Wiener Forscherin: Die Krebstherapie-Reihenfolge war nicht optimal
Sie drehte das Behandlungsschema gegen Krebsgeschwüre um, die in umliegendes Gewebe eindringen (invasive Tumore), weil ihre Forschung zeigte, dass Tumore in einem Schritt gegen gänzlich verschiedene Therapieformen wie "zielgerichtete-" und Immun-Therapie resistent werden können. Dafür erhielt die Krebsforscherin Anna Obenauf vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien einen Wissenschaftspreis der "American Association for the Advancement of Science (AAAS)".
Einer von zwei Männern und eine von drei Frauen erhalten im Laufe ihres Lebens die Diagnose: "invasiver Krebs", berichtet Obenauf in der Fachzeitschrift "Science Translational Medicine" der AAAS anlässlich der Auszeichnung mit dem "AAAS Martin and Rose Wachtel Cancer Research Award". In jüngster Zeit habe man mit zwei verschiedenen Therapieformen gute Erfolge gegen solche sehr aggressive Geschwüre erzielt: Mit der "zielgerichteten Therapie", also Medikamenten, die gezielt in Vorgänge eingreifen, die das Wachstum der Krebszellen antreiben. Zweitens mit der Immuntherapie, die das menschliche Immunsystem mit Nachdruck auf den Tumor aufmerksam macht.
Es stellte sich im klinischen Bereich jedoch heraus, dass bei Patienten, bei denen die zielgerichtete Therapie nicht mehr gut wirkte, auch die Immuntherapie oft nur geringe Wirksamkeit hatte. Niemand konnte sich erklären, wieso dies bei so unterschiedlichen Therapieformen passiert.
"Immunantwort-Ausweich-Programm"
Obenauf untersuchte das Phänomen mit Versuchen in Mäusen. Es stellte sich heraus, dass Umstellungen in einer Signalkaskade in Krebszellen (MAPK signaling pathway) auf beide Therapieformen einen Einfluss haben: Erstens stellen sie Krebs-eigene Wachstumsmechanismen wieder her und kontern so die zielgerichtete Therapie. Außerdem wird dadurch in den Krebszellen ein "Immunantwort-Ausweich-Programm" angeschaltet.
"Unsere Arbeit hat direkte Folgen für die Behandlung von Patienten etwa mit schwarzem Hautkrebs", schreibt Obenauf, die am Freitag (29. Juli) einen Vortrag bei der virtuellen Gala zur Vergabe des mit 25.000 Dollar (rund 24.400 Euro) dotierten Preises halten wird. Derzeit würde mehr als die Hälfte der Betroffenen zunächst eine zielgerichtete Therapie bekommen, bis eine Resistenz auftritt. "Die Daten unserer Forschung bieten eine wissenschaftliche Grundlage, die Immuntherapie zuerst anzuwenden, oder nach nur kurzem Einsatz der zielgerichteten Therapie auf die Immuntherapie zu wechseln, um Kreuzresistenzen zu vermeiden", so die Forscherin.
Klinische Versuche hätten bereits gezeigt, dass dies sinnvoll ist: Patienten, die als Erstes eine Immuntherapie bekamen, sprachen besser darauf an, als solche, die schon einen Rückfall (Rezidiv) nach zielgerichteter Therapie hatten. "Das Übereinstimmen dieser klinischen Daten mit unseren experimentellen Befunden bietet eine starke rationale Basis, die klinische Praxis hier zu ändern", meint Obenauf. Außerdem zeige sie, wie wichtig die Forschungsmodelle für die Klinik sind.
Service: https://dx.doi.org/10.1126/scitranslmed.add0887