Warum die Biodiversität im Süßwasser so wichtig ist
Mehrfach wurde bereits gezeigt, dass in Seen, Flüssen und Feuchtgebieten die biologische Vielfalt rascher zurückgeht als im Meer oder an Land. Warum das schlecht ist und die Menschen die Biodiversität im Süßwasser zwingend brauchen, hat nun ein internationales Forscherteam mit österreichischer Beteiligung im Fachjournal "WIREs Water" dargelegt. Sie haben die wichtigsten Funktionen und Leistungen aufgelistet, die von der biologischen Vielfalt in Binnengewässern abhängig sind.
Tier- und Pflanzenarten im Süßwasser sind besonders gefährdet: Laut Roten Listen ist ein Drittel der Süßwasser-Tierarten vom Aussterben bedroht: rund 59 Prozent der Schildkröten, 20 Prozent der Fische, 37 Prozent der Säugetiere und 30 Prozent der Amphibien. Einer der Gründe dafür ist das Verschwinden von Lebensräumen: Feuchtgebiete sind weltweit zwischen 1970 und 2015 um ein Drittel geschrumpft und nur noch ein Drittel aller großen Flüsse kann ohne Barrieren wie Dämme oder andere Hindernisse ins Meer fließen.
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des United States Geological Survey (USGS) Climate Adaptation Science Centers und des deutschen Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) hat nun - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - die neun wichtigsten Ökosystemleistungen von Gewässern zusammengestellt, auf die ihrer Meinung nach die Menschheit nicht verzichten kann. Dem Team gehörte auch Rafaela Schinegger vom Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) an.
Gewässer-Ökosysteme als reichhaltige Nahrungsquelle
Als unverzichtbare Leistungen der Gewässer-Ökosysteme nennen die Wissenschafter etwa die große Bandbreite an Nahrung sowie anderer tierischer und pflanzlicher Produkte aus dem Süßwasser: Fisch sei in Ländern mit Nahrungsmittelknappheit eine extrem wichtige Eiweißquelle, und mit der Reispflanze "Oryza sativa" ernähre eine Süßwasserpflanze die Hälfte der Weltbevölkerung. Die Forscher heben auch die "entscheidende Bedeutung" von Süßwasserökosystemen für die Wasserreinigung und Trinkwassergewinnung hervor, ebenso wie jene für das Klima: Sie verweisen auf Schätzungen, wonach Feuchtgebiete und Moore etwa 20 bis 30 Prozent des globalen Kohlenstoffs speichern und somit eine wichtige Rolle im atmosphärischen Kohlenstoffkreislauf spielen.
"Süßgewässer wurden bisher vor allem als wichtige Ressource verwaltet und nicht als DER besondere und empfindliche Lebensraum für eine außergewöhnliche Vielzahl von Organismen, die all diese Leistungen erbringen", erklärte die Erstautorin der Studie, Abigail Lynch, vom USGS in einer Aussendung. Politik und Behörden sollten daher den Schutz der Biodiversität stärker ins Gewässermanagement integrieren. Für Schinegger ist interessant, wie die Erkenntnisse der Studie in die Umsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 münden können.
Service: Internet: https://doi.org/10.1002/wat2.1633