Megalodon war womöglich schlanker und länger als gedacht
Der riesige Ur-Hai Megalodon war einer Analyse zufolge deutlich schlanker und möglicherweise auch länger als bisher angenommen. In der Vergangenheit sei oft der Weiße Hai (Carcharodon carcharias) als Modell für das Aussehen des Megalodon genutzt worden, erläutert ein Forschungsteam mit Beteiligung aus Österreich im Fachjournal "Palaeontologia Electronica". Neue Analysen zeigten aber, dass der Ur-Hai wohl gar nicht so rundlich und stämmig war wie sein moderner Verwandter.
"Unser Team hat die dokumentierten Fossilfunde erneut untersucht und festgestellt, dass Megalodon schlanker und möglicherweise sogar länger war als wir dachten. Daher könnte ein besseres Modell der moderne Makohai sein", sagte Erstautor Phillip Sternes von der University of California in Riverside. "Es wäre immer noch ein beeindruckendes Raubtier an der Spitze der früheren Nahrungskette, aber es hätte sich aufgrund dieses neuen Verständnisses seines Körpers anders verhalten."
Bekannt wurde Megalodon unter anderem durch die Science-Fiction-Filme "Meg" und "Meg 2: Die Tiefe", in denen die Riesenhaie aus den Tiefen der Ozeane hervorschwimmen. Vom echten Megalodon (Otodus megalodon), der nach Angaben der University of California vor 3,6 Millionen Jahren ausgestorben ist, sind bisher vor allem riesige Zähne - die auch in der Umgebung Wiens zahlreich gefunden wurden und im Naturhistorischen Museum (NHM) Wien zu sehen sind - sowie einige Wirbel entdeckt worden. Den Studienautoren zufolge, zu denen auch Patrick Jambura, Julia Türtscher und Jürgen Kriwet vom Institut für Paläontologie der Universität Wien sowie Iris Feichtinger vom NHM zählen, ist nicht einmal eine komplette Wirbelsäule eines Megalodon bekannt.
Informationen "einer unvollständigen Wirbelsäule ohne weitere Skelettelemente wie den Schädel" und ein "Vergleich mit einem CT-Scan eines jungen Weißen Hais", um auf die Körperform von Megalodon zu schließen, seien "sehr fehleranfällig", so Kriwet. Bisher sei er auf eine Länge von maximal 15 bis 20 Metern geschätzt worden, berichtet das Team um Sternes. Wahrscheinlich sei seine Länge damit aber unterschätzt - eine konkrete neue Angabe machen die Forscher dabei allerdings nicht.
Eher langsam schwimmender Jäger
Die neuen 2D- und 3D-Rekonstruktionen legen laut Sternes nahe, "dass Megalodon nicht einfach eine größere Version des modernen Weißen Hais war". "Kombiniert ergibt sich das Bild eines vergleichsweise schlanken und langen, regional warmblütigen, eher langsam schwimmenden Top-Prädators", so Jambura. Dieser hätte eine ähnliche oder vielleicht sogar höhere Position in der Nahrungskette eingenommen als der heutige Weiße Hai.
Ein schlankerer und länglicherer Körper könnte demnach darauf hindeuten, dass Megalodon auch einen längeren Verdauungskanal hatte. In diesem Fall sei die Nahrungsverwertung besser gewesen und der Hai habe weniger fressen müssen. "Dies bedeutet weniger Jagddruck auf andere Meereskreaturen", sagte Sternes.
Die Arbeit von Sternes Team decke mehrere Schwachstellen früherer Analysen auf, sagte Timo Moritz vom Deutschen Meeresmuseum in Stralsund, der nicht an der Studie beteiligt war. Größter Schwachpunkt einer vom Team um Sternes besonders kritisierten Studie sei wohl der klassische Zirkelschluss gewesen: "Nimmt man von vornhinein an, dass Megalodon wie ein Weißer Hai aussah, bekommt man am Ende natürlich auch raus, dass er wie ein Weißer Hai aussah und so gelebt hat." Die Schlussfolgerung der neuen Studie, dass Megalodon wohl schlanker war, sei nachvollziehbar.
John Hutchinson, ein Hauptautor der von Sternes Team besonders kritisierten Megalodon-Studie von 2022, sieht die Lage anders: "Wir schätzten, dass das von uns modellierte Megalodon-Individuum etwa 15,9 Meter lang war. Die neue Studie kritisiert dies, liefert jedoch keine alternative Hypothese und ist daher nicht aussagekräftig", sagte Hutchinson, der am Royal Veterinary College in London arbeitet. "Bedeutenderweise argumentiert die neue Studie, dass ohne ein vollständiges Skelett alle Rekonstruktionen zu spekulativ sind, aber die Forscher stellen weiterhin ihre eigenen groben Spekulationen an", kritisierte er. Abseits der verschiedenen Spekulationen um Form und Größe sei das "Verständnis des Erfolgs, aber auch des Aussterbens solcher Raubfische von großer Bedeutung, da es Rückschlüsse auf die Zukunft der heutigen Top-Prädatoren zulässt, die für das ökologische Gleichgewicht der Ozeane unverzichtbar sind", so die an der neuen Untersuchung beteiligte NHM-Paläontologin Iris Feichtinger.
Service: https://doi.org/10.26879/1345