Eine Waschmaschine zur Herstellung viraler Impfstoffe
Wissenschaftler am Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) am Standort Wien haben in enger Zusammenarbeit mit dem Unternehmenspartner Themis Bioscience GmbH ein Reinigungsverfahren für Impfstoffe entwickelt, die über eine Masern-Vektor-Plattform hergestellt werden. Dies führt zu einem flexibleren, reproduzierbaren und wirtschaftlichen Prozess, der zukünftig eine schnellere Entwicklung und Produktion von Impfstoffen ermöglicht.
Wie wichtig die schnelle Entwicklung, Herstellung und Zulassung neuer Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten ist, zeigte sich während der Covid-19-Pandemie. Um eine rasche Reaktion auf neue Viren zu ermöglichen, sind sogenannte Plattformverfahren für die Herstellung von Impfstoffen erforderlich. Plattformprozesse können mit minimalen Änderungen des Prozesses leicht und schnell an verschiedene neue Targets angepasst werden, was zu einer wirtschaftlicheren Prozessentwicklung führt und im Vergleich zu Prozessen, die für jeden neuen Impfstoff von Grund auf neu entwickelt werden müssen, Zeit und Ressourcen spart", erklärt Alois Jungbauer, Senior Scientist am acib und an der BOKU Wien.
Die Masernvirus-Plattform
Eines dieser Plattformverfahren für die Herstellung von Impfstoffen basiert auf dem Masernvirus. Die Masernvirus-Impfung mit abgeschwächten Lebendviren hat sich über viele Jahre hinweg als außerordentlich sicher und hochwirksam erwiesen. Sie hat minimale Nebenwirkungen und bietet einen langanhaltenden Schutz. Durch gentechnische Anpassung ist es möglich, zusätzliche Gene in das abgeschwächte Masernvirus einzufügen, sodass es auf seiner Oberfläche Impfstoffantigene gegen ein neu auftretendes Virus tragen kann. Mit einer solchen Technologie können so Impfstoffe für verschiedene Viren hergestellt werden: "Im Gegensatz zu herkömmlichen Strategien ist es nicht mehr erforderlich, pathogene Viren für einen sogenannten inaktivierten Impfstoff oder einen abgeschwächten Virusimpfstoff herzustellen, bei dem die Pathogenität durch Kultivierung im Labor abgeschwächt wird. Beide herkömmlichen und bisher eingesetzten Verfahren sind zeitaufwendig. Jene Technologie zur Produktion viraler Proteine mit Hilfe des Masernvirus ist schneller und die Herstellung pathogener Viren kann vermieden werden", verrät Jungbauer.
Neues Verfahren zur Aufreinigung des Virus
Ein wichtiger Schritt in der Impfstoffherstellung ist die Aufreinigung des Virus, um Rückstände aus dem Produktionsprozess zu entfernen, welche im endgültigen Impfstoffprodukt unerwünschte Wirkungen hervorrufen würden. Eine Herausforderung, wie Jungbauer weiß: "Man muss die gewünschten Eigenschaften des Virus, wie z. B. die Immunogenität, beibehalten, und gleichzeitig Verunreinigungen beseitigen." Eine zusätzliche Herausforderung, insbesondere für das Masernvirus, besteht darin, dass der Produktionsprozess in einem geschlossenen System unter aseptischen Bedingungen stattfinden muss. "Üblicherweise wird der Impfstoff am Ende des Prozesses steril filtriert, was beim Masernvirus aufgrund seiner relativ großen Größe nicht möglich ist", erklärt der Forscher.
Gemeinsam mit seinem Team an acib-ForscherInnen hat Jungbauer daher in Zusammenarbeit mit dem Impfstoffentwickler Themis Bioscience ein hochflexibles und reproduzierbares Aufreinigungsverfahren für einen Impfstoff entwickelt, welcher über die Masernvirus-Plattform hergestellt wird. "Das Verfahren kann sowohl im kleinen Labormaßstab für Forschungszwecke als auch in größerem Maßstab zur Herstellung von Impfstoffen für klinische Studien und sogar für den Markt eingesetzt werden", so Jungbauer, der das neue Verfahren beschreibt: "In einem Durchfluss-Chromatographieschritt werden die kleinen Verunreinigungen in einer festen Matrix zurückgehalten, während das große Virus im Prozessstrom verbleibt. Mit geringem Aufwand kann dieser Chromatographieschritt für verschiedene Arten von Masernvirus-Vektoren angepasst werden. Im Gegensatz zu herkömmlichen Verfahren erfolgt die Ultrafiltration des Masernvirus erst nach der Chromatographie, was zu einer verkürzten Prozesszeit und einer höheren Produktausbeute und -reinheit führt. Eine weitere Besonderheit des neuen Aufreinigungsverfahrens: "Alle Prozessschritte können in einem geschlossenen System unter aseptischen Bedingungen durchgeführt werden und lassen sich auch in einen kontinuierlichen Prozess integrieren", freut sich Jungbauer.
Mit dieser Technologie tragen die acib-Wissenschaftler zu einer effizienteren und wirtschaftlicheren Produktion von sicheren und modernen Impfstoffen bei. Das Projekt wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Unternehmenspartner Themis Bioscience durchgeführt, um die Umsetzung der Forschungsergebnisse in ein industrielles Umfeld zu ermöglichen.
Über acib
Das 2010 gegründete Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) entwickelt neue, umweltfreundlichere und ökonomischere Prozesse für die Biotech-, Chemie- und Pharmaindustrie und verwendet dafür die Methoden der Natur als Vorbild. Das internationale Forschungszentrum für industrielle Biotechnologie ist eine Non-Profit-Organisation mit weltweiten Standorten und Hauptsitz in Graz. acib versteht sich als Partnerschaft von 150+ Universitäten und Unternehmen. acib-Eigentümer sind die Universitäten Innsbruck und Graz, die Technische Universität Graz, die BOKU Wien sowie Joanneum Research. Gefördert wird das K2-Zentrum im Rahmen des COMET-Programms durch das BMK, BMAW sowie die Länder Steiermark, Wien, Niederösterreich und Tirol. Das COMET-Programm wird durch die FFG abgewickelt.
Über Themis Bioscience
Die Themis Bioscience GmbH wurde 2009 in Wien gegründet und befasste sich mit der Forschung und Entwicklung neuer Impfstoffe für Infektionskrankheiten. 2020 wurde Themis von MSD übernommen und war bis Dezember 2022 eine Tochterfirma von MSD.
Rückfragehinweis Ao. Prof. Dr. Alois Jungbauer acib/BOKU - Senior Scientist T: +43 (0) 47654 79096 E-Mail: alois.jungbauer@boku.ac.at Martin Walpot, MA Head of Public Relations and Marketing acib GmbH T: +43 316 873 9312 E-Mail: martin.walpot@acib.at