Science Talk über Freundschaft: Weisheiten von Aristoteles bis Shakira
"Wozu sind Freunde/Freundinnen da?", lautete der Titel des "Science Talk", zu welchem das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung am Montagabend geladen hatte. Eine klare Antwort auf die Frage bekam das Publikum nicht, aber Aristoteles hätte sie wohl erst gar nicht gestellt. Denn, so der Philosoph: "Die Freundschaft ist eine Notwendigkeit."
"Wozu sind Freunde da? Das ist eine Frage, die damals so nicht gestellt worden wäre", sagte der deutsche Soziologe Frank Welz in Bezug auf den Titel der Veranstaltung in der Aula der Wissenschaften in Wien. "Was ist die Funktion des einen für den anderen? Was bringt der mir? Diese ganz andere Denkart unterscheidet uns drastisch von Aristoteles. Unsere Gegenwart ist eine ganz andere."
Über der Notwendigkeit der "philia"
Das Thema Freundschaft hatte für den griechischen Philosophen einen besonderen Stellenwert. Die "Nikomachische Ethik" des Aristoteles ist bis heute eines der einflussreichsten Werke in Bezug auf die Kultur des Abendlandes, in welcher vor mehr als 2.300 Jahren das heute äußerst aktuelle Thema erstmals in solcher Ausführlichkeit diskutiert wurde: die philia, die Freundschaft. Für Aristoteles war sie notwendig für ein glückliches Leben. Aber wie ist es um die Kameradschaft heutzutage bestellt?
"Freundschaft tut Not, hat aber heute keine Chance", so die These von Welz, der an der Universität Innsbruck tätig ist. "Wir leben in einer hoch differenzierten Welt. Wir sind immer mehr vereinzelt. Und in dieser Zeit der Individualisierung, da wäre die Freundschaft natürlich ungemein wichtig." Die Wettbewerbsgesellschaft, in der wir leben, mache das nur schwieriger. "Wenn die Arbeitswelt auf Konkurrenz aufgebaut ist, ist es schwierig, Freundschaft zu finden."
Keine einheitliche Definition
Wenn eines deutlich wurde an diesem Abend, dann die Tatsache, dass es keine einheitliche Definition für Freundschaft gibt. Für den einen ist ein Freund vielleicht schon jemand, mit dem man auf Facebook bekannt ist. Für den anderen muss es eine tiefe Verbindung geben.
Aristoteles unterscheidet zwischen verschiedene Arten von Freundschaften. Einige basieren auf Lust und Vergnügen. Andere basieren eher auf Nutzen - was bei dem Universalgelehrten gar nicht moralisch schlecht konnotiert ist. "Echte Freundschaft" aber basiere darauf, dass gute Menschen etwas Gutes zusammen schaffen wollen, dass sie ihr Leben miteinander teilen wollen.
Social Media verstärkt Problem
"Heutzutage ist es extrem schwierig, Zeit zu finden und am selben Ort zu bleiben", betonte Donata Romizi vom Institut für Philosophie an der Universität Wien. "Jetzt haben wir Social Media erfunden, um das Problem zu lösen, aber das ist eine Lösung, die das Problem zum Teil verstärkt", so die italienische Wissenschafterin, "weil viele Komponenten der Begegnung in dieser Art der Kommunikation fehlen."
Gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern, lautete eine weitere Frage des Abends: "In der historischen Literatur müsste man lange suchen, bis man Frauenfreundschaften überhaupt findet", sagte die Germanistin Karin S. Wozonig. "In der relevanten Literatur sind Jahrhunderte lang nur Männerfreundschaften für darstellungswert empfunden worden." Aber es gibt einen neuen Trend in der Gegenwartsliteratur, erzählte die Wissenschafterin: "Frauenfreundschaften verkaufen sich wirklich gut am Buchmarkt." Die Romane der italienischen Schriftstellerin Elena Ferrante zum Beispiel.
Zur Dauer von Freundschaften
Dass auch Freundschaften nicht immer halten, das wurde auch gut in der Männerfreundschaft zwischen Friedrich Nietzsche und Richard Wagner dokumentiert. Das war, im heutigen Sinne, fast schon eine "toxische Beziehung", die in die Brüche gegangen ist.
"Ich glaube, die Liebe kann vielleicht toxisch werden, aber die Freundschaft ist nicht institutionalisiert wie die Liebe in der Ehe", meinte Frank Welz. "Ich schließe mich Shakira an, die gesagt hat: Freundschaft währt länger als Liebe." Die Sängerin und der Fußballer Gerard Piqué gaben im Juni vergangenen Jahres ihre Trennung bekannt.
Einmal abgesehen von der kolumbianischen Künstlerin, wurden an diesem Abend viele Stimmen der Vergangenheit zitiert. Viele dieser Meinungen stammen von Männern, scheinen jedoch wenig mit unseren aktuellen Bedürfnissen und Eigenschaften zu tun zu haben, so die allgemein vernommene Publikumskritik. Das Publikum bemängelte eine zu vergeistigte, zu eng gehaltene und realitätsferne Diskussion, die "mit dem Blick in die Vergangenheit letzten Endes die Gegenwart ausblendet".
Zum Abschluss gab es spannende Fragen von den Gästen, die zum Teil offenbleiben müssen. Zum Beispiel, ob Freundschaft ein Begriff ist, der weiterexistieren wird? Oder ein Begriff, über den man eines Tages geschichtlich berichten wird, etwas, was im Duden vorkommt, aber darüber hinaus nicht?
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