Vergabe des Erwin-Kräutler-Preises am 7. Oktober 2021
Der nach dem alternativen Nobelpreisträger benannte „Erwin-Kräutler-Preis für kontextuelle Theologie, interreligiösen Dialog und befreiungstheologische Forschung“ wird am 7. Oktober 2021 an der Universität Salzburg zum sechsten Mal vergeben. Diesjähriger Preisträger ist der aus Italien stammende und seit vielen Jahren in Brasilien tätige Theologe Stefano Raschietti. Er wird für seine zeitgemäße Interpretation von Mission ausgezeichnet.
Der Preis, der alle zwei Jahre vom „Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen“ der Universität Salzburg vergeben wird, will junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen fördern, die sich mit politischer Theologie, sozialer Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung beschäftigen - Themen, für die sich Bischof Erwin Kräutler seit über fünf Jahrzehnten im Amazonasgebiet engagiert.
Stefano Raschietti, 1963 in Vicenza (Italien) geboren, studierte in Parma Katholische Theologie. In Sao Paolo (Brasilien) absolvierte er das Masterstudium in Dogmatik mit Schwerpunkt Missionswissenschaft. Es folgte ein Doktoratsstudium in Theologie mit Schwerpunkt Pastoraltheologie an der Päpstlichen Universität von Parana, Curitiba, das er 2020 mit einer Dissertation zum Thema „Mission und Dekolonialität. Ein neues Paradigma von Mission in Lateinamerika“ abschloss.
Raschietti ist Mitglied der „Gesellschaft des hl. Xaver für auswärtige Missionen“ (SX, „Xaverianer-Missionare“). Seit dreißig Jahren nimmt er in Brasilien Aufgaben im Bereich der missionarischen Bildung und der Beratung der lateinamerikanischen Bischofskonferenz wahr. Zudem lehrt er an verschiedenen Universitäten in Brasilien. Derzeit ist er Mitglied des Lateinamerikanischen Netzwerks der Missionswissenschaftler*innen und Direktor des „Centro Cultural Conforti“ in Curitiba (Brasilien).
Warum die international besetzte Jury zur Vergabe des Erwin-Kräutler-Preises den diesjährigen Preis Stefano Raschietti zuerkennt, erklärt Franz Gmainer-Pranzl, Leiter des „Zentrums Theologie Interkulturell und Studium der Religionen“ so:
„Angesichts der Alternative zwischen völliger Ablehnung missionarischen Handelns einerseits und einer – medial modern inszenierten – neokolonialen Vorstellung von „Mission“ andererseits greift Stefano Raschietti die Diskussion über die Mission der Kirche auf, mit besonderem Bezug auf die Auseinandersetzung seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil über die Generalversammlungen der lateinamerikanischen Bischöfe von Medellín 1968 bis Aparecida 2007 bis hin zur Amazonassynode 2019. Raschietti zeigt auf, wie eine dekolonial informierte Missionstheologie erarbeitet werden kann. „Mission“ erweist sich hier nicht als Überbleibsel einer vormodernen Religionspolitik, sondern als Ausdruck eines wechselseitigen Lernprozesses, der sowohl kulturell, politisch, religiös als auch theologisch relevant ist.“
Und worin besteht der Bezug Raschiettis zu Erwin Kräutler? Nicht nur, dass Kräutler den Preisträger persönlich kennt und schätzt, sondern vor allem auch im Tun der beiden, so Gmainer-Pranzl: „Was Raschietti missionswissenschaftlich reflektiert, verwirklicht Kräutler seit Jahrzehnten konkret in seiner pastoralen Tätigkeit in der Xingu-Region: Dialog mit der indigenen Bevölkerung, Engagement für die Erhaltung des Regenwaldes, Option für die Armen, Umsetzung einer befreiungstheologischen Vision von Kirche und Gesellschaft und nicht zuletzt ein zutiefst dekolonialer Ansatz von Verkündigung und Mission, der auch politische Konsequenzen hat. Von daher erweisen sich die dekoloniale Praxis des bischöflichen Dienstes von Erwin Kräutler sowie die Rezeption dekolonialer Theorien in der missionswissenschaftlichen Dissertation von Stefano Raschietti als Impulse, die über den Kontext Brasiliens hinaus zu denken geben.“
Zur Person von Erwin Kräutler
Erwin Kräutler wurde 1939 in Koblach (Vorarlberg) geboren und trat 1958 in den Orden der Missionare vom Kostbaren Blut ein. Nach dem Studium der Theologie und Philosophie an der Universität Salzburg wurde Kräutler 1965 zum Priester geweiht. Im selben Jahr ging er als Missionar in das Gebiet des Xingu, eines der großen Nebenflüsse des Amazonas in Nordostbrasilien. 1981 übernahm Kräutler die Leitung der Prälatur Xingu, der flächenmäßig größten Diözese Brasiliens (354.000 km2).
