"Vom Nischenphänomen auf die große Wirtschaftsbühne"
Wenn man vor zehn Jahren bei einer Business-Veranstaltung auf die Smalltalk-Frage "Und was machen Sie eigentlich so?" die Antwort "Ich bin Gründer eines Start-ups, wir suchen gerade einen Business Angel" gab, erntete man eine erstaunte Miene - und wurde nicht weiter ernst genommen. Heute gibt das Vis-a-Vis mit einem interessierten "Ist nicht wahr, was genau machen Sie denn" das Signal am Interesse der weiteren Kommunikation. Und nennt einige Minuten später mehrere Personen, die in das Start-up investieren könnten.
Was ist da passiert? Warum ist das Thema "Start-ups" plötzlich Top of Mind bei erfolgreichen Managern und vermögenden Privatpersonen? Warum nimmt sich nun auch die Regierung auf Ebene von Ministern und Staatssekretären des Themas an? Warum ist das Umsetzen von riskanten Geschäftsmodellen mit großem Skalierungspotenzial innerhalb von zehn Jahren von einer Randerscheinung auf die Coverseiten der Medien gerückt?
Meine zentrale These: Die Zeit war reif für einen Start-up-Boom, weil es zu Start-ups keine Alternative gab und gibt. Start-ups haben die Chance, auch in wirtschaftlich schwierigen Phasen zu reüssieren. Sie agieren schnell, sind extrem schlank in ihren Strukturen und können Nischen besetzen, die für etablierte Unternehmen entweder wirtschaftlich uninteressant oder aufgrund träger Prozesse unerreichbar sind. Die Wirtschaftskrise bildete meiner Meinung nach einen günstigen Nährboden, auf dem Start-ups zu einer echten Alternative im Wirtschaftsleben reifen konnten - und oft zum einzigen Träger von positiven Wirtschaftsnachrichten wurden.
Mitten in der tiefsten Krise stampften vor einigen Jahren beispielsweise eine Handvoll Studenten mit dem "Pioneers Festival" eine Start-up-Veranstaltung aus dem Boden, die seither Jahr für Jahr tausende internationale Gäste, unbändigen Gründergeist und unternehmerische Initiative nach Wien bringt. Erfolgreiche Role-Models wie Runtastic, Watchadoo, Payolution oder wikifolio, um nur einige von vielen möglichen zu nennen, zeigten, dass man mit Start-ups nicht nur Exits erzielen, sondern auch nachhaltig erfolgreiche Unternehmen aufbauen kann.
Die Wurzeln des jetzigen Start-up-Booms liegen aber weiter zurück. Einzelne herausragende Unternehmerpersönlichkeiten hatten zwischen 2000 und 2005 in Österreich die ersten relevanten Exits erzielt. Das daraus resultierende Kapital, aber noch viel wichtiger, der "Entrepreneurial Spirit" und die gewonnene Erfahrung sowie das internationale Netzwerk flossen zurück in die junge, österreichische Start-up-Szene. Die ersten Coworking-Spaces entstanden, Gemeinschaftsbüros, die für Start-ups einen wichtigen Nährboden vor allem in den sehr frühen Unternehmensphasen bilden.
Die Start-ups begannen sich zu vernetzen, die ersten Start-up-Events entstanden. Weitere erfolgreiche Exits und damit die zweite Welle von "Serial Entrepreneurs" folgten - denn die meisten einmal erfolgreichen Gründer werden zu Wiederholungstätern. Privates Risikokapital wurde auf die entstehende Szene aufmerksam. Start-ups begannen, als echte Alternative in der Geldanlage wahrgenommen zu werden. Die Business Angels begannen sich zu organisieren und zu vernetzen; Kapital wurde in Fonds gebündelt - plötzlich entstanden Szenarien, die Antworten auf die in Österreich meist schwierige Frage einer Anschlussfinanzierung in Wachstumsphasen gaben.
Trotz aller positiven Entwicklungen dürfen wir die Herausforderungen nicht übersehen, die vor uns liegen. Professionalisierung, verdichtete nationale und internationale Vernetzung, das Vermitteln von unternehmerischen Fähigkeiten bereits in der Schule, weiter verbesserte Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen - all das und noch viel mehr muss in den nächsten Jahren gelöst werden. Aber: Die Grundlagen sind geschaffen, Österreich hat die Chance, ein Start-up-Land zu werden. Und muss es auch, denn es ist ein alternativloses Szenario in einer globalisierten und innovationsgetriebenen Wirtschaft.