Viele deutsche Industriebetriebe verlagern Forschung ins Ausland
Hohe Kosten, Bürokratie, lange Verfahren: Fast jedes dritte große Industrieunternehmen in Deutschland hat bereits Forschungs- und Entwicklungsbereiche ins Ausland verlagert oder erwäge dies, geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage des Allensbach-Instituts für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hervor.
"Die Abwanderung von Forschung und Entwicklung bedroht den Wirtschaftsstandort im Kern", kommentierte BDI-Präsident Peter Leibinger die Ergebnisse der Befragung von 274 Betrieben mit mindestens 250 Beschäftigten. "Mit den Innovationen geht auch die Voraussetzung für Wertschöpfung in Deutschland verloren."
Hohe Kosten belasten Unternehmen
Die Hauptgründe für die Verlagerung sind vor allem die Kosten: 58 Prozent geben dies an. Auch geringere Bürokratie im Ausland (47 Prozent) und eine größere Innovationsoffenheit an dortigen Standorten (34 Prozent) werden genannt. Zudem sind fast zwei Drittel der Unternehmen (64 Prozent) davon überzeugt, dass es ausländische Wettbewerber leichter haben, neue Ideen und Technologien umzusetzen.
Für vier von fünf großen Industrieunternehmen haben Innovationen eine zentrale Bedeutung für ihr Kerngeschäft. "Die Unternehmen haben ihre Forschungsausgaben in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht", sagte Leibinger. Deutschland verfüge grundsätzlich über ein starkes Innovationssystem. "Es fehlt jedoch an ausreichender Priorisierung, guter Koordination und schneller Umsetzung."
57 Prozent der Unternehmen halten das Land für weniger oder gar nicht gut geeignet für ihre Innovationsaktivitäten. Als größte Hindernisse nannten die Befragten strenge gesetzliche Vorgaben (76 Prozent) und lange Genehmigungsverfahren (62 Prozent). Skeptisch sind viele Unternehmen, ob Deutschland seinen Wettbewerbsrückstand schnell aufholen kann: 60 Prozent schätzen die Chancen dafür als gering ein. "Die Regulierungswut zerstört die Innovationsmentalität in Deutschland", sagte Leibinger.
Besorgnis um Abhängigkeit bei digitalen Schlüsseltechnologien
Besonders besorgt zeigten sich die Unternehmen über die Abhängigkeit von außereuropäischen Anbietern bei digitalen Schlüsseltechnologien wie Cloud-Systemen und Künstlicher Intelligenz. Drei Viertel sind alarmiert über die Abhängigkeit von China, gut die Hälfte beunruhigt die Abhängigkeit von den USA. "Digitale Schlüsseltechnologien dürfen nicht zur nächsten Abhängigkeitsfalle nach fossilen Energien und kritischen Rohstoffen werden", warnte Leibinger.