"Findling" Kaspar Hauser war zu 99,9994 Prozent kein Prinz
Im unendlichen Lebens-Rätsel des berühmten Findlings Kaspar Hauser, dessen Identität und Herkunft seit fast 200 Jahren Gegenstand von Forschung und Diskussionen sind, liegt eine wesentliche Lösung vor. Mit neuen, hochsensitiven DNA-Analysemethoden fanden Forscher der Medizinischen Universität Innsbruck heraus, dass eine mütterliche Verwandtschaft zum Haus Baden und damit die weit verbreitete Prinzentheorie "mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit" auszuschließen ist.
"Kaspar Hauser war zu 99,9994 Prozent kein Prinz", verdeutlichte die Med Uni in einer Aussendung am Dienstag auch zahlenmäßig anschaulich diese mehr als an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Die "Prinzentheorie" war neben der Meinung, er sei lediglich ein mehr oder weniger pathologischer Lügner und Betrüger gewesen, die langlebigste Theorie. Sie lautete, Hauser wäre der am 29. September 1812 geborene badische Erbprinz, der im Alter von nur 18 Tagen und noch vor Namensgebung starb.
Als 16-Jähriger war Hauser im Jahr 1828 in Nürnberg ungelenk wankend und verwirrt wirkend aufgegriffen worden - angeblich bis dahin aufgewachsen in einem Verlies bei Wasser und Brot und ohne echte Kontakte zur Außenwelt. So soll er auf dem Stand eines zwei- bis dreijährigen Kindes geblieben sein.
Das Rätsel um seine Herkunft ist bis heute ungelöst, Hauser öffnete es zu Lebzeiten rasch die Türen zu bürgerlichen Kreisen. Im Dezember 1831 zog er dann nach Ansbach, wo er die Stelle eines Gerichtsschreibers annahm. Schon zwei Jahre später starb er - wenige Tage nach einer angeblichen Messerattacke im Ansbacher Hofgarten.
Drei Haarlocken: DNA-Analyse brachte etwas Licht in rätselhaftes Leben
Nunmehr wurde offenbar mehr Licht in die bisher strittige Herkunft Hausers gebracht. Verwendet wurden dafür drei Haarlocken, die sich in Privatbesitz befinden und Kaspar Hauser zugeordnet werden. Die DNA-Sequenz weiche demnach deutlich von der "badischen" Abstammungslinie ab. "Das schließt eine mütterliche Verwandtschaft zum Haus Baden und damit die weit verbreitete Prinzentheorie aus", erklärte Walther Parson vom Institut für Gerichtliche Medizin, der an der Forschungsarbeit federführend beteiligt war. Das Fachjournal "iScience" publizierte nun die Studie.
Die Autoren betonten allerdings, dass das Ergebnis "nicht als ein Beleg für die konkurrierende Betrügertheorie missverstanden werden sollte". Denn auch wenn Kaspar Hauser kein badischer Prinz war, könnte er dennoch Opfer verschiedener Verbrechen gewesen sein, hieß es.
Schon eine 1996 publizierte Genanalyse hatte gezeigt, dass eine Hauser zugeschriebene Blutprobe nicht vom badischen Erbprinzen stammen kann. Doch nunmehr, durch die Einbeziehung unterschiedlicher Proben, die identische Ergebnisse erbrachten, konnten die Wissenschafter - im Unterschied zu 1996 - die Authentizität der untersuchten Proben und ihre Zugehörigkeit zu Hauser nachweisen und das mit einem "beeindruckenden Sicherheitslevel von 99,9994 Prozent", wie betont wurde.
Kein Tiroler
Die Wissenschafter stellten übrigens nun darüber hinaus fest, dass es nicht möglich sei, genaue Informationen über seine exakte geografische Herkunft abzuleiten. Die Behauptung eines deutschen Neurologen, er habe eine Herkunft Hausers aus Tirol nachgewiesen, beruhe nicht auf anerkannten wissenschaftlichen Fakten und Konzepten. Tatsächlich seien Identität und Herkunft nach wie vor unklar. Durch die Analyse der mitochondrialen DNA habe lediglich die "populärste Theorie" ausgeschlossen werden können, so die Forscher der Med Uni Innsbruck. "Um seiner tatsächlichen Identität näherzukommen, wären Analysen der Kern-DNA sehr wünschenswert, was jedoch nicht anhand seiner Haarproben, sondern nur mit Proben von Blut oder Knochen möglich ist", erläuterte Parson.