Glasgow-Klimakonferenz könnte Erwärmung noch unter zwei Grad halten
Die bei der UN-Klimakonferenz "COP26" in Glasgow (Großbritannien) vereinbarte deutliche Senkung der CO2-Emissionen hat zumindest theoretisch das Potenzial, den Temperaturanstieg auf ein Plus von unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Das hat ein internationales Forscherteam in einer neuen Studie im Fachmagazin "Nature" errechnet. Dazu müssten aber alle Zusagen auch minutiös eingehalten und schnell umgesetzt werden. Das 1,5-Grad-Ziel scheint kaum einzuhalten.
Laut den Plänen der EU dürfen bis 2050 nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden, als auf anderem Weg kompensiert werden. Es würden dann die sogenannten Netto-Null-Emissionen erreicht. Zumindest bis 2030 will die Staatengemeinschaft mindestens 55 Prozent weniger Treibhausgas ausstoßen als im Vergleichsjahr 1990. Auch der mittlerweile größte CO2-Emissionsverursacher, China, möchte bis zum Jahr 2060 klimaneutral sein. Die USA als zweitgrößter CO2-Produzent haben sich dieses Ziel bis 2050 gesteckt.
Verschiedenste nationale Ziele
Dazu kommt eine Vielzahl an Ländern, die sich verschiedenste nationale Ziele gesetzt haben oder dies tun wollen. Insgesamt 153 Länder, die beim Pariser Klimaabkommen von 2015 mit an Bord sind, haben ihre Reduktionsziele für 2030 seither überarbeitet, 75 Staaten oder Staatenbünde haben ihre Position in längerfristigeren Bekenntnissen formuliert. Diese gehen teils über die Zusagen hinaus, die sie 2015 abgegeben haben. Derartige Aussagen sind allerdings vielfach schwer miteinander vergleichbar und wenig konkret, monieren Experten immer wieder.
Würden die Zusagen, die einige Zeit vor der COP26 im Herbst 2021 gemacht wurden, auch tatsächlich fristgerecht umgesetzt, läge die Wahrscheinlichkeit für ein Überschreiten des Zwei Grad-Ziels immer noch bei um die 50 Prozent, berechnete nun das Forscherteam um Studien-Erstautor Malte Meinshausen von der University of Melbourne (Australien). Zu ähnlichen Ergebnissen kamen kürzlich auch andere Untersuchungen. Die bis zum Ende der Konferenz Anfang November gemachten neuen Ziele der 196 Teilnehmerländer des Pariser Abkommens ändern diese Einschätzung aber ein Stück weit, so die neuen, mit Beteiligung vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien erstellten Modellierungen.
Gute und schlechte Nachrichten
Die Studie beinhalte sowohl gute als auch schlechte Nachrichten, so Meinshausen in einem Pressegespräch. So sehe man erste Hinweise, dass es eine reale Chance darauf gibt, dass die Welt unter dem "historischem Meilenstein" einer Erwärmung knapp unter zwei Grad bleiben könnte. Die Analyse weist die Wahrscheinlichkeit dafür nun mit über 50 Prozent aus.
Dies könne aber nur eintreten, wenn rasch die Emissionen reduziert würden. Die Politik dazu "ist aber noch nicht implementiert", so der Wissenschafter. Das Ergebnis der Studie sollte daher keineswegs die Motivation in Richtung Umsetzung schmälern. "Es ist viel zu tun", sagte Meinshausen.
Die Untersuchung zeige erstmals, dass bisher gemachte Zugeständnisse tatsächlich den Weg in Richtung einer Temperaturerhöhung von 1,8 bis zwei Grad bis zum Jahr 2100 weisen. Die Schwankungsbreite der Analysen ließen aber auch ein Plus von 2,8 Grad im schlechtesten Fall zu, die Unsicherheiten seien groß, so der auch am IIASA tätige Forscher Zebedee Nicholls. Es gebe "keine Garantien", erklärte Christophe McGlade von der Internationalen Energieagentur. Seit 2015 habe man Fortschritte registriert, die echte Umsetzungsarbeit beginne aber erst jetzt.
Das fragliche 1,5-Grad-Ziel
Man dürfe auch das 1,5-Grad-Ziel nicht vergessen. Den Berechnungen zufolge besteht nur eine Chance von sechs bis zehn Prozent, dass es mit den erfüllten Glasgow-Zugeständnissen erreicht wird. Geht alles weiter wie bisher, wird noch in diesem Jahrzehnt so viel CO2 ausgestoßen, dass sich dieses Ziel gar nicht mehr ausgeht. Der aktuelle IPCC-Bericht zeigt, dass es eine Reduktion von 43 Prozent bis 2030 bräuchte. Dies könne mit aktuell schon vorhandenen Technologien bereits erreicht werden, betonte McGlade.
Auch im Angesicht des Ukraine-Krieges und den dadurch stärker zutage tretenden Energieabhängigkeiten sieht er die Welt an einem "Wendepunkt". Ob daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden, sei natürlich noch unklar. Sehr bewusst müsse einem aber sein, dass Industrieländer weniger entwickelten Staaten mehr Hilfe beim Einhalten von Klimazielen geben müssten.
Publikation: https://doi.org/10.1038/s41586-022-04553-z