Klimawandel spült mehr Schadstoffe in entlegene arktische Seen
Der Klimawandel spült mehr Schadstoffe in entlegene arktische Seen. Wie im Rahmen des österreichisch-kanadischen Forschungsprojekts "High-Arctic" gezeigt wurde, gelangen durch die rasche regionale Erwärmung vermehrt Umweltgifte wie polybromierte Flammschutzmittel, die über Jahrzehnte auf Gletschern abgelagert wurden, in die Gewässer. Im 26. Jahr des Projekts kann nach zwei Jahren Covid-bedingter Pause am 25. Juli wieder eine Expedition in die kanadische Arktis starten.
Der Biologe Günter Köck vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) untersucht im Rahmen des von ihm initiierten bilateralen Forschungsprojekts "High-Arctic" gemeinsam mit Derek Muir (Environment and Climate Change Canada) seit 1997 u.a. die Anreicherung von Schwermetallen und die Einflüsse von Klimaveränderungen auf Seesaiblinge in der kanadischen Arktis. Am Montag bricht er im Rahmen des am längsten durchgehend laufenden österreichischen Arktisprojekts zu einer neuen Expedition auf.
Das Basislager schlägt er in der rund 200 Einwohner zählenden Inuit-Siedlung Resolute Bay im Süden der Cornwallis-Insel auf. Dank des dort lebenden Teammitglieds, der Inuk Debbie Iqaluk, konnte die einzigartige 25-jährige Datenserie über die Schadstoffbelastung von Fischen aus arktischen Seen auch in der Coronapandemie aufrecht erhalten werden. "Sie hat unter schwierigsten Bedingungen auf eigene Faust die wichtigsten Seen befischt, Fischproben entnommen und so den Erfolg des Projekts gesichert", erklärte Köck gegenüber der APA.
Untersuchungen bereits 1997 gestartet
Nachdem sich bereits in den 1990er-Jahren an Seesaiblingen aus Tiroler Hochgebirgsseen ein Zusammenhang zwischen Metallanreicherung und Klimaänderungen erkennen ließ, haben die Wissenschafter 1997 Untersuchungen an etwa 30 Seen auf sechs Inseln in der kanadischen Hocharktis gestartet. Die über einen so langen Zeitraum lückenlose Datenserie ermögliche es, "Modelle zu entwickeln, mit denen wir den Einfluss des Klimas auf die Schadstoffbelastung von Fischen aus arktischen Seen in Zukunft genau beschreiben können", betonte Köck.
Die Forscher konzentrieren sich in ihrer Arbeit auf die Einflüsse der Klimaerwärmung auf die Anreicherung von organischen Schadstoffen wie etwa polybromierte Flammschutzmittel (z.B. PBDEs, PFCAs, PFOS, HCB) und Quecksilber. Die Flammschutzhemmer wurden zahlreichen unterschiedlichsten Erzeugnisse - von Kunststoffen über Textilien bis zu elektronischen Geräten - zugegeben, ihre Verwendung ist mittlerweile weltweit - auch in der EU - verboten bzw. stark eingeschränkt. Die schwer abbaubaren Stoffe gelangen aber weiterhin während des Gebrauchs von Gegenständen oder deren Entsorgung in die Umwelt.
Das Schwermetall Quecksilber gelangt dagegen aus den Industriegebieten im Süden Kanadas über die Atmosphäre in das Seewasser und die umliegenden Feuchtgebieten. Dort wird das Metall von Bakterien in das noch weitaus giftigere Methylquecksilber umgebaut, das sich in der Nahrungskette anreichert und für Tier und Mensch bereits in geringen Mengen schädlich ist.
Konzentrationen von Flammschutzmitteln steigen
"Wir konnten nachweisen, dass die Konzentrationen einiger hochgiftiger Flammschutzmittel wie etwa polybromierte Diphenylether (z.B. PBDEs, PFCAs, PFOS und HCB, Anm.) in den von menschlichen Siedlungen sehr weiten entfernten Seen wie etwa Lake Hazen seit Mitte der 2000er-Jahre beständig ansteigen", betonte Köck. Der Anstieg trotz Verbots dürfte wahrscheinlich daran liegen, dass früherer Ablagerungen im Einzugsgebiet der Seen eingeschwemmt werden.
Lake Hazen etwa, der größte und abgelegenste See in der Studie, sei von der zunehmenden Gletscherschmelze und dem Rückgang der Eisbedeckung aufgrund der raschen regionalen Erwärmung von plus 2,8 Grad Celsius im Jahresmittel seit Mitte der 1980er Jahre betroffen. Dadurch dürften vermehrt in den Gletscherflächen abgelagerte Schadstoffe in den See gelangen. Auch die Verdunstung von im Meerwasser gelösten Substanzen aus den im Sommer zunehmend eisfreien Flächen des Arktischen Ozeans könnten zum Anstieg beitragen.
Bei Quecksilber (Hg) zeigen die Daten dagegen ein anderes Bild: Die Hg-Konzentrationen in den Fischen ist in den meisten untersuchten Seen in den vergangenen acht bis zehn Jahren konstant geblieben oder gesunken, nur in zwei Seen ist sie gestiegen. Die Forscher vermuten, dass diese Unterschiede von der Konzentration von gelöstem organischem Kohlenstoff auf die Bioverfügbarkeit von Quecksilber im Wasser verursacht werden.
Service: Günter Köck wird während der Expedition bloggen: https://www.facebook.com/HighArcticProject/