Corona - Tirols LR Palfrader und Mediziner für offene Schulen
Tirols Bildungslandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) sowie die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie (ÖGKJP) haben sich am Donnerstag für ein Offenhalten der Schulen ausgesprochen. "Wir halten daran fest, vom flächendeckenden Distance Learning Abstand zu nehmen", betonte Palfrader im APA-Gespräch. Die ÖGKJP betonte, dass Kinder nicht beschränkt werden dürften, "um eine Dynamik abzufangen, die durch die solidarische Maßnahme der Impfung vermeidbar wäre".
Die Landesrätin argumentierte - wie auch schon Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) -, dass man durch das regelmäßige Testen an den Schulen ein Kontrollinstrument habe, was das Infektionsgeschehen betreffe. Sie hoffe zudem, dass die neu eingeführte Regelung, wonach ab dem zweiten Infektionsfall die ganze Klasse für fünf Tage ins Distance Learning müsse, greifen werde. Ob man den Winter ohne Schulschließungen überstehen werde, könne sie aber nicht vorhersagen.
Appell an Eltern
Derzeit würden sich die Infektionszahlen in Tirols Bildungseinrichtungen noch nach oben bewegen, berichtete Palfrader. Mit Stand Donnerstagmittag mussten 119 Tiroler Klassen in den Heimunterricht wechseln, über 20 davon betrafen Osttirol. In ganz Tirol seien 2.964 Kinder positiv getestet, das entspricht einem Anteil von rund drei Prozent. Unter der Osttiroler Schülerschaft betrage der Anteil der Infizierten aber etwa sechs Prozent, verdeutlichte sie die Problematik im Bezirk Lienz.
Palfrader, die auch Arbeitslandesrätin ist, appellierte indes an die Eltern, im Falle von Heimunterricht die Sonderbetreuungszeit in Anspruch zu nehmen. "Wenn irgendwie möglich, nehmen Sie bitte die Sonderbetreuungszeit in Anspruch. So helfen Sie mit, die vierte Welle der Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen". Ihr sei jedoch bewusst, dass dies nicht bei allen Berufsgruppen möglich sei.
ÖGKJP vehement gegen Schulschließungen
Gegen eine Schließung der Schulen zum jetzigen Zeitpunkt sprachen sich auch Palfraders Kolleginnen aus Niederösterreich und Salzburg im Ö1-Mittagsjournal aus. Mit der nunmehrigen Lösung, etwa Klassen ab dem zweiten Infektionsfall ins Distance Learning schicken zu können, sei sie sehr zufrieden, meinte etwa die Salzburger Bildungs-Landesrätin Daniela Gutschi (ÖVP). Sowohl Gutschi als auch ihr niederösterreichisches Pendant Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) stellten auch in Abrede, dass ihre Länder Druck für Schulschließungen machen würden. Wenn sich die Lage zuspitze, könne es zwar sein, dass man auch Schulen zusperren müsse. In einer Pandemie schließe sie nichts aus. "Wenn Sie mich fragen, ob ich das will, sage ich eindeutig Nein", so Teschl-Hofmeister.
Vehement gegen Schulschließungen positionierte sich das ÖGKJP-Präsidium und deren Präsidentin Kathrin Sevecke. Studien hätten "eindeutig belegt, dass die Pandemie die psychische Gesundheit junger Menschen deutlich beeinträchtigt", unterstrichen die Experten in einer Aussendung. Man sollte, so die ÖGKJP, "aus den bisherigen Fehlern gelernt haben". Eine erneute Schulschließung würde aus Expertensicht "mit Sicherheit die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen weiter gefährden". Zudem bestehe die Gefahr, dass emotional belastete junge Menschen, die noch nicht klinisch gefährdet sind, nun ebenfalls Symptome einer psychischen Erkrankung entwickeln.
"Gravierende Beeinträchtigungen" durch Schulschließungen
Denn mittlerweile sei klar, dass es durch die Schließung der Schulen "nicht nur zu Einschränkungen im Lernergebnis", sondern auch "zu gravierenden sozial-emotionalen Beeinträchtigungen" komme. So haben sich laut der Tiroler COVID-19 Kinderstudie Angst- und Traumasymptome seit März 2020 verdrei- bis vervierfacht. Wiesen im März 2020 noch sechs Prozent der Kinder Symptome im klinischen Bereich auf, waren es bei der letzten Erhebung im Sommer 2021 bereits 23 Prozent.
Einer bundesweiten Studie zufolge wiesen 55 Prozent der österreichischen Jugendlichen und Auszubildenden klinisch relevante depressive Symptome auf. Die Prävalenz von Suizidgedanken lag bei 37 Prozent. Bereits ein Semester nach Wiedereröffnung der Schulen und Zurückfahren der Eindämmungsmaßnahmen im Juni 2021 habe sich eine Verbesserung der psychischen Gesundheit der Jugendlichen gezeigt.