Vertrauen in Wissenschaft stark ausbaufähig und ungleich verteilt
"Sehr großes Vertrauen" bringen den Erkenntnissen aus Wissenschaft und Forschung einer neuen Umfrage zufolge lediglich 15 Prozent der Österreicher entgegen. Zumindest "großes Vertrauen" hegen 32 Prozent der vom Spectra-Institut befragten knapp über 1.000 Personen, hieß es bei der Präsentation der Studie in Wien. "International großen Nachholbedarf" ortete angesichts dieser Ergebnisse BioNTech-Mitbegründer, Christoph Huber.
Auch wenn die Vertrauenswerte insgesamt durchwachsen erscheinen, ist der Anteil der "teils" und "sehr skeptischen" Menschen gegenüber Wissenschaft und Forschung mit neun bzw. zwei Prozent wiederum relativ überschaubar, der Rest zeigte sich relativ indifferent bei ihrem Vertrauensangaben. Personen mit Matura oder höherem Bildungsabschluss bekundeten im Schnitt deutlich mehr Vertrauen als Studien-Teilnehmer mit weniger hohen Bildungsabschlüssen. Im Rahmen der für die österreichische Bevölkerung über 15 Jahren repräsentativen Umfrage wurden im März insgesamt 1.031 Menschen befragt. Den Auftrag zur der Studie "Sichtweisen der Österreicher:innen zum Thema Wissenschaft" gaben die Praevenire Gesundheitsinitiative und die Gesellschaft der Ärzte in Wien.
Wissenschafter glaubwürdiger als Politiker
Insgesamt wolle er die Ergebnisse "nicht als so negativ bewerten", so Walter Wintersberger von Spectra. Fragten die Meinungsforscher nach der Vertrauenswürdigkeit verschiedener Experten, schnitten Wissenschafter nämlich deutlich besser ab als zum Beispiel NGO- oder Wirtschaftsvertreter bzw. Aktivisten. Ganz am Ende rangieren hier "Experten" aus der Politik und Verwaltung bzw. aus den Religionsgemeinschaften. Man sehe auch in den Daten, dass das Image von wissenschaftlichen Experten deutlich leide, wenn sie als politiknäher wahrgenommen werden. Einzelpersonen würden durchaus viel Vertrauen genießen, es offenbare sich aber auch, dass die weit verbreiteten Ressentiments gegenüber Institution verschiedenster Art abfärben können.
Für den Industriellen und Ex-Forschungsratschef Hannes Androsch ist es "eine Riesenaufgabe der Bildung, der Wissenschaft zu der Geltung zu verhelfen", die ihr in Österreich gebühre. "Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Wir sind eher im Winter", so Androsch mit Blick auf die "Wir sind Nobelpreisträger"-Stimmung seit der Zuerkennung des Physik-Nobelpreises an Anton Zeilinger mancherorts. Dies sei keineswegs angebracht.
Für Huber brauche es eindeutig mehr Initiativen, um das grundsätzlich bestehende positive Bild der Wissenschaft in vielen Gesellschaftsbereichen zu stärken. Diverse Lippenbekenntnisse dahingehen wurden aber in der Vergangenheit "nur bedingt von entschlossenen Taten begleitet", sagte der aus Österreich stammende Wissenschafter und Unternehmer. Letztlich brauche es auch "mehr Forschungsförderung".
Wissenschaft contra Fake News
Beim Unterscheiden von "wahren" und "falschen" Informationen verlassen sich laut der Studie nur etwas weniger als die Hälfte der Österreicher (48 Prozent) auf wissenschaftliche Erkenntnisse und Analysen. Unter Menschen mit zumindest abgeschlossener Matura ist die Zustimmung hier mit 60 Prozent deutlich höher als unter Personen, die ihre Bildungskarriere nach der Pflichtschule beendeten (36 Prozent). Auf die Konsultation des eigenen Hausverstandes (71 Prozent) und der persönlichen Lebenserfahrung (52 Prozent) beim Erkennen von "Fake News" und Co würden mehr Menschen setzen. Insgesamt nur 25 Prozent würden zur Unterscheidung zwischen Fake und Fakt auf journalistische Berichte in etablierten Medien zurückgreifen.
Dass nun Wissenschaftsjournalismus in den Plänen zum neuen Medienförderungsgesetz keine Rolle spielt, ist für Huber "ganz entsetzlich und vernichtend für die Gesellschaft". Dem gegenüber stünden nämlich "völlig unregulierte Meldungen im Internet". Die Gesellschaft müsse hier Wege finden, "der Wahrheitsfindung einen Rahmen zu geben".
Immerhin gibt es laut der Umfrage relativ breiten Konsens darüber, dass es für eine Demokratie wichtig ist, wenn Bürger zwischen "wahren" und "falschen" Informationen unterscheiden können. Insgesamt 78 Prozent der Befragten stimmen dem "voll und ganz" oder "größtenteils" zu. Ähnliches gilt für die Zustimmung dazu, dass Entscheidungen möglichst auf Basis von gesichertem Wissen getroffen werden sollten: 79 Prozent unterstützten das zumindest "größtenteils". Während hier aber beispielsweise die Hälfte Befragten aus Wien voll zustimmte, waren es unter der Landbevölkerung nur 31 Prozent. Auf diesem doch recht weit verbreiteten Konsens könne man jedenfalls aufbauen, hieß es bei der Präsentation.
Markante Unterschiede gab es auch bei den Einschätzungen der Wichtigkeit von fünf abgefragten Themenbereichen: So fanden insgesamt 42 Prozent der Studienteilnehmer, dass vor allem Fragen zur Gesundheit jetzt angegangen werden müssten, gefolgt von Fragen zu Demokratie (25 Prozent), Wirtschafts- und Finanzfragen (19 Prozent), Umweltfragen (17 Prozent) und dem Thema Digitalisierung (4 Prozent). Das Umweltthema rangierte allerdings bei den 15- bis 29-Jährigen ganz oben, während bei Über-50-Jährigen die Gesundheit vorne lag. Am ehesten in Forschung investieren sollte man der Erhebung zufolge in den Bereichen Gesundheit und Umwelt.
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