Hunderttausend Liter Wasser pro Sekunde formten Eisriesenwelthöhle
Die Eisriesenwelt in Salzburg entstand vor fünf bis zehn Millionen Jahren, indem bis zu 100.000 Liter kohlensäurehaltiges Wasser pro Sekunde in nordöstliche Richtung durch Ritzen und Spalten im Gestein des heutigen Tennengebirges bei Werfen strömten, berichtet Lukas Plan vom Naturhistorischen Museum (NHM) in Wien mit Kollegen. Damals waren die Kalkmassen allerdings auf Grundwasserniveau und noch kein Bergmassiv. Die Studie ist in der Fachzeitschrift "Die Höhle" erschienen.
Der Druck des Wassers war zeitweise so hoch, dass es beim heutigen Höhleneingang 140 Meter aufwärts floss, so die Forscher in einer Aussendung des NHM. Dort befand sich einst ein Siphon, also ein mit Wasser gefüllter, u-förmiger Röhrengang. Die Wassermassen stammten wahrscheinlich von den Zentralalpen, die südlich des Tennengebirges aufragen. Davon zeugen Gesteinsbruchstücke in Form von Sand und Kies in der Höhle, die wohl aus den Zentralalpen in die Höhle geschwemmt wurden.
Die Fließrichtung und Geschwindigkeit haben die Forscher um Plan anhand von "Fließfacetten" in den Höhlenwänden eruiert. Das sind asymmetrische, muschelförmige Vertiefungen, die durch Wasserwirbel geformt werden.
Sämtliche große Höhlen in Österreich sind auf solche Art entstanden, erklärte Plan der APA im Vorfeld eines am Freitag stattfindenden Symposiums in Wien: "Wenn Kohlensäure-haltiges Wasser durch Risse und Ritzen sickert, löst es das Gestein und es entstehen Röhren". Das Ganze passiert stets im Talniveau unter dem Grundwasserspiegel, und - für geologische Maßstäbe - recht rasch, nämlich in einigen Zehntausend Jahren. Wenn das Gestein später durch tektonische Kräfte hochgehoben wird und ein Gebirge entsteht, ist dieses bereits von Höhlen durchzogen. "Sie können dann viele Millionen Jahre bestehen, bis der Berg von oben her abgetragen wird", so der Forscher.
Highlights für Höhlenforscher
Die österreichischen Alpen haben den Höhlenforschern einige Highlights zu bieten, sagte er: "Der Lamprechtsofen bei Leogang in Salzburg ist zum Beispiel mit 1.727 Metern Höhenunterschied die fünfttiefste Höhle der Welt und die tiefste in Österreich." Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts war sie das Ziel von Glücksrittern, die dort einen Schatz eines Ritters Lamprecht vermuteten. Es ist nicht belegt, dass jemals einer entdeckt wurde. Einige von ihnen ließen jedoch ihr Leben, wie Skelettfunde belegten.tiefste in Österreich." Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts war sie das Ziel von Glücksrittern, die dort einen Schatz eines Ritters Lamprecht vermuteten. Es ist nicht belegt, dass jemals einer entdeckt wurde. Einige von ihnen ließen jedoch ihr Leben, wie Skelettfunde belegten.
Ab den 1960er-Jahren wurde die Höhle intensiv erforscht. Die Forscher erkundeten sie von ihrem Eingang im Saalachtal nach oben hin, und kletterten gut Tausend Meter weit durch ihre Gänge hinauf. Weil dies sehr mühsam und zeitaufwendig war, verlegten sie sich später darauf, Schächte weiter oben in den Leoganger Steinbergen darauf zu untersuchen, ob sie mit dem Lamprechtsofen in Verbindung stehen. Auf diese Art fanden sie Zusammenschlüsse immer weiter oben im Gebirge und erweiterten damit das bekannte Höhlensystem.
Die beiden längsten Höhlen Österreichs befinden sich im Toten Gebirge zwischen Alt Aussee und Bad Ischl, so der Forscher: "Das Schönberg-Höhlensystem hat 153 Kilometer Länge, rechnet man alle bekannten Gänge zusammen." Nur zwei Kilometer entfernt ist das Schwarzmooskogel-Höhlensystem mit 136 Kilometern. "Wenn man die beiden vielleicht irgendwann verbinden kann, hätte das gemeinsame Höhlensystem rund 300 Kilometer", sagte er.
Die Erforschung der Höhlen ist "eine Freizeitbeschäftigung von gut ausgebildeten und ausgerüsteten Citizen-Scientists (Laienforschern, Anm.)", erklärte Plan. Neben viel Wissen und Können müssen sie eine umfangreiche Ausrüstung in den Berg mitnehmen, wie etwa Seile, Bohrmaschinen, Haken, Steigklemmen, spezielle Schutzanzüge und warme Schlafsäcke. Er selbst habe seit seiner Teenager-Zeit Höhlen erforscht, aus diesem Interesse Geologie studiert und dann "das Glück gehabt, in der Karst- und Höhlen-Arbeitsgruppe des Naturhistorischen Museums Wien einen Job zu finden". Dort untersucht er die Entstehung von Höhlen, ihre Ablagerungen und das Wechselspiel von Wasser und Gestein (Hydrologie). Letzteres ist zum Beispiel beim Hochschwab ein wichtiges Thema, wo ein Großteil des Wiener Hochquellwassers herstammt. Dort gäbe es noch viele "weiße Flecken", nämlich 700 Höhleneingänge, wo noch niemand weit vorgedrungen ist, um sie zu kartieren und zu vermessen.
"Höhlen - Die geowissenschaftliche Erforschung der letzten weißen Flecken der Erde" ist auch das Thema des von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der Universität Innsbruck und dem Naturhistorischen Museum Wien veranstalteten Symposiums am Freitag (12. November) im NHM in Wien.
Service: Link zum Symposium: https://www.oeaw.ac.at/geok/detail/event/hoehlen, Publikation zur Eisriesenwelt: http://go.apa.at/l4y83Nid, Informationen zum Internationalen Jahr der Höhlen und des Karstes: www.iyck2021.org