMANN Technische Universität Wien Fachbereich PR und Marketing Resselgasse 3 | Stiege 2 | 2.Stock 1040 Wien Mobil: +43 664605882016 edith.wildmann@tuwien.ac.at www.tuwien.at/pr