Klima-Glossar: Permafrost
Kühn thront das Observatorium Sonnblick auf dem Gipfel des gleichnamigen Berges in den Hohen Tauern. Anfang der 2000er-Jahre warf die auf 3.106 Meter Seehöhe gelegene Forschungsstation einen medialen Schatten, weil das Gebäude in den Abgrund zu stürzen drohte. Grund dafür war der immer instabiler werdende Fels. Durch die höheren Temperaturen in Felsklüfte dringendes Wasser sowie der auftauende Permafrostboden konnten als Ursache ausgemacht werden.
Immer dann, wenn die mediale Aufmerksamkeit auf derartige alpine Problemzonen gerichtet ist, hat der Begriff Permafrost einen fixen Platz in der Berichterstattung. Er wird in diesem Zusammenhang gerne als "Kleber" oder "Kitt" erwähnt, der die Berge im Innersten zusammenhält. Doch Permafrost ist mehr als nur das und weiter verbreitet als nur im Gebirge. Und das Auftauen des Permafrostes zieht weltweit gravierende Folgen nach sich.
Als Permafrost oder auch Dauerfrostboden wird Untergrundmaterial bezeichnet, das mindestens für die Dauer von zwei Jahren eine Temperatur unter null Grad aufweist. Er existiert in verschiedenen Ausprägungen: als kontinuierlicher Permafrost, wenn über 90 Prozent des Bodens gefroren sind, zwischen 90 und 50 Prozent heißt er diskontinuierlich, zwischen 50 und zehn Prozent sporadisch und unter zehn Prozent wird er als inselhafter Permafrost bezeichnet. Darüber befindet sich stets eine sogenannte aktive Schicht, die im Sommer auftaut und deren Mächtigkeit zwischen wenigen Zentimetern und mehreren Metern betragen kann. Der Permafrostboden selbst kann mehrere hundert Meter in die Tiefe reichen, in Teilen Sibiriens sogar bis 1.500 Meter. Darunter befindet sich der Talik, so wird der nicht-gefrorene Bereich genannt. Dieser kann sich an manchen Stellen mitten im Permafrost oder auch unter dem Auftauboden befinden.
Bis 25 Prozent der Landfläche ständig gefroren
Weltweit sind 20 bis 25 Prozent der Landfläche der Erde ständig gefroren - hauptsächlich auf der Nordhalbkugel. Auf der Südhalbkugel kommt Permafrost nur sehr selten in Hochgebirgen, eisfreien Gebieten der Antarktis und auf subantarktischen Inseln vor. Die größten Permafrostgebiete liegen mit Grönland (99 Prozent des Staatsgebietes liegen in der Permafrostzone), Alaska (80 Prozent), Russland (50 Prozent) und Kanada (40 bis 50 Prozent) auf der Nordhalbkugel. Auf der Südhalbkugel kommt er nur in Hochgebirgen und in eisfreien Gebieten vor. Dieser polare Permafrost stammt zum größten Teil aus der letzten Eiszeit zwischen 115.000 und 11.600 v. Chr., als Nord- und Mitteleuropa unter einer mächtigen Eisschicht lagen. Sibirien und einige andere Nordregionen waren zu dieser Zeit nicht von einem Eisschild isoliert, was das Frieren des Untergrundes in sehr tiefe Lagen ermöglichte.
In den Alpen findet man Dauerfrostböden ab einer Höhe von 2.500 Metern im Mittel. Die scharfe Abgrenzung ist schwierig, da in der ungleichförmigen Landschaft der Berge auch Einflussfaktoren wie Hangneigung, Exposition, Vegetation und die Beschaffenheit des Untergrundes eine wichtige Rolle spielen. Daher tritt alpiner Permafrost eher kleinräumig mit einer Mächtigkeit zwischen einigen Dekametern und mehreren hundert Metern auf, häufig auch als sogenannter Blockgletscher. "Dies sind Gemenge aus Schutt und Eis, die sich - ähnlich einem normalen Eisgletscher - langsam hangabwärts bewegen, wobei die Bewegungsgeschwindigkeit der Blockgletscher normal viel geringer ist", erklärt Andreas Kellerer-Pirklbauer von der Universität Graz.
