Forscher weisen auf Zunahme von teils versteckten "Megadürren" hin
Mehrjährige Trockenperioden oder "Megadürren" sind laut einer Studie von Forscherinnen und Forschern aus der Schweiz und Österreich in den vergangenen 40 Jahren auf dem Vormarsch. Im Fachblatt "Science" berichtet das Team, dass diese Ereignisse nun tendenziell noch trockener, länger und heißer ausfallen, mehr Vegetationsschäden verursachen und immer größere Landflächen betreffen als noch 1980. Manche "paradox" verlaufende Dürren werden aber trotzdem kaum bemerkt, heißt es.
Auch momentan ist es in Teilen Österreichs erneut deutlich zu trocken. In den vergangenen Jahren hielten sich hierzulande zeitweise äußerst beständige Trockenperioden, die Grundwasserspiegel dramatisch sinken ließen, Feldfrüchten und Tieren massiven Trockenstress bescherten, Ernten entsprechend beeinträchtigten, die Stromproduktion in Wasserkraftwerken drosselten oder Wintersportorten merklichen Schneemangel und unschöne "weiße Bänder" in der eigentlich gar nicht winterlichen Landschaft bescherten. Gleichzeitig geht der Trend im Zuge der markanten Temperaturerhöhungen der vergangenen Jahrzehnte dahin, dass sich solche Dürreperioden mit Extremwettereignissen, wie Starkregenereignissen abwechseln.
Den Mechanismen hinter den vom Klimawandel begünstigten Mehrjahres-Dürren ging nun ein Forschungsteam unter Leitung der Schweizer Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) auf den Grund. An den Analysen war auch die am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg (NÖ) tätige Gletscherforscherin Francesca Pellicciotti beteiligt.
13.176 mehrjährige Dürreereignisse in rund 40 Jahren
Die Wissenschafter um Liangzhi Chen und Dirk Karger vom WSL berechneten das langjährige Verhältnis von Niederschlag und geschätzter Verdunstung. Zusätzlich verglichen sie die Informationen mit Aufzeichnungen darüber, wie sich die Vegetation verhält. Darüber geben Veränderungen der Grün-Anteile in Satellitendaten Aufschluss. So kam man auf die Spur von 13.176 mehrjährigen Dürreereignissen zwischen 1980 und 2018 weltweit.
Demnach nimmt das Phänomen im Zeitverlauf zu: Pro Jahr steigt die von mindestens zwei Jahre andauernden Dürren betroffene Landfläche demnach im Durchschnitt um knapp 50.000 Quadratkilometer an. Zum Vergleich: Die Staatsfläche Österreichs beträgt rund 84.000 Quadratkilometer. Immerhin fünf der zehn größten "Megadürren" traten am Ende des Untersuchungszeitraumes - zwischen 2007 und 2018 - auf, schreibt das Team in seiner Arbeit. Am schlimmsten war jene, die zwischen 2010 und 2018 im östlichen Kongobecken auftrat. Sie betraf im Jahr 2014 ein Einzugsgebiet von 1,5 Millionen Quadratkilometern. Weitere Extremdürren ereigneten sich u.a. in der Amazonasregion. Insgesamt sehe man überdies, dass es in den am stärksten betroffenen Regionen im Schnitt auch wärmer wurde.
Methode zeigt auch "nicht nur gut dokumentierte Dürren"
Klar sei, dass diese Ereignisse oft "enorme Schäden an Ökosystemen, in der Landwirtschaft und in der Energieproduktion verursacht" haben, wird Pellicciotti in einer ISTA-Aussendung zitiert. In vielen Fällen wie den Dürren zwischen dem Jahr 2000 und 2018 im Westen und Südwesten der USA, der bis heute andauernden "Megadürre" in Chile oder der auch hierzulande stark spürbaren großen Trockenheit in Zentraleuropa von 2018 bis 2022 sind diese negativen Konsequenzen gut belegt. Mit der neuen Methode der Forscher war es nun aber auch möglich, "nicht nur gut dokumentierte Dürren" zu erfassen, so Karger.