Kräutlers Tätigkeit als Bischof ist geprägt von seinem Einsatz für die Rechte der Indios und der unterdrückten Menschen im Amazonasgebiet. Weder eine Festnahme durch die Militärpolizei, bei der er zusammengeschlagen wurde (1983), noch ein Mordanschlag, bei dem Kräutler durch einen Autounfall schwer verletzt wurde (1987), noch mehrfache Morddrohungen aufgrund seines Widerstands gegen das Staudammprojekt Belo Monte und seiner Anklagen einflussreicher Personen im Zusammenhang von sexuellem Missbrauch bzw. Prostitution von Kindern und Jugendlichen konnten ihn von seiner gelebten „Option für die Armen“ abhalten. Diese steht im Mittelpunkt der in Lateinamerika entstandenen Befreiungstheologie. Die Option für die Armen versteht sich als Stimme der Armen und will zur Befreiung von Ausbeutung, Entrechtung und Unterdrückung beitragen. In der Befreiungstheologie verbindet sich christliche Glaubenshaltung mit gesellschaftspolitischem Engagement.
Neben zahlreichen internationalen Auszeichnungen (u. a. mit dem Right Livelihood Award 2010, auch „Alternativer Nobelpreis“ genannt) wurde Erwin Kräutler am 7. Oktober 2009 das Ehrendoktorat der Universität Salzburg verliehen.
Der Preis
Die Vergabe des „Erwin Kräutler-Preises für kontextuelle Theologie, interreligiösen Dialog und befreiungstheologische Forschung, die erstmals im Jahr 2011 erfolgte, resultiert aus der Verleihung des Ehrendoktorats der Universität Salzburg an den Bischof im Jahr 2009.
Der Preis, der alle zwei Jahre vom „Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen“ der Universität Salzburg vergeben wird, ist mit 3.000 Euro dotiert. Er möchte junge Wissenschaftler*innen fördern, die sich mit jenen Fragen auseinandersetzen, für die sich Erwin Kräutler engagiert. Vorrangig berücksichtigt werden Dissertationen aus der Theologie. Über die Vergabe entscheidet eine fünfköpfige Jury (Prof. Margit Eckholt, Universität Osnabrück; Dr. Eneida Jacobsen, Vilanova University, USA; P. Christian Taucher SVD, Steyler Missionswissenschaftliches Institut, Sankt Augustin bei Bonn; Prof. Alois Halbmayr, Universität Salzburg; Prof. Franz Gmainer-Pranzl, Universität Salzburg).
Preisverleihung
6. Vergabe des „Erwin-Kräutler-Preises für kontextuelle Theologie, interreligiösen Dialog und befreiungstheologische Forschung“
Wann: Donnerstag, 7. Oktober 2021 um 18:00 Uhr
Wo: Hörsaal 101 der Katholisch-Theologischen Fakultät, Universitätsplatz 1, 5020 Salzburg
Kontakt Univ.-Prof. DDr. Franz Gmainer-Pranzl Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen Fachbereich Systematische Theologie Paris Lodron Universität (PLUS) Universitätsplatz 1 5020 Salzburg t.: +43 (0) 662 8044-2759 mob.: +43 (0) 676 4053 482 E-Mail: franz.gmainer-pranzl@plus.ac.at www.uni-salzburg.at/ztkr/franz.gmainer-pranzl