Laut Prognosen könnten nun weltweit 25 bis 44 Prozent der Permafrostregionen auftauen und dessen Grenze sich bis Mitte des Jahrhunderts um bist zu 300 Meter nach oben verschieben. Die Konsequenzen wären fatal, denn das Auftauen des polaren Dauerfrostbodens gilt als ein Kippelement der globalen Erwärmung. Die Konsequenzen sind dabei sehr vielschichtig, die wohl bedrohlichste Folge jedoch wäre die Freisetzung von sehr hohen Mengen der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan. Das in den Böden eingefrorene organische Material wird durch die Erwärmung einem bakteriellen Zersetzungsprozess unterworfen, wodurch ein Mehrfaches der bisher vorhandenen Menge dieser Gase in die Atmosphäre gelangen könnte. Dies hätte eine Beschleunigung der Klimaerwärmung und damit unter anderem ein schnelleres Auftauen weiterer Permafrostgebiete zur Folge.
Verlust der Bodenfestigkeit führt zu Problemen
Das Tauen des bis in mehrere hundert Meter gefrorenen Bodens geht langsam vor sich. Zuerst taut die Oberfläche auf und es bildet sich sogenannter Thermokarst. Dabei handelt es sich um Absenkungen und Einbrüche des Bodens, die sich mit Wasser füllen. Taut der Boden weiter in die Tiefe, versickern diese Seen und Sümpfe und es kommt zu einer Ansiedelung von neuen Pflanzengemeinschaften. Sträucher und Bäume besiedeln die ehemals kargen Flächen und können der Atmosphäre Kohlenstoff entziehen. Diese positive Reaktion wird jedoch vom Albedo-Effekt wieder abgeschwächt. Albedo bezeichnet das Rückstrahlungsvermögen einer Oberfläche. Eis und Tundra können mehr Sonnenenergie zurück strahlen als dunkler Wald. Das bedeutet, dass sich Gebiete mit Wald schneller erwärmen als jene mit hellen Oberflächen.
Auch auf lokaler Ebene führt der Verlust der Bodenfestigkeit zu mehreren Problemen. So wäre etwa die Erreichbarkeit diverser Regionen über Monate eingeschränkt, wenn nicht gleich unmöglich, da die Straßen, Brücken und Schienen zum größten Teil von dem dauerhaft gefrorenen Untergrund stabilisiert werden. In den vergangenen 40 Jahren haben sich die Zeiträume, in denen Transportwege aufgrund des sich ausbreitenden Thermokarst nicht befahrbar sind, ausgeweitet. Als weitere Konsequenz dieser Entwicklung würden Regionen aufgrund der Destabilisierung von Siedlungen und der Umweltverschmutzung durch beschädigte Pipelines und Industrieanlagen unbewohnbar.
Berge verlieren an Stabilität
Mit Stabilitätsverlust haben auch die Berge zu kämpfen. Die Folgen der weicher werdenden Böden zwischen und unter den Felsen sind Fels- und Bergstürze. In sehr warmen Sommern, wie sie die letzten Jahre der Fall waren, stürzen riesige Felsblöcke häufiger aus Graten und Flanken auf Gletscherflächen und Schuttkare, verschütten Wege und gefährden Bergsteiger und Schutzhütten. Stürzen allerdings ganze Hänge in den Abgrund, werden auch die darunter liegenden Siedlungen von Geröll- und Schlammmassen bedroht. Das wohl eindrucksvollste Beispiel für die Auswirkungen der Tauprozesse ist der Piz Cengalo (CH/ITA). Seit 2011 kommt der Berg nicht zur Ruhe, immer wieder brechen Gesteinsmassen von bis zu 1,5 Mio. Kubikmetern Ausmaß aus der Nordwand des Berges. 2017 richtete eine durch einen Bergsturz ausgelöste Mure im Ort Bondo große Schäden an und kostete acht Menschen das Leben.
Die Auflösung der Permafrostböden in den Alpen hat einen wesentlichen Einfluss auf die Naturgefahrenprozesse. Diesen erforscht die Universität Graz gemeinsam mit "GeoSphere Austria" (GSA, vormals ZAMG) im Projekt permAT zur Sicherheit von Straßen, Seilbahnen, Berghütten und Wanderwegen. Das Sonnblick-Observatorium in den Hohen Tauern konnte durch eine aufwändige Sanierung vor dem Sturz in die Tiefe bewahrt werden. Um die Erde aber vor den Folgen des tauenden Permafrostes zu bewahren, wird mehr notwendig sein.