Möchtegern-Wissenschaftskrimi: "Das Institut" im Theater Drachengasse
Sie sind uralt und mikroskopisch klein. Mikroben waren lange vor dem Menschen auf der Erde und werden diesen wohl auch überleben. In Ulrike Syhas Stück "Das Institut" hat ein Team aus Meeresbiologen Mikroben aus einer Tiefe von mehreren tausend Metern geborgen und hofft aus den gesammelten Daten Erkenntnisse über den Klimawandel zu gewinnen. In der Forschungsstation regieren jedoch Konflikte und Intrigen. Die Uraufführung im Theater Drachengasse überzeugte nicht.
Syha, 1976 in Wiesbaden geborene und mehrfach ausgezeichnete Autorin, hat ihr Stück im Rahmen eines Rechercheaufenthalts am Hanse-Wissenschaftskolleg in Kooperation mit dem akademischen Forschungsprogramm Fiction Meets Science entwickelt. Das hehre Ziel, mal zur Abwechslung aktuelle Fragen des Wissenschaftsbetriebs auf die Bühne zu bringen, wurde durchaus erreicht, die Aufgabe, daraus aber keinen Essay mit verteilten Rollen, sondern ein Stück mit plastischen Figuren, spannenden Fragestellungen und interessanter Handlung zu machen, jedoch glatt verfehlt.
Von den Mühen heutiger Forschungsarbeit
Eine ganze Menge Text über die Mühen heutiger Forschungsarbeit, das Auftreiben von Finanzierungen, den Konkurrenzdruck sowie die Notwendigkeit, für Geldgeber und Öffentlichkeit relevante Ergebnisse zu liefern und diese auch gekonnt medial zu verwerten, wird auf sechs Figuren aufgeteilt. Die Forschungsleiterin (Zeynep Buyraç) kämpft mit dem Projekt um ihr Lebenswerk, eine ehrgeizige Postdoc (Johanna Wolff) sucht nach ihrer Chance, endlich die Autorenschaft für ein Aufsehen erregendes Paper zu bekommen, eine Studentin (Elisabeth Halikiopoulos) versucht, möglich nichts falsch zu machen. Ein Labortechniker (Johannes Schüchner) ist der heimliche Hahn im Korb, schließlich gibt es auch im Labor nicht nur Wissenschaftliches, sondern auch Zwischenmenschliches. Eine begleitende Journalistin (Ana Grigalashvili) ist für die naiven Fragen, ein dandyhafter emeritierter Professor (Dennis Kozeluh) für den großen theoretischen Überbau zuständig.
Obwohl Syha nach Kräften versucht, aus dieser Konstellation einen Wissenschaftskrimi zu konstruieren, in dem in einer dreifachen Zeitschleife einmal der Thermostat des Mikrobenschranks manipuliert wird, ein anderes Mal das Laborbuch mit den analogen Aufzeichnungen, ein drittes Mal der komplette digitalen Datensatz verschwindet, entsteht daraus keine dramatische Spannung. Alles kumuliert in der Binsenweisheit der Scientific Community: "Publish or perish - am Ende läuft es immer darauf hinaus."
Regisseurin Sandra Schüddekopf versucht den Banalitäten zu entkommen, indem sie die Geschehnisse auf der von Ágnes Hamvas geschickt als aseptisch wirkenden Forschungsraum gestalteten Mini-Bühne unter Überdruck setzt und mit dem Vergrößerungsglas arbeitet. Die Folge sind jedoch übertriebene Emotionen, wie sie vielleicht im Theaterlabor gezüchtet werden, in der freien Wildbahn so aber kaum zu beobachten sind. Was doch Natur sein soll, wirkt künstlich. Dem 100-minütigen Abend geht damit die Glaubwürdigkeit verloren. Und die ist in der Wissenschaft bekanntlich das Entscheidende. Immerhin: Dem langen Schlussapplaus nach zu schließen, war die Peer-Review erfolgreich. Den Mikroben dürfte das allerdings ziemlich egal sein. Eine gewisse Gelassenheit braucht man eben, um ein paar Milliarden Jahre zu überleben.
Service: "Das Institut" von Ulrike Syha, Regie: Sandra Schüddekopf, Bühne, Kostüme: Ágnes Hamvas, Video: Nela-Valentina Pichl. Mit: Zeynep Buyraç, Ana Grigalashvili, Elisabeth Halikiopoulos, Dennis Kozeluh, Johannes Schüchner, Johanna Wolff. Uraufführung im Theater Drachengasse, Wien 1, Drachengasse 2, Weitere Vorstellungen: 19. - 21., 24., 25., 27., 31. Mai und 2. - 4. Juni, 20 Uhr, www.drachengasse.at