Der Grund für die geringe Sichtbarkeit dieser Ereignisse gerade in tropischen und nördlichen, bzw. borealen Wäldern sei, dass sich dort "paradoxe Effekte" durch Trockenheit einstellen. So merke man der Blätterdecke von Tropenwäldern die darunter liegende Dürre lange nicht an, da sie oft recht lange auf große Wasserreserven zurückgreifen können. In borealen Regionen wiederum verlängert sich durch die Erwärmung die Wachstumsperiode der Bäume. Sie können also das auch in Trockenzeiten noch verfügbare Wasser länger nutzen und die Dürre wird dadurch weniger sichtbar, schreiben die Wissenschafter.
Forscherin: Dürren zunehmend keine "jährlichen oder saisonalen Ereignisse"
Es stelle sich aber die Frage, wie lange solche Regionen dem noch standhalten. Blickt man auf die extremen Waldbrände durch Trockenheit im brasilianischen "Feuchtgebiet" Pantanal und die Bilder historisch niedriger Flussstände im Amazonasgebiet in den vergangenen Jahren erscheint dies äußerst virulent. Sterben wiederum in borealen Regionen Bäume ab, werde es "wahrscheinlich am längsten brauchen", bis sich die Vegetation dort von einer derartigen "Klimakatastrophe" erholt, so Karger.
Ganz anders ist die Situation hingegen im Grasland in gemäßigten Zonen der Erde. Hier werden Dürren viel rascher sichtbar und auch besser dokumentiert: Im Untersuchungszeitraum am ausgeprägtesten war die Trockenheit im Westen der USA, in der zentralen und östlichen Mongolei sowie im Südosten Australiens. Für Pellicciotti greift angesichts der neuen Daten die weit verbreitete Sichtweise, dass Dürren "jährliche oder saisonale Ereignisse" sind, nicht mehr. Diese Ansicht stehe "in krassem Gegensatz zu den längeren und schwereren Megadürren, mit denen wir in Zukunft konfrontiert sein werden".
Feldexperimente von Innsbrucker Ökologen
Abseits des übergeordneten Blicks auf Dürren sollte auch stärker auf ihre Auswirkungen auf lokale Ökosysteme geachtet werden, schreiben die beiden US-Forscher David Hoover und William Smith in einem Perspektivenartikel zu der Publikation. So könnten die Effekte auf verschiedene Arten recht unterschiedlich sein, was wiederum stark darüber entscheidet, wie sich ein Lebensraum nach mehrjährigen Dürren darstellt.
Hier schärft eine ebenfalls in "Science" erschienene Studie, die unter Leitung von Wissenschaftern der Universität Innsbruck entstand, das Bild ein Stück weit: In einem Feldexperiment untersuchte ein Team um Jesse Radolinski und Michael Bahn vom Innsbrucker Institut für Ökologie über einige Jahre hinweg an der Forschungsanstalt Raumberg-Gumpenstein in der Steiermark die kombinierte Auswirkung von Dürre, Klimaerwärmung und einer erhöhten Konzentration von CO2 in der Luft.
Ein Ergebnis der Studie ist, dass wiederkehrende Dürrephasen die hydrologischen Eigenschaften des Porensystems im Boden nachhaltig negativ beeinflussen, und dies in einem wärmeren Klima bei erhöhtem CO2 nochmals stärker zum Tragen kommt. So sei davon auszugehen, dass z.B. die Durchmischung von Bodenwasser nach wiederholter Dürre in einem künftigen Klima stark eingeschränkt sein werde, wie die Forscher berichten. Das habe wiederum negative Auswirkungen für die Pflanzen: Eine schlechtere Wasserverfügbarkeit könnte längerfristig auch die Regenerationsfähigkeit der Vegetation beeinträchtigen. Die Wechselwirkungen zwischen Boden und Pflanzen seien vielleicht komplexer als bisher angenommen. Es brauche Strategien, um die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen gegenüber Klimaveränderungen zu stärken, so die Forscher.
Service: Publikation zu mehrjährigen Dürren: https://doi.org/10.1126/science.ado4245, Perspektivenartikel dazu: https://dx.doi.org/10.1126/science.adu7419; Paper unter Leitung von Uni Innsbruck: https://dx.doi.org/10.1126/science.ado0734