Verschränkung hoch 55: Am Weg zu rauschresistenten Quantennetzwerken
Für künftige Kommunikation in Quantennetzwerken braucht man Teilchen, die durch das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung verbunden sind. Je mehr Dimensionen diese Verbindung hat, desto mehr Information kann übertragen werden. Schottischen Physikern ist es nun mit Wiener Kollegen gelungen, Photonenpaare in 55 Dimensionen zu verschränken. Wie sie im Fachjournal "Quantum" berichten, steigt damit auch die Widerstandsfähigkeit des Quantennetzwerks gegen Störungen.
Bei der Verschränkung bleiben zwei oder mehrere Teilchen auf scheinbar paradoxe Weise auch über große Distanzen miteinander verbunden. Dieses Phänomen ist eine charakteristische Eigenschaft der Quantenmechanik und lässt sich am besten mit dem fiktiven Experiment von zwei verschränkten Münzen nachvollziehen: Wirft man eine dieser Münzen und schaut nach, ob Kopf oder Zahl oben liegt, wäre augenblicklich auch bei der anderen Münze die entsprechende Seite oben - auch wenn diese beliebig weit entfernt ist.
Weil es bei der Münze zwei Möglichkeiten gibt (Kopf oder Zahl), würde es sich um eine zweidimensionale Verschränkung handeln. Könnte man Spielwürfel verschränken, wäre es eine sechsdimensionale Verschränkung, gibt es doch für jede Seite des Würfels sechs Möglichkeiten.
In der Realität verschränken die Physiker Teilchen, etwa Photonen. Hier kann die Verschränkung zum Beispiel über die Polarisation, also die Schwingungsrichtung des Lichts, realisiert werden. Das Photonenpaar kann dabei entweder horizontal oder vertikal polarisiert sein - und ist daher in zwei Dimensionen verschränkt. Mittlerweile können die Forscher aber routinemäßig auch Quantensysteme mit höherdimensionalen Verschränkungen herstellen.
Rekordverdächtige Verschränkungen in 55 Dimensionen
Einer internationalen Forschergruppe ist es nun gelungen, Verschränkungen in 55 Dimensionen in Systemen aus zwei Photonen herzustellen und nachzuweisen. Das Experiment, geleitet von Mehul Malik von der Heriot-Watt Universität in Edinburgh (Schottland) und mit der theoretischen Analyse von Marcus Huber und Nicolai Friis vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), nutzt dazu aber nicht die Schwingungsrichtung des Lichts, sondern die räumliche Struktur der Photonen.
Konkret werden dabei zwei verschränkte Photonen auf die Reise zu jeweils einem Bildsensor geschickt, der in 97 Bereiche eingeteilt ist. Sobald man bei einem Sensor misst, in welchem Bereich ein Photon auftrifft, wird bei einem identen Versuchsaufbau am anderen Sensor das verschränkte Partnerphoton exakt im gleichen Bereich registriert werden - auch wenn dieser Aufbau ganz wo anders steht.
Theoretisch ließe sich so ein Photonenpaar in 97 Dimensionen verschränken. Deutlich schwieriger ist allerdings die Verifikation. Tatsächlich können die Forscher "eine Verschränkung in 19 Dimensionen in etwa dreieinhalb Minuten überprüfen. Das ist etwa 100 Mal schneller als bisher. Zudem konnten wir Verschränkung in 55 Dimensionen nachweisen, das ist ebenfalls ein Rekord", erklärte Friis in einer Aussendung.
Nach oben hin unbegrenzt
Die Zahl der Dimensionen, in denen ein Photonenpaar sich in der räumlichen Struktur verschränken lässt, ist nach oben hin praktisch unbegrenzt - nur die Auflösung des Bildsensors stellt im konkreten Experiment eine Grenze dar. Huber hält in Zukunft Photonenpaare für praktisch realisierbar, "die zehn bis 100 Mal so viel Information tragen wie zweidimensional verschränkte Systeme".
Zum Vergleich: Bei einer Verschränkung in zwei Dimensionen lassen sich pro Photon 0,7 bis 0,8 Bit übertragen. Dass es nicht ein Bit ist, liegt daran, dass immer wieder Lichtteilchen verloren gehen.
Die hochdimensionale Verschränkung hat aber nicht nur Vorteile bei der Übertragungskapazität: Je mehr Dimensionen die Verschränkung hat, desto widerstandsfähiger wird sie zudem gegen Hintergrundrauschen und Informationsverluste. "Unsere Ergebnisse ebnen den Weg für rauschresistente Quantennetzwerke, die die informationstragende Kapazität einzelner Photonen voll ausschöpfen", betonen die Wissenschafter in ihrer Arbeit.
Service: https://doi.org/10.22331/q-2020-12-24-376